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Gekreuzte Mordmerkmale

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Der Artikel befasst sich mit einem Problem, das immer wieder Gegenstand von Examensklausuren ist und von Studenten oft mit Grauen betrachtet wird. Die Mordmerkmale hat jeder Student bereits im ersten Semester kennengelernt.

Probleme ergeben sich für die Kandidaten meist nicht, sofern es sich im Klausurfall um einen Alleintäter handelt und dessen Verhalten im Hinblick auf eventuell verwirklichte Mordmerkmale zu untersuchen ist. Dann wird von den Kandidaten oft nur eine saubere Subsumtion unter die einzelnen Mordmerkmale verlangt. Die Schwierigkeiten ergeben sich aber dann, wenn weitere Personen an einer Tötung beteiligt sind und selbst entweder von den Motiven des Haupttäters keine Kenntnis haben und selbst auch kein Mordmerkmal aufweisen oder von ganz anderen Mordmotiven geleitet werden als der Haupttäter, sei es zusätzlich zu den Mordmotiven des Haupttäters oder unabhängig von diesen, sei es, dass er von den Merkmalen des Haupttäters zusätzlich weiß oder auch nicht. In derartigen Sachverhaltskonstellationen wird von den Prüflingen nicht lediglich eine Subsumtion unter einzelne Mordmerkmale verlangt, sondern es wird Grundverständnis und klassische Streitstände in Bezug auf den allgemeinen und den besonderen Teil des Strafrechts abgeprüft. Wie mit derartigen Fällen umzugehen ist und welche wichtigen Streitstände in einer solchen Klausurlösung aufgezeigt werden sollten, soll Ihnen anhand dieses Aufsatzes veranschaulicht werden. Es ist darauf hinzuweisen, dass in diesem Aufsatz zunächst nur die Teilnehmerproblematik, also Anstifter oder Gehilfen (§§ 26,27 StGB), abgehandelt wird. Dies soll der Übersichtlichkeit dienen. Was für die Mittäter gilt, soll in einem separaten Aufsatz behandelt werden.

A) Vorausgesetztes Grundwissen:

Ein wenig Grundwissen ist selbstverständlich erforderlich, um die Problematik, die hier behandelt werden soll, später auch vollumfänglich zu erfassen. Das Wichtigste soll daher an dieser Stelle noch einmal wiederholt werden. Auf die Definitionen der einzelnen Mordmerkmale wird hier jedoch bewusst verzichtet – insofern wird auf die einschlägigen Lehrbücher verwiesen.

I) Einteilung der Mordmerkmale in Gruppen

Wir betrachten zunächst einmal den Mord (§ 211 StGB) und uns fällt auf: Es gibt verschiedene Mordmerkmale, die man dem Gesetz entnehmen kann. Diese lassen sich in Gruppen aufteilen:

1. Gruppe: „Mordlust“, „zur Befriedigung des Geschlechtstriebes“, „Habgier“ und die „sonst niederen Beweggründe“.

2. Gruppe: „Heimtückisch“, „grausam“ oder „mit gemeingefährlichen Mitteln“.

3. Gruppe: „Um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken“.

 

II) Die Einteilung der Mordmerkmale in „tatbezogene“ und „täterbezogene“ Merkmale

Diese Gruppen lassen sich wiederum einteilen in „täterbezogene“ Mordmerkmale und „tatbezogene“ Mordmerkmale. Die täterbezogenen Mordmerkmale sind die der 1. und 3. Gruppe und die tatbezogenen die der 2. Gruppe. Warum? Das erkennt man schon, wenn man sich die Merkmale näher ansieht: Die tatbezogenen Merkmale, also „heimtückisch“, „grausam“ oder „mit gemeingefährlichen Mitteln“, beschreiben eine bestimmte Art und Weise der Tatbegehung. Die restlichen Merkmale der 1. und 3. Gruppe charakterisieren hingegen die Person des Täters und beschreiben nicht die Art und Weise der Tatbegehung. Vielmehr steht der besondere Beweggrund des Täters, also sein besonders verwerfliches Motiv für die Tötung, im Vordergrund. Diese Differenzierung muss ein Student kennen, um die späteren Schwierigkeiten nachvollziehen zu können.

III) Der Prüfungsstandort der Mordmerkmale

Weiterhin müssen Sie noch folgendes wissen: Je nachdem, ob man nun ein Mordmerkmal der 1./3. Gruppe oder eines der 2. Gruppe prüft, variiert der Prüfungsstandort in der Prüfung. Die täterbezogenen Mordmerkmale prüft man nach überwiegender Ansicht im Rahmen des subjektiven Tatbestandes, da es sich hiernach um besondere persönliche Merkmale handelt. Die Merkmale der 2. Gruppe hingegen, also wie oben gesehen, die tatbezogenen Mordmerkmale, werden im Rahmen des objektiven Tatbestandes geprüft, da es sich hierbei nicht um besondere persönliche Merkmale handelt. Zu beachten ist, dass es auch Literaturstimmen gibt, die die Prüfung der Merkmale der 1.und 3. Gruppe als spezielle Schuldmerkmale ansehen und diese daher im Rahmen der Schuld prüfen. Nach überwiegender Ansicht baut sich jedoch eine Mordprüfung, wie oben beschrieben, auf. Die Literaturansicht, welche die Merkmale der 1.und 3. Gruppe als spezielle Schuldmerkmale einordnet, sollte aber bekannt sein und wird auch an späterer Stelle noch einmal relevant, braucht aber an dieser Stelle zunächst nicht weiter zu interessieren.

Nochmal eine Übersicht zum Prüfungsstandort der Mordmerkmale:

2. Gruppe:

Prüfungsstandort ist der objektiver Tatbestand nach allen Ansichten

1. und 3. Gruppe: 

Ansicht 1 besondere persönliche Merkmale daher im subjektiven Tatbestand zu prüfen

Ansicht 2 spezielle Schuldmerkmale daher in der Schuld zu prüfen.

 

IV) Der Streit um das Verhältnis von § 212 StGB zu § 211 StGB Grundtatbestand und Qualifikation oder unabhängige Tatbestände? 

Nunmehr muss noch das Verhältnis zwischen den § 212 und § 211 StGB bekannt sein, damit Sie letztendlich den Streit und die Problematik der Mordmerkmale im Zusammenhang mit Teilnehmern erfassen können. Es gibt zwei verschiedene Ansichten über das Verhältnis von § 212 zu § 211 StGB: Die Rechtsprechung betrachtet die beiden Tatbestände als selbständig und somit unabhängig voneinander. Die herrschende Literatur betrachtet § 211 StGB als Qualifikation zu § 212 StGB. Dieser Streit ist für das Verständnis dieser Thematik enorm wichtig. Warum soll später erklärt werden. Jetzt erst mal zu den Argumentationsmustern. Beide Ansichten können Sie in einer Klausur vertreten und es sprechen gute Argumente für beide Meinungen. Eine tabellarische Übersicht soll Ihnen dabei helfen, die Argumente der beiden Ansichten besser erfassen zu können.

Argumente der Rechtsprechung:

§§ 212 und § 211 StGB als voneinander unabhängige Tatbestände

Selbständigkeitstheorie

Argumente der Lehre

§ 211 StGB als Qualifikationstatbestand zu § 212 StGB

Qualifikationstheorie


1)Systematik

Die Rechtsprechung führt für ihre Ansicht, dass der Mord KEINE Qualifikation zu § 212 StGB sei, sondern ein eigener Tatbestand insbesondere ein  systematisches Argument an: Der Mord steht eine Norm vor dem Totschlag und für gewöhnlich folgen Qualifikationen im Gesetz den Grundtatbeständen nach. Das sieht man beispielsweise an § 223 StGB (Grundtatbestand) zu § 224 StGB (Qualifikation) oder § 249 StGB (Grundtatbestand) und § 250 StGB (Qualifikation). Also warum soll dann § 211 StGB eine Qualifikation zu § 212 StGB sein, wenn er doch im Gesetz zuerst genannt wird?

2)Wortlaut

Weiterhin zeige nach der Ansicht der Rechtsprechung auch der Wortlaut des § 212 StGB, dass es sich um eigenständige Tatbestände handelt, denn § 212 StGB sagt: “Wer einen Menschen tötet ohne Mörder zu sein…“  Die Begriffe Mörder und Totschläger seien voneinander zu unterscheiden und begleiten zwei unterschiedliche und voneinander unabhängige Tatbestände.


1)Systematik sei nicht zwingend

Anderer Ansicht ist die herrschende Lehre. Zunächst wird das systematische Argument der Rechtsprechung damit entkräftet, dass es nun einmal keine zwingende Reihenfolge gäbe, in der Grundtatbestand und Qualifikation innerhalb des Gesetzes aufgelistet werden müssten. Die Reihenfolge der Auflistung innerhalb des Gesetzes sei lediglich ein Indiz. Die systematische Stellung trage lediglich dem Charakter des Mordes als schwerstes Delikt im StGB Rechnung (lebenslange Freiheitsstrafe).

2)Historisches Argument Vergleich zum Schweizer StGB

Weiterhin betont die herrschende Lehre, dass das deutsche StGB nach dem Vorbild des Schweizer StGB entstanden sei und dort handle es sich bei Totschlag und Mord um Grundtatbestand und Qualifikation. Auch dieses Argument ließe sich anführen, aber es ist zu beachten, dass der Mord im Schweizer StGB systematisch auch vor dem Totschlag aufgeführt wird und nicht danach. Dies benutzt die Rechtsprechung wiederum als Argument, um ihre abweichende Ansicht zu untermauern.

3) Wortlaut

Weiterhin stellt die Lehre darauf ab, dass die Begriffe Mörder und Totschläger einer Differenzierung gänzlich unzugänglich sei, da diese aus der Zeit des NS-Regiments stammen und heutzutage gar nicht mehr gebräuchlich seien. Sie entstammen der Lehre vom Tätertypus, die heutzutage abgelehnt wird.

Zudem nehme § 212StGB ja auch gerade auf § 211StGB Bezug, wenn es heißt: „…ohne Mörder zu sein…“ was unterstreicht, dass § 212 StGB den Grundtatbestand von § 211 StGB bilde und ein innerer Zusammenhang zwischen den Delikten bestehe.

4) In einem Mord steckt auch immer ein Totschlag

Außerdem, so die Literatur, sei in jedem Mord auch ein Totschlag enthalten, was der Grundstruktur von Grundtatbeständen zu Qualifikationen genau entspreche.

Auswirkung des Streitstandes:

Wie man sieht, lassen sich beide Ansichten begründen. Welcher Ansicht Sie in der Klausur folgen, bleibt Ihnen überlassen. Überlegen Sie sich, welche Argumente Sie mehr überzeugen. Welcher Ansicht Sie folgen kann aber erhebliche Konsequenzen für ihre Prüfung haben.

1) Auswirkung im Prüfungsaufbau allgemein:

Beachten Sie vor allem, dass sie §§ 212, 211 StGB nur zusammen prüfen können, wenn sie die Normen mit den Literaturstimmen als Grundtatbestand und Qualifikation ansehen. Ansonsten prüfen Sie bitte getrennt.

2) Auswirkung bei gleichzeitigem Vorliegen von Mordmerkmalen und einem ernsthaften Tötungsverlangen des Opfers

Weiterhin müssen Sie darauf achten, dass sich eine unterschiedliche Konsequenz für Ihre Falllösung ergibt, sofern Mordmerkmale mit einem ernsthaften Tötungsverlangen des Opfers zusammentreffen. Dann entfaltet § 216 StGB Sperrwirkung auch für § 211 StGB, sofern man § 212 StGB als Grundtatbestand von § 211 StGB betrachtet. Man stelle sich beispielhaft vor, A tötet den B grausam auf dessen Verlangen (Kannibalenfall). Dann liegen gleichzeitig § 216 und § 211 StGB vor. In einem derartigen Fall bleibt nach Ansicht der Literatur kein Raum mehr für § 211 StGB, da insoweit dann der Anwendungsbereich der Qualifikation gesperrt wäre, weil zugleich eine Privilegierung einschlägig wäre.

3) Auswirkungen auf andere Personen im Sachverhalt wie Anstifter & Gehilfen

Die wichtigste Auswirkung des Streitstandes zeigt sich jedoch erst, wenn zusätzlich zu einem Haupttäter andere Personen im Sachverhalt auftauchen, die das Opfer nicht selber töten, sondern entweder nur Beihilfe dazu leisten (§ 27) oder den Täter dazu angestiftet haben (§ 26). Nun ist die Frage: Wie werden diese Personen, also Anstifter oder Gehilfen, behandelt, die in Zusammenhang mit einem Tötungsdelikt im Sachverhalt in Erscheinung treten? Es gibt diverse Konstellationen, die Ihnen in diesem Zusammenhang in der Klausur begegnen könnten. An dieser Stelle wird aber das gesamte oben kurz dargestellte Grundwissen relevant und nicht lediglich der Streitstand um das Verhältnis des § 212 und § 211 StGB zueinander. An dieser Stelle soll für Sie lediglich interessant sein, dass die Strafbarkeit eines Teilnehmers an einem Mord differenzieren kann, je nachdem, welcher Ansicht Sie folgen. Warum werden Sie weiter unten feststellen. An dieser Stelle behalten Sie das aber bitte schon einmal im Hinterkopf. Sie werden im Laufe des Aufsatzes feststellen, wovon die Rede ist.

 B) Die Behandlung der Mordmerkmale bei Teilnehmern

Das notwendige Grundwissen haben Sie nun wiederholt und wir können uns nunmehr der eigentlichen Problematik widmen, die bereits oben angedeutet wurde. Dabei wird versucht, Ihnen die Thematik anhand von Fallbeispielen zu erklären. Es ist vorab zu sagen, dass ihnen diverse Fallkonstellationen in der Klausur begegnen können, die jeweils eine unterschiedliche Herangehensweise erfordern. Im Folgenden wird versucht, möglichst viele verschiedene Konstellationen aufzuzeigen und den Lösungsweg darzustellen. Wir wollen versuchen uns vorsichtig heranzutasten, indem wir uns von den einfacheren zu den schwierigen Konstellationen vorarbeiten.

I) Erster Abschnitt: Die Strafbarkeit eines Teilnehmers, wenn der Haupttäter ein Mordmerkmal der 2. Gruppe verwirklicht

Zunächst wollen wir 2 verschiedene Fallvariationen durchdenken in welchen ein Haupttäter lediglich ein Mordmerkmal der 2. Gruppe und damit ein tatbezogenes Merkmal verwirklicht. Zu den täterbezogenen Merkmalen kommen wir später noch.

Variante 1

Sie könnten einen Fall vorliegen haben, in dem ein Haupttäter ein Mordmerkmal der 2. Gruppe verwirklicht und der Teilnehmer dieses Merkmal kannte. Wir nehmen mal an, die Teilnahme liegt in einer Beihilfe § 27 StGB:

Bsp: A leiht sich von B ein Messer, um den C damit langsam und qualvoll zu töten. Dass der A den C mit diesem Messer töten will, ist B bewusst. Auch ist ihm bewusst, das A den C langsam und qualvoll sterben lassen möchte, weil A ihm vorher davon im Detail berichtet hatte. Dennoch überlässt er dem A sein Messer, um ihm einen freundschaftlichen Dienst zu erweisen. A setzt seinen Plan in die Tat um. C verblutet langsam und qualvoll.

A verwirklicht ein Mordmerkmal der 2. Gruppe/B kennt das Merkmal

Variante 2

Sie könnten auch einen Fall vorliegen haben, in dem ein Haupttäter ein Mordmerkmal der 2. Gruppe verwirklicht und der Teilnehmer dieses Merkmal nicht kannte. Wir nehmen erneut an, dass die Teilnahme in einer Beihilfe liegt § 27 StGB:

Bsp: A lässt sich von B ein Messer kaufen, um seinen Mitbewohner C damit zu erstechen, sobald dieser eingeschlafen ist.  Das der A den C mit diesem Messer töten will, ist B bewusst. Ihm ist jedoch nicht bewusst, dass A dabei vorhat, den C zu erstechen, während dieser schläft. Er denkt vielmehr, dass der A seinen Mitbewohner in einer offenen Konfrontation töten wird, weil A ihm von seinem genauen Plan vorher nichts erzählt hat. A setzt seinen Plan in die Tat um und ersticht den C im Schlaf. C ist sofort tot.

A verwirklicht ein Mordmerkmal der 2. Gruppe/B kennt das Merkmal nicht

Beide Varianten sind relativ leicht zu lösen. Das liegt daran, dass der Haupttäter ( hier also der A) „nur“ ein Mordmerkmal der 2. Gruppe verwirklicht und es sich, wie oben erklärt, bei Mordmerkmalen der 2. Gruppe um tatbezogene Merkmale handelt und nicht um täterbezogene. Prüfungsstandort wäre für diese Merkmale der objektive Tatbestand. Verwirklicht der Haupttäter ein Mordmerkmal der 2. Gruppe, so ergeben sich für den Teilnehmer, also Anstifter oder Gehilfen, gar keine Besonderheiten. Wir bleiben im üblichen Prüfungsschema, das zur Erinnerung wie folgt lautet:

Prüfungsschema Anstiftung:

Prüfungsschema  Beihilfe:

 

A)Prüfung der Strafbarkeit des

Haupttäters

B) Strafbarkeit des Teilnehmers

I) Tatbestand
1)Tatbestand objektiv:
a)Vorsätzliche Rechtswidrige Haupttat
b)Bestimmen zur Haupttat
2)Tatbestand subjektiv:
a)Vorsatz bezüglich der Vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
b)Vorsatz Bezüglich des Bestimmens zur Haupttat
II)Rechtswidrigkeit
III)Schuld
IV)Strafe

A)Prüfung der Strafbarkeit des

Haupttäters

B) Strafbarkeit des Teilnehmers

I) Tatbestand
1)Tatbestand objektiv:
a)Vorsätzliche Rechtswidrige Haupttat
b)Hilfe leisten zur Haupttat
2)Tatbestand subjektiv:
a)Vorsatz bezüglich der Vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
b)Vorsatz Bezüglich des Hilfeleistens
II)Rechtswidrigkeit
III)Schuld
IV)Strafe

 

Da diesem Schema zufolge zu prüfen ist, ob der Teilnehmer Vorsatz bezüglich der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat (hier des A) hatte, müssen Sie sich an dieser Stelle fragen, ob er von dem Mordmerkmal der 2. Gruppe, das der Haupttäter verwirklicht hat, Kenntnis hatte oder nicht. Wer etwas nicht weiß, kann darauf selbstverständlich auch keinen Vorsatz haben! Das ist ja klar. Hat der Teilnehmer von dem Mordmerkmal Kenntnis, ist er selbstredend wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Mord zu bestrafen. Hatte er keine Kenntnis von dem Mordmerkmal, so ist er nur in Hinblick auf das Delikt zu bestrafen, das von seinem Vorsatz umfasst war. Weiß der Teilnehmer nichts von den Mordmotiven, die den Haupttäter leiten, aber zumindest davon, dass er vorhatte, eine andere Person zu töten , ist er aber zumindest wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Totschlag zu bestrafen, da die Tötung an sich dann zumindest von dem Vorsatz des Teilnehmers erfasst war. Weist der Teilnehmer im Gegensatz zum Haupttäter ein anderes Mordmerkmal der 2. Gruppe auf, ist zudem an eine versuchte Anstiftung (§ 30 I StGB, eine versuchte Beihilfe ist nicht strafbar) zum Mord zu prüfen. Mordmerkmale der 2. Gruppe müssen immer objektiv beim Haupttäter vorliegen, damit ein Teilnehmer wegen Teilnahme am Mord strafbar ist. Insoweit kann also ein Teilnehmer, der den Haupttäter anstiftet eine dritte Person heimtückisch zu töten, wegen Anstiftung zum Totschlag in Tateinheit mit versuchter Anstifung zum Mord bestraft werden, wenn der Haupttäter das Opfer letztlich in einer offenen Konfrontation tötet.

 

Die Lösung für die Beispielsfälle ergibt sich daher wie folgt:

 

Variante 1 

Variante 2

 

A) A ist strafbar nach §§ 212,211 (Mordmerkmal Gruppe 2-grausam)

 

B)Strafbarkeit des B

I)Tatbestand
1)Tatbestand objektiv:
a)Vorsätzliche Rechtswidrige Haupttat
Liegt vor A hat einen Mord begangen § 212,211.
b) Hilfe leisten zur Haupttat
Ist gegeben in diesem Fall leistete B durch das Leihen des Messers Beihilfe
2)Tatbestand subjektiv:
a)Vorsatz bezüglich der Vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat (Mord)
Ist gegeben, da B wusste, dass A den C töten will (also hatte er Kenntnis von § 212). Auch wusste er, dass er dabei grausam vorgehen will (also hatte er auch Kenntnis vom Mordmerkmal, das A verwirklichte)
2.Vorsatz bezüglich des Hilfeleistens
Ist auch gegeben, B wollte den A bei der Tötung unterstützen.
II)Rechtswidrigkeit (+)
III)Schuld (+)
IV)Strafe

B ist also strafbar nach §§ 212,211,27 StGB wegen Beihilfe zum Mord

A) Strafbarkeit des A nach § 212 (Mordmerkmal der Gruppe 2: Heimtücke)

 

B) Strafbarkeit des B 

I)Tatbestand
1)Tatbestand objektiv:
a)Vorsätzliche Rechtswidrige Haupttat
Liegt vor A hat einen Mord begangen § 212,211.
b) Hilfe leisten zur Haupttat
Ist gegeben in diesem Fall leistete B durch den Kauf des Messers Beihilfe
2)Tatbestand subjektiv:
a)Vorsatz bezüglich der Vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat (Mord)
Ist gegeben in Bezug auf die Tötung, also § 212, aber nicht in Bezug auf das Mordmerkmal „heimtückisch“. Davon, dass A den C im Schlaf töten wollte wusste B nichts. Daher hat B keinen Vorsatz auf § 211.
b).Vorsatz Bezüglich des Hilfeleistens
Ist auch gegeben, B wollte den A bei der Tötung unterstützen.
II)Rechtswidrigkeit (+)
III)Schuld (+)
IV)Strafe

B ist also strafbar nach §§ 212, 27 StGB wegen Beihilfe zum Totschlag


So weit ist das Ganze noch relativ leicht nachzuvollziehen. Um das Prinzip noch einmal zu veranschaulichen, spielen wir das Ganze noch mal in zwei Alternativen durch, in denen der Teilnehmer Anstifter und nicht Gehilfe ist:

Variante 1

Sie könnten einen Fall vorliegen haben, in welchem ein Haupttäter ein Mordmerkmal der 2. Gruppe verwirklicht und der Teilnehmer dieses Merkmal kannte. Die Teilnehme erfolgt in diesem Beispielsfall durch Anstiftung gemäß§ 26 StGB

Bsp: B will den C los werden. Aus diesem Grund überredet er den A den C zu töten. Er schlägt dem A vor den C doch aus dem Hinterhalt zu erschießen. A, der den C eh nicht leiden kann, setzt den Plan des B in die Tat um.

A verwirklicht ein Mordmerkmal der 2. Gruppe/B kennt das Merkmal

 

Variante 2

Sie könnten einen Fall vorliegen haben, in welchem ein Haupttäter ein Mordmerkmal der 2. Gruppe verwirklicht und der Teilnehmer dieses Merkmal nicht kannte. Die Teilnehme erfolgt auch in diesem Beispielsfall durch Anstiftung gemäß§ 26 StGB

Bsp: B will die C los werden. Aus diesem Grund überredet er den A, der ihm noch einen Gefallen schuldig ist, die C zu töten. B geht davon aus, das A die C auf offener Straße von vorne erschießen wird. Tatsächlich tötet A die C jedoch heimtückisch im Schlaf.

A verwirklicht ein Mordmerkmal der 2. Gruppe/B kennt das Merkmal nicht

 

Die Lösung für die Beispielsfälle ergibt sich ebenso wie oben wie folgt:

 

Variante 1 

Variante 2

A) A ist strafbar nach §§ 212,211 (Mordmerkmal Gruppe 2 Heimtücke)

B) Strafbarkeit des B

I)Tatbestand
1)Tatbestand objektiv:
a)Vorsätzliche Rechtswidrige Haupttat
Liegt vor A hat einen Mord begangen § 212,2112.
b)Bestimmen zur Haupttat (§ 26)
Ist gegeben- in diesem Fall rief B den Tatentschluss in A hervorb)Tatbestand subjektiv:
2. Tatbestand subjektiv
a)Vorsatz bezüglich der Vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
Ist gegeben, da B wollte das A den C tötet (also hatte er Vorsatz in Bezug auf § 212). Auch wusste und wollte B, dass A dabei in heimtückischer Weise vorgeht (also hatte er auch Kenntnis vom Mordmerkmal).
b)Vorsatz bezüglich des Bestimmens (§26)
Ist auch gegeben, B wollte den Tatentschluss in A hervorrufen
II)Rechtswidrigkeit (+)
III)Schuld (+)
IV)Strafe

B ist strafbar nach §§ 212,211,26

Anstiftung zum Mord

 

A) A ist strafbar nach §§ 212,211 (Mordmerkmal Gruppe 2 Heimtücke)

B)Strafbarkeit des B 

I)Tatbestand
1)Tatbestand objektiv:
a)Vorsätzliche Rechtswidrige Haupttat
Liegt vor A hat einen Mord begangen § 212,2112.
b)Bestimmen zur Haupttat (§ 26)
Ist gegeben in diesem Fall rief B den Tatentschluss in A hervor
2)Tatbestand subjektiv:
a) Vorsatz bezüglich der Vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
Ist gegeben in Bezug auf die Tötung (also § 212) aber nicht in Bezug auf das Mordmerkmal Heimtücke. Daher hat B keinen Vorsatz auf § 211. Er ging nicht davon aus, dass der A den C heimtückisch umbringen wollte.
b) Vorsatz bezüglich des Bestimmens (§26)
Ist auch gegeben, B wollte den Tatentschluss in A hervorrufen.
II)Rechtswidrigkeit (+)
III)Schuld (+)
IV)Strafe

B ist strafbar nach §§ 212,26

Anstiftung  zum Totschlag

 

 

Wir halten also fest, dass sofern der Haupttäter ein Mordmerkmal der 2. Gruppe verwirklicht, bei dem Teilnehmer unabhängig davon, ob sie einen Anstifter oder einen Gehilfen prüfen, nach den allgemeinen Regeln nur danach gefragt werden muss, ob dieser das verwirklichte Mordmerkmal des Haupttäters  kannte und das Merkmal somit von seinem Vorsatz umfasst war. Ist dies der Fall, macht er sich strafbar wegen Anstiftung/Beihilfe zum Mord §§ 212, 211, 26 StGB oder §§ 212, 211, 27 StGB. Ist dies nicht der Fall, wird er nur wegen Anstiftung/Beihilfe zum Totschlag §§ 212, 26 oder §§ 212, 27 bestraft. Bitte verstehen Sie, dass das daran liegt, dass die Mordmerkmale der 2. Gruppe innerhalb des objektiven Tatbestandes zu prüfen sind. Es handelt sich weder um spezielle Schuldmerkmale, noch um besondere persönliche Merkmale. Die Problematik, um die es weiter unten gehen wird, spielt hier überhaupt keine Rolle.

Hinweis:

Achtung! Ist der Fall umgekehrt gelagert als in den obigen Beispielsfällen und der Teilnehmer weist ein Mordmerkmal der 2. Gruppe auf, der Haupttäter jedoch nicht, so fehlt es für die Teilnahme an einem Mord an einer teilnahmefähigen vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat des Täters. Bestraft wird der Anstifter, der im Gegensatz zum Haupttäter ein Mordmerkmal der 2. Gruppe aufweist aber in jedem Fall wegen Anstiftung zum Totschlag, sofern dieser von seinem Vorsatz umfasst war. In Betracht kommt dann jedoch unter Umständen auch noch eine versuchte Anstiftung zum Mord nach §§ 211, 30 I StGB (Verbrechen), die hierzu in Tateinheit stünde § 52 StGB.

Bsp: A entschließt sich den lästigen C zu beseitigen und will sich die Hände aber selbst nicht schmutzig machen. Daher bittet er seinen Bruder B, der ihm noch einen gefallen schuldig ist, den C zu töten. Er bittet B, den C aus einem Hinterhalt heraus zu erschießen. Tatsächlich tötet der B den C aber in einer offenen Konfrontation.

A weist ein Mordmerkmal der 2. Gruppe auf/Nicht jedoch der B

 

Lösung: Der B begeht hier nur einen Totschlag nach § 212 StGB, da er kein Mordmerkmal aufweist. Für eine Strafbarkeit des A wegen Anstiftung zum Mord bleibt mangels vorsätzlicher rechtswidriger Haupttat kein Raum. Er ist aber zu bestrafen wegen Anstiftung zum Totschlag §§ 212, 26 StGB. Da der Mord ein Verbrechen ist und damit der Versuch der Anstiftung in § 30 I StGB unter Strafe gestellt ist, ist er aber zusätzlich wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu bestrafen. Das Ganze steht in Tateinheit zueinander § 52 StGB.

 

Aufpassen: Haben Sie einen Gehilfen, der im Gegensatz zum Haupttäter ein Mordmerkmal der Gruppe 2 verwirklicht und nicht einen Anstifter, so kommt ebenfalls wegen Fehlens des vorsätzlichen rechtswidrigen Mordes nur eine Bestrafung wegen Beihilfe zum Totschlag in Betracht. Es tritt aber nicht etwa noch eine in Tateinheit stehende versuchte Beihilfe hinzu, denn die versuchte Beihilfe ist im StGB nicht unter Strafe gestellt – eine Vorschrift entsprechend § 30 I StGB existiert insofern nicht!

 

Zweiter Abschnitt: Strafbarkeit des Teilnehmers, wenn der Haupttäter ein Mordmerkmal der 1. oder 3. Gruppe verwirklicht

In diesem Abschnitt wird es nun etwas komplizierter als oben. Wir fragen uns nun, welche Strafbarkeit sich für einen Teilnehmer ergibt, wenn der Haupttäter ein Mordmerkmal der 1. oder 3. Gruppe verwirklicht und nicht ein solches der 2. Gruppe, wie in den vorherigen Fällen. Dass der Lösungsweg hier etwas schwerer nachzuvollziehen ist, liegt an den oben dargestellten Problemen, insbesondere an dem dargestellten Streit um die Einordnung der Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe als besondere persönliche Merkmale oder spezielle Schuldmerkmale und dem Streit um das Verhältnis von § 212 zu § 211. Sollten Sie die obigen Ausführungen verstanden haben, wird es ihnen jedoch leicht möglich sein zu folgen. Wir werden erneut anhand von Beispielsfällen arbeiten. Wir gehen ähnlich vor wie oben, nur dass in den folgenden Fällen nun keine Mordmerkmale der 2. Gruppe in die Beispielsfälle eingebaut wurden, sondern solche der 1. Oder 3. Gruppe.

 

Variante 1

Sie könnten einen Fall vorliegen haben, in welchem ein Haupttäter ein Mordmerkmal der 1. oder 3. Gruppe verwirklicht und der Teilnehmer dieses Merkmal zwar kannte, es aber selbst nicht aufweist bzw. auch kein anderes. Wir nehmen an, die Teilnahme liegt in einer Beihilfe § 27 StGB:

Bsp: A leiht sich von B eine Kamera, damit er auf Video festhalten kann, wie er den C direkt frontal in die Brust schießt und damit tötet. B wusste, dass B die Tötung deswegen auf Band festhalten wollte, um sich später durch den Anblick des Filmes sexuell zu befriedigen. Die Vorlieben des A teilt B zwar nicht, aber seine Ausrüstung stellte er dem A dennoch in dem Wissen zur Verfügung, wozu er sie letztlich benutzen möchte.

A verwirklicht ein Mordmerkmal der 1. Gruppe/B weiß davon, weist es aber selbst nicht auf.

 

Variante 2

Sie könnten einen Fall vorliegen haben, in welchem ein Haupttäter ein Mordmerkmal der 2. Gruppe verwirklicht und der Teilnehmer dieses Merkmal nicht nur kannte, sondern es auch selbst aufweist. Wir nehmen an, die Teilnahme liegt in einer Beihilfe § 27 StGB:

Bsp: A leiht sich von B eine Kamera, um damit auf Video festhalten zu können, wie er den C direkt frontal in die Brust schießt und damit tötet. B wusste, dass B die Tötung deswegen auf Band festhalten wollte, um sich später durch den Anblick des Filmes sexuell zu befriedigen. Die Vorlieben des A teilt B und aus diesem Grunde und in der Hoffnung, das Video danach auch zu sehen zu bekommen, stellte er A seine Ausrüstung zur Verfügung.

A verwirklicht ein Mordmerkmal der 1. Gruppe/B weiß davon und weist es auch selbst auf

 

Beachten Sie: In den Fällen zuvor ging es ausschließlich um die Kenntnis des Teilnehmers von dem Mordmerkmal, das der Haupttäter verwirklichte. Die Kenntnis des Merkmals ist sicherlich auch hier erforderlich, um zu einer Strafbarkeit des Teilnehmers wegen Mordes zu kommen. Wie oben dargestellt benötigt ein Gehilfe immer zumindest Vorsatz in Bezug auf die vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat. Erneut gilt: Kennt der Teilnehmer ein Mordmerkmal nicht, so kann es auch nicht von seinem Vorsatz umfasst sein. Aber zusätzlich kann nun noch relevant werden, ob der Teilnehmer das Mordmerkmal der 1. bzw. 3. Gruppe selbst aufweist. Warum ergibt sich aus folgendem:

Noch einmal zur Erinnerung: Die herrschende Meinung betrachtet die 1.und 3. Gruppe der Mordmerkmale als besondere persönliche Merkmale, eine andere Ansicht als spezielle Schuldmerkmale (s.o.) in Bezug auf die Fälle, in denen ein Haupttäter ein Mordmerkmal der 2. Gruppe verwirklichte, war das insofern irrelevant, als um die Einordnung dieser Merkmale (2. Gruppe) kein Meinungsstreit existiert. Sie sind weder besondere persönliche Merkmale, noch spezielle Schuldmerkmale und die Kenntnis des Teilnehmers von diesem Merkmal genügt allein für sich, um eine Strafbarkeit zu begründen. Liegen aber Mordmerkmale der 1. oder 3. Gruppe bei dem Haupttäter vor, so reicht Kenntnis eventuell nicht mehr, weil zusätzlich Vorschriften Anwendung finden könnten – nämlich § 28 oder § 29 StGB. Welche der beiden Normen anzuwenden ist, hängt von folgendem ab:

  • Betrachtet man die Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe als besondere persönliche Merkmale, wie es ja die herrschende Meinung tut, so findet § 28 Anwendung auf den Teilnehmer (ob § 28 I oder § 28 II soll an dieser Stelle noch dahin stehen). Auf jeden Fall findet § 28 Anwendung, da diese Norm erklärt, wie jemand zu bestrafen ist, der ein besonderes persönliches Merkmal im Gegensatz zum Haupttäter nicht aufweist.
  • Betrachtet man nun aber die Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe als spezielle Schuldmerkmale, so käme man zu einer Anwendung von § 29, da diese Norm aussagt, wie ein Teilnehmer zu bestrafen ist, der im Gegensatz zum Haupttäter ein spezielles Schuldmerkmal nicht aufweist. Nach § 29 ist jeder Beteiligte nur nach seiner eigenen Schuld zu bestrafen, unabhängig von der Schuld des Haupttäters (Grundsatz der Schuldunabhängigkeit). Im Rahmen der Schuld findet keine Zurechnung zwischen den Beteiligten statt.

Folgen wir also mit den überwiegenden Stimmen der Ansicht, dass die Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe keine speziellen Schuldmerkmale, sondern besondere persönliche Merkmale sind, so gelangen wir zu § 28. Diese Norm enthält aber wiederum 2 Absätze. Nun fällt auf, dass § 28 I etwas zu strafbegründenden besonderen persönlichen Merkmalen sagt, § 28 II hingegen zu strafmodifizierenden persönlichen Merkmalen. Und an dieser Stelle erinnern Sie sich bitte noch einmal an den anderen oben angesprochenen Streit um das Verhältnis von § 212 zu § 211. Folgt man nun der Ansicht der Rechtsprechung, so stellen die Mordmerkmale der 1.und 3. Gruppe besondere persönliche Merkmale dar, die die Strafbarkeit des Täters begründen – da ja nach Ansicht der Rechtsprechung § 212 und § 211 voneinander unabhängige Tatbestände sind. Folgt man der Ansicht der Literatur, so handelt es sich auch um besondere persönliche Merkmale, aber um solche, die die Strafe des Täters schärfen, da ja § 211 nach dieser Ansicht als strafschärfende Qualifikation zu § 212 betrachtet wird. Damit befinden wir uns nach Ansicht der Rechtsprechung im Anwendungsbereich von § 28 I für den Anstifter oder Gehilfen. Nach Ansicht der Literatur befinden wir uns dann im Anwendungsbereich von § 28 II. Sie kommen also in Bezug auf Teilnehmer zu verschiedenen Normen je nachdem, welcher Ansicht Sie folgen:

Mordmerkmale der Gruppe1+3 = Spezielle Schuldmerkmale

 –> §29

Mordmerkmale der Gruppe1+3 = besondere Persönliche Merkmale (§ 211 und § 212 eigene Tatbestände)

–> § 28I

Mordmerkmale der Gruppe1+3 = besondere Persönliche Merkmale (§211 als Qualifikation zu § 212)

–> § 28 II

Dementsprechend variieren nun auch die Rechtsfolgen, sofern Mordmerkmale der 1. oder 3. Gruppe zwar beim Haupttäter vorliegen, aber nicht beim Teilnehmer:

Wenn Sie § 29 anwenden

Wenn Sie § 28 I anwenden

Wenn Sie § 28 II anwenden 

 Mordmerkmale der 1. bzw. 3. Gruppe stellen nach dieser Ansicht spezielle Schuldmerkmale dar.

 

Es ist dann danach zu schauen, ob der Teilnehmer selbst ein besonderes Schuldmerkmal aufweist und zwar unabhängig davon, ob er das Merkmal des Haupttäters kennt oder nicht. Weist der Teilnehmer ein spezielles Schuldmerkmal, also das Mordmerkmal der 1./3. Gruppe, nicht selbst auf und auch kein anderes, der 1. oder 3. Gruppe als der Haupttäter, dann ist er auch nur nach seiner Schuld zu bestrafen. Sofern die Tötung an sich vom Vorsatz des Teilnehmers umfasst war, ergibt sich dann eine Strafbarkeit wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Totschlag.

Mordmerkmale der 1. bzw. 3. Gruppe stellen nach dieser Ansicht besondere persönliche Merkmale dar und zwar strafbegründende.

 

Es ist dann nur danach zu fragen, ob der Teilnehmer das Mordmerkmal der 1. oder 3. Gruppe, das der Haupttäter verwirklicht hat, kannte oder nicht. Kennt er es, so wird er wie der Haupttäter bestraft und zwar wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Mord und lediglich seine Strafe wird nach § 49 I gemildert (Achtung! Auch beim Gehilfen nur einmalige Milderung über § 28 I StGB und nicht noch etwa ein zweites mal über § 27 II StGB). Das Ganze ist unabhängig davon, ob der Teilnehmer selbst ein Mordmerkmal der 1. oder 3. Gruppe aufweist (zu einer eventuellen Ergebniskorrektur kommen wir später. Diese erfolgt auch nur in einem Fall.) Nach dieser Ansicht reicht es also ebenso wie bei den Merkmalen der 2. Gruppe aus, dass der Teilnehmer zumindest Kenntnis von dem Merkmal bei dem Haupttäter hatte.

Es kommt dann nur zu einer Strafrahmenverschiebung nicht einer Tatbestandsverschiebung- nur die Strafe mildert sich.

Mordmerkmale der 1. bzw. 3. Gruppe stellen nach dieser Ansicht besondere persönliche Merkmale dar und zwar strafschärfende.

 

Es ist dann also nur danach zu fragen, ob der Teilnehmer selbst ein Merkmal der 1. oder 3. Gruppe aufweist oder nicht. Weist der Teilnehmer ein besondere persönliche Merkmal, also ein Mordmerkmal der 1./3. Gruppe nicht selbst auf, der Haupttäter aber schon, so kann auch nicht aus diesem Delikt bestraft werden, dass ein solches besonderes Merkmal voraussetzt. Daher ist der Teilnehmer strafbar wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Totschlag. Weist er selbst eines auf, dann macht er sich wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Mord strafbar.

Es kommt also zu einer Tatbestandsverschiebung und nicht nur einer Strafrahmenverschiebung. Aus Teilnahme am Mord wird Teilnahme am Totschlag oder andersherum

 

Wenn wir nun die unterschiedlichen Lösungsvorschläge auf unsere Fallbeispiele anwenden würden, ergäben sich folgende Lösungen:

Variante 1

Variante 2 

 

A) A ist strafbar nach §§ 212, 211 NACH ALLEN ANSICHTEN

(Mordmerkmal Gruppe 1 zur Befriedigung des Geschlechtstriebes)

B) Strafbarkeit des B

I) Tatbestand
1) Tatbestand objektiv: 
a) Vorsätzliche Rechtswidrige Haupttat
Liegt vor A hat einen Mord begangen § 212, 211 StGB Mordmerkmal Gruppe 1
b) Hilfe leisten zur Haupttat (§ 27 StGB)
Ist gegeben: In diesem Fall leiht B dem A die Kameraausrüstung
2) Tatbestand subjektiv:
a) Vorsatz bezüglich der Vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
Ist gegeben, da B wollte, dass A den C tötet also hatte er Vorsatz in Bezug auf § 212 StGB. Auch wusste B davon, dass A den C töten wollte, um sich beim Anblick des Filmes sexuell zu befriedigen. Er hat also auch das Mordmerkmal des A in seinen Vorsatz aufgenommen.
b) Vorsatz Bezüglich des Hilfeleistens § 27
Ist auch gegeben
II) Rechtswidrigkeit (+)
III) Schuld (+)
IV) Strafe:

NUN IST WEITERHIN ABER ZU UNTERSUCHEN, OB ZUSÄTZLICH EINE  NORM ANWENDUNG FINDET, DIE DAS ERGEBNIS VERÄNDERT

Ansicht 1 (M.M.) Anwendung von § 29: Beihilfe zum Totschlag §§ 212, 27 StGB

B ist nur nach seiner Schuld zu bestrafen, da er das spezielle Schuldmerkmal „zur Befriedigung des Geschlechtstriebes“ nicht selbst aufweist, ist er also wegen Beihilfe zum Totschlag zu bestrafen. 

Ansicht 2 (Rspr) Anwendung von § 28 I: Beihilfe zum Mord gemildert nach § 49 I

§§ 211, 27, 49 I StGB

B ist zu bestrafen wie der A, nur erfolgt eine Strafmilderung nach § 49 I StGB, denn er hat ja zumindest Kenntnis von den Motiven des A. Was ausreichen soll und zwar unabhängig davon, ob er das Mordmerkmal selbst aufweist. Daher ist er strafbar wegen Beihilfe zum Mord gemildert nach § 49 I. Zu beachten ist, dass lediglich einmal nach § 49 I zu mildern ist und nicht etwa noch ein 2. mal nach § 27 II.

Ansicht 3 (H.L) Anwendung von § 28 II: Beihilfe zum Totschlag §§ 212, 27 StGB

B ist nur wegen Beihilfe zum Totschlag zu bestrafen, da er das besondere persönliche Merkmal des A „Zur Befriedigung des Geschlechtstriebes“ nicht selbst aufweist und auch kein anderes Merkmal der 1. oder 3. Gruppe. Über die Kenntnis des Merkmals ist zusätzlich zu fordern, dass der Teilnehmer ein Merkmal der 1. oder 3. Gruppe selbst aufweist.

A)A ist strafbar nach §§ 212, 211 NACH ALLEN ANSICHTEN

(Mordmerkmal Gruppe 1 zur Befriedigung des Geschlechtstriebes) 

B) Strafbarkeit des B

I) Tatbestand
1) Tatbestand objektiv:
a) Vorsätzliche Rechtswidrige Haupttat
Liegt vor A hat einen Mord begangen § 212, 211 StGBMordmerkmal Gruppe 1
b) Hilfe leisten zur Haupttat (§ 27 StGB)
Ist gegeben: In diesem Fall leiht B dem A die Kameraausrüstung
2) Tatbestand subjektiv:
a) Vorsatz bezüglich der Vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
Ist gegeben, da B wollte, dass A den C tötet.  Also hatte er Vorsatz in Bezug auf § 212 StGB. Auch wusste B davon, dass A den C töten wollte, um sich beim Anblick des Filmes sexuell zu befriedigen. Er hat also auch das Mordmerkmal des A in seinen Vorsatz aufgenommen.
b) Vorsatz Bezüglich des Hilfeleistens § 27
Ist auch gegeben
II) Rechtswidrigkeit (+)
III) Schuld (+)
IV) Strafe:

NUN IST WEITERHIN ABER ZU UNTERSUCHEN, OB ZUSÄTZLICH EINE  NORM ANWENDUNG FINDET, DIE DAS ERGEBNIS VERÄNDERT

Ansicht 1 (M.M.) Anwendung von § 29: Beihilfe zum Mord  §§ 212, 211, 27 StGB

B ist nach seiner Schuld zu bestrafen, da er aber das spezielle Schuldmerkmal „zur Befriedigung des Geschlechtstriebes“ selbst aufweist, ist er wegen Beihilfe zum Mord zu bestrafen.

Ansicht 2 (Rspr.) Anwendung von § 28 I: Beihilfe zum Mord §§ 211, 27

B ist zu bestrafen wie der A. Da ihm das besondere persönliche Merkmal „Zur Befriedigung des Geschlechtstriebes“, das bei A vorliegt, aber gar nicht fehlt, erfolgt keine Strafmilderung nach § 49 I StGB. B ist strafbar wegen Beihilfe zum Mord ohne Strafmilderung.

Ansicht 3 (H.L.) Anwendung von § 28 II: Beihilfe zum Mord §§ 212, 211, 27

B ist wegen Beihilfe zum Mord strafbar, da bei ihm selbst das besondere persönliche Merkmal „Zur Befriedigung des Geschlechtstriebes“ vorliegt.

Hinweis:

Die Darstellung soll der Übersichtlichkeit dienen und ist insofern unsauber, als dass Sie, wenn Sie § 28 I letztendlich anwenden wollen, die Problematik um die Anwendung von § 29, § 28 I oder § 28 II wie hier gezeigt tatsächlich im Strafrahmen diskutieren können, da § 28 I zu einer Strafrahmenverschiebung führt. Wenden Sie § 29 an, so gehört der Streitstand in die Schuld und wenden sie § 28 II an, so hat dies nach vorherrschender Meinung eine Straftatbestandsverschiebung zur Folge, sodass Sie den Streitstand schon im Tatbestand abhandeln sollten.

Wenn sie bis hierher folgen konnten, dann haben Sie schon halb gewonnen. Denn im Prinzip müssen Sie nun nichts anderes tun als den Gesetzestext anzuwenden, der ihrer Meinung nach einschlägig ist. Natürlich müssen Sie die Anwendung von § 29, 28 I oder § 28 II sauber begründen.

Einige Argumente sollen Ihnen hier an die Hand gegeben werden:

Die Anwendung von § 29 können Sie klausurtaktisch mit folgendem Argument verneinen (sonst verbauen sie sich den Meinungsstreit um die Anwendung des § 28 I oder § 28 II):

–          Gegen die Ansicht die Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe seien spezielle Schuldmerkmale spricht insbesondere, dass diese Mordmerkmale nicht nur erhöhte Schuld, sondern im Kontrast zum reinen Totschlag schon ein erhöhtes tatbestandsmäßiges Unrecht begründen. Daher macht es eher Sinn, diese Merkmale auch schon dem Tatbestand zuzuordnen, (nämlich dem subjektiven Tatbestand). Der erhöhte Unrechtsgehalt spiegelt sich bereits in der Differenz des Strafrahmens deutlich wieder. Dies passt schon aus dem Grund besser, da es sich um innere Einstellungen des Täters, also seine inneren Antriebe handelt, aus denen heraus er eine andere Person tötet. Es gibt eigentlich keinen Anlass dazu, diese Merkmale erst im Rahmen der Schuld zu verorten.

–          Ob Sie dann § 28 I StGB oder § 28 II StGB anwenden, hängt dann davon ab, ob Sie der obigen Argumentation zufolge das besondere persönliche Merkmal als strafbegründend (§§ 211 und § 212 StGB = Selbständige Tatbestände) oder als strafmodifizierend betrachten (§§ 212 und 211 als Grundtatbestand und Qualifikation). Beachten Sie, dass Sie sofern Sie sich mit der Rechtsprechung für die Anwendung von § 28 I entscheiden.

–          Folgen Sie der Ansicht der Rechtsprechung und wenden § 28 I StGB an, dann würden Sie eigentlich bei einem Gehilfen nach § 27 StGB, der zwar vom Mordmerkmal der 1. oder 3. Gruppe, das der Haupttäter verwirklicht Kenntnis hat, aber selbst kein besonderes persönliches Merkmal aufweist, eigentlich zu einer doppelten Strafmilderung gelangen. Zunächst würde dies über § 27 II StGB und dann noch einmal über §§ 28 I i.V.m. 49 I StGB geschehen, was dazu führt, dass ein Teilnehmer, der Beihilfe zu einem Mord leistet und ein Mordmerkmal der 1./3. Gruppe im Gegensatz zum Haupttäter nicht aufweist, dies aber kennt, nur eine Mindesfreiheitsstrafe von 6 Monaten erhalten würde (Vgl. § 49 I Nr. 1 von Lebenslang auf nicht unter 3 Jahren und § 49 I Nr. 3 StGB von nicht unter 3 Jahren auf 6 Monate). Im Übrigen müssen Sie dann auch die Fälle kennen, in welchen selbst die Rechtsprechung ihr Ergebnis korrigiert, um zu angemessenen Ergebnissen zu gelangen. Das tut sie insbesondere dann, wenn dem Teilnehmer zwar genau das Mordmerkmal der 1. oder 3. Gruppe fehlt, welches beim Haupttäter vorliegt, er aber selbst ein anderes Merkmal der 1. oder 3. Gruppe aufweist und zusätzlich von dem Merkmal des Haupttäters Kenntnis hat. Dann müsste eigentlich bei konsequenter Anwendung des § 28 I StGB die Strafe des Teilnehmers gemildert werden. Der BGH nimmt in solchen Fällen eine Ergebniskorrektur vor und versagt die Strafmilderung nach § 49 I StGB.

–          Zu verwirrenden Ergebnissen kommt die Rechtsprechung mit der Anwendung von § 28 I StGB auch dann, wenn der Teilnehmer ein Mordmerkmal der 1. oder 3. Gruppe verwirklicht und der Haupttäter keines. Dann könnte der Teilnehmer nach Ansicht der Rechtsprechung über § 28 I StGB nur wegen Teilnahme am Totschlag bestraft werden. In Tateinheit würde eine versuchter Anstiftung zum Mord dazu stehen, sofern die Teilnahmehandlung in einer Anstiftung liegt, weil der Teilnehmer ja dann ein Merkmal der 1. oder 3. Gruppe selbst aufweist und davon ausging, dass der Täter dies verwirklichen würde.

–          Weiterhin muss die Rechtsprechung eine umfangreiche Begründung dafür abliefern, warum bei einem Gehilfen, der eine Behandlung nach § 28 I erfährt, keine doppelte Strafmilderung erfolgen kann. Eigentlich wäre dies einmal der Fall, weil nach § 28 II eine Strafmilderung stattfinden soll und noch ein zweites mal, weil ein Gehilfe handelt, § 27 II StGB. Das würde aber wie oben gesehen dazu führen, dass eine Beihilfe zum Mord milder bestraft werden könnte als die Beihilfe zum Totschlag, weil dort § 49 I nur einmal anzuwenden wäre, nämlich gem. § 27 II 2 StGB. Die Rechtsprechung begründet ihr Ergebnis (Milderung nur 1 mal über § 49 I) damit, dass dem Mindeststrafmaß der Beihilfe zum Totschlag (bzw. der versuchten Anstiftung zum Totschlag) eine Sperrwirkung dahingehend zu entnehmen sei, dass sie die unterste Grenze des Strafmaßes für die Beihilfe zum Mord (bzw. die  versuchte Anstiftung zum Totschlag) enthalte. Dies angeblich, weil der Unrechtsgehalt des Totschlags im Mord enthalten sei, weil die vorsätzliche Tötung, also § 212 StGB, notwendiges Merkmal auch des § 211 StGB ist. Damit greift die Rechtsprechung an dieser Stelle im Prinzip ein Argument der Lehre auf, das diese anführt, um zu belegen, dass § 211 StGB eine Qualifikation des § 212 StGB darstelle.

 

Abschnitt 3 verschiedene Mordmerkmale bei Täter und Teilnehmer 

Es wird nun wirklich richtig kompliziert, wenn es Ihnen in der Klausur passiert, dass Sie einen Fall bekommen, in welchem sowohl der Täter als auch Teilnehmer Mordmerkmale aufweisen, aber verschiedene. Jetzt müssen Sie ganz genau hinsehen, um keine Flüchtigkeitsfehler zu begehen.

Variante 1

Der Haupttäter weist ein Mordmerkmal der 1. oder 3. Gruppe auf und der Teilnehmer nur ein solches der 2. Gruppe

Bsp: A will seinen Kollegen C aus dem Leben befördern, weil er rassistisch veranlagt ist und ihm das Land nicht passt aus dem der C stammt und schon gar nicht dessen Hautfarbe. Aus diesem Grund bittet er seinen Bruder B ihm seine Waffensammlung hierfür zur Verfügung zu stellen und weiht den B auch in seine Motive ein. B selbst ist auf Grund seiner liberalen Einstellung die Herkunft des C kein Grund, um diesen zu töten. Dennoch will er seinem Bruder die Hilfe nicht verweigern, obgleich er dessen Motive kennt. Er denkt zusätzlich, dass der A den C langsam und qualvoll umbringen wird. Tatsächlich tötet der A den C jedoch einen Tag später mit einem direkten Kopfschuss in einer offenen Konfrontation.

A verwirklicht ein Merkmal der 1. Gruppe/B weiß von dem Merkmal, weist aber selbst nur eines der 2. Gruppe auf

 

Variante 2

Der Haupttäter weist ein Merkmal der 1. oder 3. Gruppe auf , das beim Teilnehmer fehlt und von dem er auch nicht Kenntnis hat, jedoch weist der Teilnehmer selbst ein anderes Merkmal der 1. oder 3. Gruppe auf.

Bsp: A will seinen wohlhabenden Onkel C aus Rache töten, weil dieser sich über sein liebstes T Shirt lustig gemacht hatte während seine Freundin dabei war. Sein Bruder B, der von dem reichen Onkel in dessen Testament erwähnt wird, besorgt dem A dafür eine Schusswaffe, damit er schneller an das Erbe des Onkels gelangt. Von den Witzeleien gegenüber A wusste der B nichts, er wusste lediglich, dass A den C zur Strecke bringen wollte. Am Abend danach tötet A den C mit einem gezielten Stich ins Herz. C war sofort tot.

A verwirklicht ein Merkmal der 1. Gruppe/B weiß von dem Merkmal nichts, weist aber selbst “nur“ eines der 1. Gruppe auf

 

Die Lösung ergibt sich nun wie folgt:

Variante 1 Variante 2

A) A ist strafbar nach §§ 212, 211NACH ALLEN ANSICHTEN

(Mordmerkmal Gruppe 1 niedere Beweggründe)

B) Strafbarkeit des B

I) Tatbestand
1) Tatbestand objektiv:
a) Vorsätzliche Rechtswidrige Haupttat
Liegt vor: A hat einen Mord begangen § 212, 211 Mordmerkmal Gruppe 1
b) Hilfe leisten zur Haupttat (§ 27)
Ist gegeben: in diesem Fall leiht B dem A dessen Waffensammlung
2) Tatbestand subjektiv:
a) Vorsatz bezüglich der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
Ist gegeben, da B wollte, dass A den C tötet, also hatte er Vorsatz in Bezug auf § 212, auch wusste B davon, dass A den C töten wollte, weil ihn seine Herkunft störte. Daher hat er auch den Mord in seinen Vorsatz aufgenommen
b) Vorsatz Bezüglich des Hilfeleistens § 27
Ist auch gegeben
II) Rechtswidrigkeit (+)
III) Schuld (+)
IV) Strafe:
NUN IST WEITERHIN ABER ZU UNTERSUCHEN, OB ZUSÄTZLICH  EINE NORM ANWENDUNG FINDET, DIE DAS ERGEBNIS VERÄNDERT:

Ansicht 1 (M.M.) Anwendung von § 29 –> Beihilfe zum Totschlag §§ 212, 27 StGB

B ist nur nach seiner Schuld zu bestrafen, da er das spezielle Schuldmerkmal „niederer Beweggrund“ nicht aufweist ist er also wegen Beihilfe zum Totschlag zu bestrafen. Dass der B ein Mordmerkmal der 2. Gruppe aufweist ist insofern irrelevant, da Mordmerkmale der 2. Gruppe objektiv beim Haupttäter vorliegen müssen, um zu einer Strafbarkeit des Teilnehmers wegen Beihilfe zum Mord zu kommen. Achtung! Würde B selbst ein Merkmal der 1. oder 3. Gruppe aufweisen, läge bei ihm selbst ein spezielles Schuldmerkmal vor. Dann würde er sich wegen Beihilfe zum Mord strafbar machen. In Betracht kommt auch keine zusätzliche Strafbarkeit wegen versuchter Beihilfe zum Mord! Versuchte Beihilfe ist straflos!

Ansicht 2 (Rspr) Anwendung von § 28 I: Beihilfe zum Mord gemildert nach § 49 I –> §§ 211, 27, 49 I StGB

B ist zu bestrafen wie der A, nur erfolgt eine Strafmilderung nach § 49 I StGB, denn er hat ja zumindest Kenntnis von den Motiven des A, was ausreicht. Daher ist er strafbar wegen Beihilfe zum Mord gemildert nach § 49 I. Liegt jedoch ein anderes Mordmerkmal der 1. oder 3. Gruppe beim Teilnehmer vor, so korrigiert die Rechtsprechung ihr Ergebnis. Dies jedoch nur dann, wenn der Teilnehmer ebenfalls ein Merkmal der 1. oder 3. Gruppe aufweist und er ZUSÄTZLICH das Merkmal des Täters kennt. Hier weist der Teilnehmer aber, obgleich er selbst das Merkmal des Täters kennt, nur ein Merkmal der 2. Gruppe auf. Also erfolgt keine Ergebniskorrektur

Zu beachten ist, dass auch die Rechtsprechung die Strafe des Gehilfen wie oben erwähnt nur 1 mal über § 49 I mildert und nicht etwa doppelt.

Ansicht 3 (H.L) Anwendung von § 28 II –> Beihilfe zum Totschlag §§ 212, 27 StGB

Da B das besondere persönliche Merkmal „niederer Beweggrund“ nicht aufweist, ist er also wegen Beihilfe zum Totschlag zu bestrafen. Dass der B ein Mordmerkmal der 2. Gruppe aufweist ist insofern irrelevant, da Mordmerkmale der 2. Gruppe objektiv beim Haupttäter vorliegen müssen, um zu einer Strafbarkeit des Teilnehmers wegen Beihilfe zum Mord zu kommen.

ACHTUNG! ANDERS WÄRE DIE LÖSUNG, WENN B EIN MERKMAL DER 1. ODER 3. GRUPPE AUFWEISEN WÜRDE!

In Betracht kommt keine zusätzliche Strafbarkeit wegen versuchter Beihilfe zum Mord! Versuchte Beihilfe ist straflos!

 

A) A ist strafbar nach §§ 212, 211NACH ALLEN ANSICHTEN

(Mordmerkmal Gruppe 1 niedere Beweggründe)

B) Strafbarkeit des B

I) Tatbestand
1) Tatbestand objektiv:
a )Vorsätzliche Rechtswidrige Haupttat
Liegt vor: A hat einen Mord begangen § 212, 211Mordmerkmal Gruppe 1
b) Hilfe leisten zur Haupttat (§ 27)
Ist gegeben: in diesem Fall besorgt B dem A eine Schusswaffe
2) Tatbestand subjektiv:
a) Vorsatz bezüglich der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
Ist gegeben in Bezug auf § 212 aber von den Motiven des A  wusste B nichts. Der Vorsatz bezieht sich also nur auf § 212.2.
b) Vorsatz Bezüglich des Hilfeleistens § 27
Ist auch gegeben
II) Rechtswidrigkeit (+)
III) Schuld (+)
IV) Strafe:
NUN IST WEITERHIN ABER ZU UNTERSUCHEN, OB ZUSÄTZLICH  EINE NORM ANWENDUNG FINDET, DIE DAS ERGEBNIS VERÄNDERT:

Ansicht 1 (M.M.) Anwendung von § 29 –> Beihilfe zum Mord  §§ 212, 211, 27 StGB

B ist nach seiner Schuld zu bestrafen, da er das spezielle Schuldmerkmal „Habgier“ selbst aufweist, ist er wegen Beihilfe zum Mord zu bestrafen.

Ansicht 2 (Rspr.) Anwendung von § 28 I -> Beihilfe zum Totschlag §§ 212, 27 StGB

B ist nicht zu bestrafen wie der A, da er von dessen Merkmal der 1. Gruppe nicht einmal Kenntnis hat. Mit der Anwendung des § 28 I kommt man nun zu einer Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Totschlag, da ja für § 28 I nur zählt, ob der Teilnehmer das Merkmal des Haupttäters der 1. oder 3. Gruppe kennt und das tut der B nicht. Die Rechtsprechung ist daher der Ansicht, es käme lediglich eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Totschlag in Betracht. Eine Ergebniskorrektur nimmt der BGH auch noch nicht vor, denn im vorliegenden Fall kennt der Teilnehmer das Merkmal des Haupttäters nicht einmal.

Ansicht 3 (H.L.) Anwendung von § 28 II –> Beihilfe zum Mord §§ 212, 211, 27 StGB

B ist wegen Beihilfe zum Mord strafbar, da bei ihm selbst das besondere persönliche Merkmal „Habgier“ vorliegt. Die Lehre verstrickt sich insofern nicht in Widersprüche wie die Rechtsprechung, sondern wendet konsequent § 28 II an. Das Merkmal des Haupttäters weist der B zwar nicht auf, aber er weist selbst ein solches der 1. Gruppe auf

Abschnitt 4: Gekreuzte Mordmerkmale – die Ergebniskorrektur der Rechtsprechung

Nun gibt es noch den Fall der gekreuzten Mordmerkmale, in welchem selbst der BGH eine Ergebniskorrektur vornimmt. Das tut er dann, aber auch nur dann, wenn Haupttäter und Teilnehmer beide Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe aufweisen, der Teilnehmer aber das Mordmerkmal des Haupttäters zumindest kennt. Der Fall liegt also genau so wie in der vorgenannten Variante 2, nur dass B in diesem Fall das Motiv des A kennt:

Bsp: Bsp: A will seinen wohlhabenden Onkel C aus Rache töten, weil dieser sich über sein liebstes T Shirt lustig gemacht hatte, während seine Freundin dabei war. Sein Bruder B, der von dem reichen Onkel in dessen Testament erwähnt wird, besorgt dem A dafür eine Schusswaffe, damit er schneller an das Erbe des Onkels gelangt. Von den Witzeleien gegenüber A wusste der B. Am Abend danach tötet A den C mit einem gezielten Stich ins Herz. C war sofort tot.

 

Die Lösung ergibt sich hier wie folgt:

A) A ist strafbar nach §§ 212, 211NACH ALLEN ANSICHTEN

(Mordmerkmal Gruppe 1 niedere Beweggründe)

 

B) Strafbarkeit des B

I) Tatbestand
1) Tatbestand objektiv:
a) Vorsätzliche Rechtswidrige Haupttat
Liegt vor: A hat einen Mord begangen § 212, 211 Mordmerkmal Gruppe 1.
b) Hilfe leisten zur Haupttat (§ 27)
Ist gegeben: in diesem Fall besorgt B dem A eine Schusswaffe
2) Tatbestand subjektiv:
a) Vorsatz bezüglich der Vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
Ist gegeben in Bezug auf § 212 auch von den Motiven des A wusste B. Der Vorsatz bezieht sich also auch auf § 211.
b) Vorsatz Bezüglich des Hilfeleistens § 27
Ist auch gegeben
II) Rechtswidrigkeit (+)
III) Schuld (+)
IV) Strafe:

 

NUN IST WEITERHIN ABER ZU UNTERSUCHEN, OB EINE ZUSÄTZLICH NORM ANWENDUNG FINDET

Ansicht 1 (M.M.) Anwendung von § 29: Beihilfe zum Mord  §§ 212, 211, 27 StGB

B ist nach seiner Schuld zu bestrafen, da er das spezielle Schuldmerkmal „Habgier“ selbst aufweist ist er wegen Beihilfe zum Mord zu bestrafen. 

Ansicht 2 (Rspr.) Anwendung von § 28 I: Beihilfe zum Mord §§ 211, 27 OHNE STRAFMILDERUNG

B ist eigentlich zu bestrafen wie der A, da er von dessen Merkmal der 1. Gruppe Kenntnis hat (was ja für § 28 I ausreichen würde) und ihm genau das Merkmal des Haupttäters (niederer Beweggrund) fehlt. Sein Mordmerkmal ist nämlich ein anderes. Mit der Anwendung des § 28 I kommt man nun zu einer Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord, aber gemildert nach § 49 I. Da aber nun der Teilnehmer selbst ein täterbezogenes Mordmerkmal aufweist, empfindet die Rechtsprechung dies als unbillig und versagt dem Teilnehmer ausnahmsweise die Strafmilderung nach § 49 I. Das ist der Fall, den man unter dem Stichwort gekreuzte Mordmerkmale kennt! Pragmatisch zwar nachvollziehbar, dogmatisch ist das Ganze allerdings schwer zu begründen. Die Korrektur, die die Rechtsprechung an dieser Stelle vornimmt, stützt sich darauf zu sagen: Die Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe seien nur Sonderfälle der Niederen Beweggründe, weshalb das Mordmerkmal „Niederer Beweggrund“ bei einem habgierigen Täter gar nicht fehlen würde.

Ansicht 3 (H.L.) Anwendung von § 28 II: Beihilfe zum Mord §§ 212, 211, 27

B ist wegen Beihilfe zum Mord strafbar, da bei ihm selbst das besondere persönliche Merkmal „Habgier“ vorliegt. Die Lehre verstrickt sich insofern nicht in Widersprüche wie die Rechtsprechung, sondern wendet konsequent § 28 II an. Das Merkmal des Haupttäters weist B zwar nicht auf, aber er weist selbst ein solches der 1. Gruppe auf, welches strafschärfend wie gewöhnlich bei Anwendung von § 28 II berücksichtigt wird.

 

C) Schlusswort:

Sie sehen also, eine Ansicht, wendet § 29 auf täterbezogene Merkmale an, eine § 28 I und eine § 28 II. Diese Anwendung erfolgt strikt, nur dass in einem Fall die Rechtsprechung ihr Ergebnis korrigiert. Das ist ausschließlich der letzte Fall: Der Haupttäter verwirklicht ein Merkmal der 1. oder 3. Gruppe, davon weiß der Teilnehmer und er weist zusätzlich ein anderes Mordmerkmal der 1. oder 3. Gruppe auf. In allen anderen Fällen müssen Sie nur darauf achten, den Gesetzestext sauber anzuwenden, die Anwendung von § 28 I oder § 28 II oder § 29 StGB sauber zu begründen und darauf, dass Sie nicht Mordmerkmale der 2. Gruppe mit solchen der 1. oder 3. Gruppe verwechseln. Ist ein Gehilfe nach § 28 I zu behandeln, so ist darauf zu achten, dass die Rechtsprechung nicht etwa eine doppelte Strafmilderung vornimmt, sondern nur eine einfache. Behalten Sie in einer Klausur stets die Übersicht und beginnen sie damit, den Haupttäter zu prüfen. Versuchen Sie dann eine Skizze anzufertigen, in welcher Sie feststellen können, ob und welche Mordmerkmale Täter und Teilnehmer verwirklicht haben könnten. Dann gehen Sie wie oben beschrieben vor. Nur wenn bei einem der Beteiligten Mordmerkmale der 1. oder 3. Gruppe vorliegen, kann eine Streitdarstellung relevant werden. Ansonsten wird nur danach gefragt, ob der Teilnehmer das Merkmal des Haupttäters kannte oder nicht. Bei Merkmalen der 1. oder 3. Gruppe kommt es für ihr Ergebnis dann auf die von ihnen vertretene Meinung an. Die Ruhe zu bewahren und eine saubere Skizze anzufertigen wird ihnen in jedem Fall helfen.

D) Anmerkungen

siehe auch: mittlebare Täterschäft und Verbotsirrtum, Beihilfe, Error in persona und aberratio ictus, Aufbau Erlaubnistatbestandsirrtum und Anstiftung

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Gekreuzte Mordmerkmale auf unserer Website Jura Individuell.


Betrug gem. § 263 StGB – Schema, Prüfung, Fälle

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Gegenstand dieses Beitrages ist das Aufbauschema zum Betrug. Dieses Schema soll zugleich dem besseren und klareren Verständnis dienen. Aus diesem Grund wird jedes Tatbestandsmerkmal ausführlich erklärt und mit Beispielsfällen versehen. Der Betrugstatbestand spielt in der strafrechtlichen Praxis eine bedeutende Rolle und ist deshalb eine sehr beliebte Prüfungsmaterie.

A. Tatbestand

 I. Objektiver Tatbestand

 1.  Täuschungshandlung

Der erste Prüfungspunkt beim Betrug gemäß § 263 StGB  ist die Prüfung der  Täuschungshandlung. Die Betrugshandlung des Täters besteht in einer Täuschung über Tatsachen.

a.) Tatsachen

Ein Täuschen ist nur über Tatsachen und nicht über Werturteile möglich. Zunächst versteht man unter dem Begriff der „Tatsachen“ nachprüfbare Sachverhalte, welche damit dem Beweis zugänglich sind. Diese gilt es insbesondere von Werturteilen (Meinungen, Rechtsansichten) zu unterscheiden. Hier wird die Abgrenzung danach festgelegt, ob ein nachprüfbarer Tatsachenkern existiert. Wer sich also auf Werturteile verlässt, scheint nach dem Gesetz eher weniger schützenswert zu sein. Tatsachen sind nicht nur äußere Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, sondern nach h. M. auch psychische Gegebenheiten und Abläufe, wie Wissen, Vorstellungen, Überzeugungen, Absichten etc. (sog. innere Tatsachen). So wird neuerdings laut BGH bei der Behauptung bestehender Ansprüche genau geprüft, ob dieser Behauptung auch ein wirklicher Tatsachenkern zugrundeliegt. Wenn man im Zweifel darüber ist, ob eine Tatsache oder ein Werturteil vorliegt, muss man sich die Frage stellen, ob der vom Täter vorgetragene Sachverhalt als „richtig oder falsch“ bestimmt werden kann. Eine Einordnung als richtig oder falsch setzt die Möglichkeit einer objektiven Nachprüfbarkeit des Sachverhaltes voraus. Nur wenn dies möglich ist, liegt eine Tatsache vor.

Beispiel:

Äußere Tatsachen: die Herkunft einer Sache oder die Beschaffenheit, die Zahlungsfähigkeit einer Personen. (Beides ist objektiv nachprüfbar). Aber über den „Wert“ einer Sache kann man nicht Täuschen. Es ist jedoch möglich über die wertbildenen Faktoren zu täuschen (Bsp. der Täter täuscht darüber, dass das Buch, welches er verkauft, bereits 500 Jahre alt und deswegen besondert wertvoll sei, hier ist das Alter des Buches ein wertbildener Faktor).

Innere Tatsachen: bestimmte Absichten ( z .B. Zahlungswilligkeit)

b.) Täuschen

Unter dem Begriff  „Täuschen“ versteht man das bewusste Einwirken (ausdrücklich/konkludent) auf den Intellekt eines anderen zur Erregung oder Unterhaltung eines Irrtums. Ein Irrtum liegt in der Fehlvorstellung über die wahre Sachlage, d. h. die Vorstellung, die das Opfer sich über einen Sachverhalt macht, weicht vom realen Sachverhalt ab. Das Täuschen enthält demnach ein subjektives Element, auch wenn es im objektiven Tatbestand geprüft wird. Fehlt dieses Element in Form der Fehlvorstellung, so würde schon kein Täuschen vorliegen. Eine Täuschung ist in verschiedenen Formen denkbar:

aa.) Täuschen durch aktives Tun

Die Täuschungshandlung durch aktives Tun ist das Vorspiegeln einer falschen Tatsache. Das bedeutet, dass ein in Wirklichkeit nicht vorliegender Umstand vom Täter seinem Opfer (gegenüber) so dargestellt wird, als würde dieser Umstand tatsächlich existieren. Diese Betrugshandlung  kann entweder ausdrücklich oder konkludent durch schlüssiges Verhalten geschehen, sodass beide Formen auch ineinander übergehen können. Es ist also gleichgültig, ob die Täuschung mittels einer wahrheitswidrigen Erklärung oder auf eine andere Weise vollzogen wird. So auch im Falle der konkludenten Täuschung. Hier ergibt sich der Täuschungscharakter nicht bereits unmittelbar aus dem Gesagten, sondern erst aus dem unausgesprochenen Teil der Erklärung. Wichtig ist letztendlich nur, dass auf  die Vorstellung des Betrugsopfers so eingewirkt wird, dass der Handlung des Täters dadurch ein bestimmter Erklärungswert zukommt. Das ausdrückliche Täuschen geschieht in den meisten Fällen durch Äußerungen, also einer explizit falschen Erklärung des Täters.

Beispiele für konkludente und ausdrückliche Täuschungen: Vorlegen von Waren an der Kasse, nachdem man das Preisschild ausgetauscht hatte; Manipulation des Tachometers bei einem Gebrauchtwagen; die wahrheitswidrige Erklärung des Verkäufers an den Käufer: Das Auto, welches zum Verkauf steht, sei unfallfrei, obwohl es bereits einige Unfälle hatte etc.

bb.) Täuschen durch Unterlassen

Neben dem Betrug durch aktives Tun gibt es nach h. M. auch ein Täuschen durch Unterlassen. Dieses liegt vor, wenn der Unterlassende im Stande und als Garant rechtlich verpflichtet ist (Aufklärungspflicht), die Entstehung oder Fortdauer eines Irrtums mit seinen vermögensschädigenden Konsequenzen zu verhindern (gemäß § 13 StGB).  Eine solche Aufklärungspflicht kann auf gesetzlichen Normen basieren (Bsp: § 666 BGB, die Auskunftspflicht des Beauftragten, oder auch die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers nach § 23 II VVG, Pflicht zur Mitteilung einer Veränderung der relevanten Verhältnisse beim Bezug von Sozialleistungen nach § 60 I Nr. 2 SGB I) oder sich aus einem Vertrag ergeben. Zu beachten ist jedoch, dass eine Aufklärungspflicht sich nicht immer zwingend aus einem Vertrag ergeben muss.

Eine Aufklärungspflicht kann sich im Einzelfall auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben. Hierfür genügt das Vorliegen normaler vertraglicher oder gar vorvertraglicher Beziehungen allein jedoch nicht. Vielmehr muss nach der Rspr. des BGH ein besonderes Vertrauensverhältnis gegeben sein. Den durch Unterlassen Täuschende muss etwa eine besonders begründete Einstandspflicht gerade für das Vermögen des Vertragspartners treffen.

Eine Aufklärungspflicht kann sich darüber hinaus auch aus Ingerenz, also vorangegangenem pflichtwidrigen Handeln ergeben.

Zum Verständnis: Ein pflichtwidriges Vorverhalten könnte zum Beispiel vorliegen, wenn der Verkäufer dem Käufer ein Auto verkauft, beide sich über Kaufpreis und Kaufgegenstand einigten, jedoch der Verkäufer gegen seine ihm obliegenden Pflichten aus § 433 BGB verstößt (mangelfreie Ware liegt nicht vor,  § 433 I 2 BGB). Grund?  Denken wir einen Schritt zurück und stellen auf das Vorverhalten des Verkäufers ab. Das Auto war nicht unfallfrei, die beschädigten Stellen wurden vom Verkäufter neulackiert und darüber täuschte der Verkäufer, indem er dem Käufer dies verschwieg.

In den meisten Fällen werden solche Betrugstaten durch Unterlassen nicht sanktioniert (strafrechtlich gesehen – vgl. § 13 StGB: Das Unterlassen muss dem Handeln entsprechen). Solche Fälle landen oftmals vor dem Zivilgericht, da es schon am strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot scheitern würde. Jedenfalls sollte man in einer Klausur vorrangig prüfen, ob eventuell ein konkludentes Tun vorliegt. Das hat den Vorteil, dass es nicht zu einer langwierigen Suche nach einer Garantenstellung und Garantenpflicht kommen muss. Sollte man dem Sachverhalt also entnehmen können, dass der Täter in irgendeiner Form eine aktive Handlung vorgenommen hat, welcher ein Erklärungswert beizumessen ist, so kann zumindest von einem konkludenten Handeln ausgegangen werden und der Betrugstatbestand kann als Betrug durch positives Tun weitergeprüft werden. Sollte dieses konkludente Handeln vorliegen, erübrigt sich dann die weitere Prüfung des Unterlassens.

2. Erregung oder Unterhalten eines Irrtums

Durch die Täuschung des Täters muss im Getäuschten (Opfer) ein Irrtum erregt oder unterhalten werden. Unter dem Begriff des „Unterhaltens eines Irrtums“ versteht man, dass der Täter eine bereits vorhandene Fehlvorstellung bestärkt oder deren Aufklärung verhindert oder erschwert. „Erregt“ wird ein Irrtum, wenn dieser durch Einwirkung auf die Vorstellung des Getäuschten selbst hervorgerufen oder (mit-)verursacht wird. Bei diesem weiteren erforderlichen Prüfungspunkt bzw. Tatbestandsmerkmal merkt man erneut, dass das Wörtchen „durch“, welches darauf hinweist, dass der Kausalzusammenhang zwischen den einzelnen Tatbestandsmerkmalen beim Betrug gegeben sein muss, von wichtiger Bedeutung ist. Irrtum iS des § 263 ist jede unrichtige, der Wirklichkeit nicht entsprechende Vorstellung über Tatsachen. Auch kurz gesagt zum Merken: „Jeder Widerspruch zwischen Vorstellung und Wirklichkeit“. Der erregte Irrtum muss kausal auf der Tathandlung des Täters (also hier dem Täuschen, siehe Def.) beruhen. Der Irrtum braucht jedoch nicht das Ergebnis eines im Bewusstsein klar ablaufenden Denkprozesses zu sein. Vielmehr reicht es, dass sich das Opfer, also der Getäuschte, Gedanken über die in Frage stehenden Tatsachen macht. Fehlt es an einer bloßen Vorstellung einer wahren Tatsache, liegt grundsätzlich kein Irrtum vor (ignotantia facti). Das Opfer macht sich hier schlicht keine Gedanken und kann daher auch nicht irren. Dieser Fall liegt jedoch nicht immer ohne weiteres vor, vgl. nachfolgenden Fall.

Bsp. im Restaurant: Der Kellner macht sich bei einer Entgegennahme von Bestellungen der Gäste normalerweise keine Gedanken darüber, ob der Gast zahlungsfähig ist oder nicht. Vielmehr geht der Kellner davon aus, dass die Gäste solvent sind. Er geht mithin „sachgedanklich“ davon aus, dass „alles in Ordnung sei“.

Entscheidend an diesem Punkt ist nur, dass dieses Bewusstsein nicht GANZ fehlen darf. Als Ergebnis dieser Vorstellung müssten dann die vom Opfer in Frage stehenden Tatsachen auch tatsächlich von der wirklichen Situation abweichen. Das Opfer/der Getäuschte muss also die behauptete Tatsache auch für wahr halten. Noch kurz anzusprechen wäre der Zweifel an der Richtigkeit eines Sachverhaltes. Klar ist ja, dass völlige Gleichgültigkeit bezüglich einer Wahrheit nie einen Irrtum hervorrufen kann. Kommen Zweifel an der Richtigkeit eines Sachverhaltes auf, wird nach Ansicht der Rechtsprechung die Bejahung eines Irrtums nicht ausgeschlossen. Denn Zweifel oder Leichtgläubigkeit des Getäuschten schließen einen Irrtum nicht aus – sie werden von § 263 StGB ebenfalls geschützt. Es gilt dann weiter zu prüfen, ob nicht die Tatsachen vom gedanklichen Mitbewusstsein des Opfers umfasst sind. Dieses muss dann entweder aktuell oder mindestens als „sachgedankliches Mitbewusstsein“ (ständiges Begleitwissen) vorhanden sein. Grund dafür ist, dass vom Getäuschten keine Überzeugung oder ein Fürwahrhalten gefordert wird. Es kann auch mal ein „Fürmöglichhalten“ i. S. d. § 263 StGB ausreichen. (Merke: Wer zweifelt, irrt auch mal).

Zusammenfassend:

Es ist somit festzuhalten, dass das Opfer durch die Hervorrufung der falschen Tatsachen durch den Täter in einen Irrtum versetzt werden muss, der durch die Tathandlung des Täters unterhalten/erregt wird. Unterhalten deswegen, weil der Täter es verhindert, dass eine vorhandene Fehlvorstellung oder im Falle des Unterlassens trotz seiner Garantenpflicht nicht durch Aufklärung beseitigt wird.

3.  Vermögensverfügung

a.) Begriff und Funktion der Verfügung

Der nächste Punkt der Prüfung ist die Vermögensverfügung. Hier wird nun weiter auf der Tathandlung der Irrtumserregung aufgebaut (Kausalzusammenhang). Denn durch den im Opfer erregten oder unterhaltenen Irrtum muss der Getäuschte zu einer Verfügung über sein Vermögen oder das eines Dritten veranlasst worden sein. Das Merkmal der Vermögensverfügung verbindet demnach Irrtum und Vermögensschaden miteinander. Aus diesem Grund wird auch von der „Transport- oder Verbindungsfunktion der Vermögensverfügung“ gesprochen. Sie ist als Merkmal im Gesetz nicht niedergeschrieben, gilt jedoch als besonders erwähnenswertes und unerlässliches Bindeglied. Sie dient auch der Abgrenzung zwischen dem Sachbetrug und dem Diebstahl (auf diesen Punkt wird unter näher eingegangen). Denn die Vermögensverfügung entsteht aus dem hervorgerufenen Irrtum als ein bloßes inneres Ereignis, welches zu einem Vermögensschaden führen kann. (Auf den Vermögensschaden wird gleich unten näher eingegangen.) Desweiteren darf man die Vermögensverfügung im Strafrecht nicht mit der Vermögensverfügung im Zivilrecht verwechseln. Die eine hat mit der anderen nichts zu tun. So kann zum Beispiel ein Geschäftsunfähiger eine strafrechtlich relevante Vermögensverfügung vornehmen, wohingegen im Zivilrecht solch eine Verfügung gemäß § 106 BGB ff „nichtig“ wäre.

Bsp: Der 6-jährige O wird von T getäuscht, sodass dieser sich vom O eine Sache herausgeben lässt.

b.) Vermögensverfügung

Unter einer Vermögensverfügung versteht man jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln (Abschluss eines Vertrages), Dulden (Gestattung der Mitnahme einer Sache) oder Unterlassen (Nichtgeltendmachung einer Forderung), das unmittelbar zu einem Vermögensschaden führt. Unmittelbar bedeutet, dass das Opferverhalten ohne zusätzliche deliktische Zwischenakte des Täters zu einer Vermögensminderung führt. Geschützt ist gemäß § 263 StGB das Individualvermögen als die Gesamtheit aller wirtschaftlichen Güter, die nach der Rechtsordnung einer (natürlichen oder juristischen) Person zugeordnet sind (BGHSt 36, 130131; Fischer Rn. 91). Wie schon oben kurz angesprochen erfolgt an diesem Prüfungspunkt oft die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl. Man kann dieses wie folgt verstehen: der Getäuschte (Opfer) muss als „Werkzeug“ des Täters nach dessen Plänen seine sogenannte „Selbstschädigung“ bewirken (Betrug als Selbstschädigungsdelikt). Sein Verhalten muss als ein „Gebeakt“ im weitesten Sinne zu verstehen sein. Beim Diebstahl hingegen kommt es auf einen unfreiwilligen Gewahrsamsbruch an, sodass im Gegensatz dazu beim Betrug die Handlung des Opfers also freiwillig vollzogen worden sein muss. Damit unterscheidet sich die Vermögensverfügung beim Betrug als Selbstschädigungsdelikt von der Wegnahme beim Diebstahl (Fremdschädigungsdelikt). Für diese Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl ist nicht das äußere Erscheinungsbild (Geben und Nehmen) maßgeblich: entscheidender Punkt ist vielmehr, ob der Getäuschte noch die Freiheit hat, die Sache selber herauszugeben oder nicht. Es muss damit eine unmittelbare Handlung vorliegen. Ist dies so erkennbar und auch so zu deuten, liegt ein Betrug im Sinne des § 263 StGB vor. Anhand dieser Ausführung wird gezeigt, dass die Erklärung des Einverständnisses des Opfers für die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl von großer Wichtigkeit ist. Durch ein Einverständnis des Opfers wird das Tatbestandsmerkmal der „Wegnahme“ im § 242 StGB ausgeschlossen. Liegt das Einverständnis seitens des Opfers nicht vor, ist der Schutzbereich des § 242 StGB eröffnet und es bleibt kein Raum für Betrug, sondern lediglich für einen Diebstahl in Form des sog. Trickdiebstahls. Gemäß § 242 StGB wird der „Bruch fremden Gewahrsams“ und damit der unfreiwillige Verlust des Gewahrsams bestraft (siehe bereits oben).

Hinweis zum Sachbetrug: Hier besteht die Vermögensverfügung in der bewussten/willentlichen Weggabe einer Sache. Dort wird ein Verfügungsbewusstsein gefordert und es wird auf die innere Willensrichtung des Opfers abgestellt, da beim Sachbetrug Personenidentität zwischen Getäuschtem und Verfügendem besteht.

Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass es zumindest beim Sachbetrug auf eine bewusste und freiwillige Weggabe für das Vorliegen einer Vermögensverfügung ankommt. Freiwillig handelt das Opfer, wenn es darüber entscheiden kann, ob es eine Sache weggibt oder nicht. Handelt das Opfer freiwillig in Bezug auf die Weggabe einer Sache, so liegt gleichzeitig ein Einverständnis vor, welches die Wegnahme nach § 242 StGB ausschließt.

 c.) Vermögensminderung

Durch die Vermögensverfügung muss es zu einer unmittelbaren Vermögensminderung kommen. Die Verfügung kann das Vermögen des Getäuschten oder das eines Dritten mindern (Dreiecksbetrug). Ein Dreiecksbetrug liegt vor, wenn Verfügender und Geschädigter auseinander fallen, sie mithin in ihrer Person nicht „identisch“ sind.

Bsp. zur Verdeutlichung:  T spiegelt wahrheitswidrig dem Vater V des minderjährigen G vor, er sei von G gebeten worden, dessen Handy abzuholen. V gibt das Mobiltelefon heraus.

Hier ist es nun fraglich, wie man die Strafbarkeit begründet. Immerhin handelt es sich um den Sohn (Frage der Zurechenbarkeit und Näheverhältnis). An dieser Stelle gehen wir auf die Nähebeziehung und die zwei Ansichten ein, die in Bezug auf die Frage vertreten werden, wann noch ein Betrug angenommen werden kann, wenn Getäuschter und Verfügender auseinanderfallen.

aa.) Lagertheorie:

Folgt man der sogenannten „Lagertheorie“, muss der Verfügende (der Vater) rechtlich oder tatsächlich in der Lage gewesen sein, über das Vermögen des Geschädigten (der Sohn) zu verfügen. Hier war und ist der Verfügende der Vater und somit zivilrechtlich gesetzlicher Vertreter seines minderjährigen Sohnes. Damit steht der Vater nach dieser Ansicht im Lager des geschädigten Sohnes. Nach dieser Ansicht ist der Täter nach § 263 StGB zu bestrafen, auch wenn der getäuschte Verfügende nicht mit dem geschädigten Opfer identisch ist.

bb.) Befugnistheorie:

Die „Befugnistheorie“ stellt hingegen auf die zivilrechtliche Ermächtigung ab. Diese verlangt, dass der Verfügende zur Vornahme seiner Handlung zivilrechtlich ermächtigt ist, über die Gegenstände also rechtlich verfügen kann z. B. nach § 185 BGB. Übertragen auf den vorliegenden Beispielfall war der Vater auch hier berechtigt, über das Handy zu verfügen, da er hier als Vater die Vermögenssorge nach § 1626 BGB innehat. Auch hier liegt somit ein Betrug i. S. d. § 263 StGB vor.

Anmerkung: Meist werden diese Theorien vermutlich zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dann gilt es einfach beide Ansichten kurz darzustellen und sich für eine zu entscheiden. Es wird oft vertreten, dass die Lagertheorie den § 263 StGB zu sehr einschränkt; im Gegensatz zur Befugnistheorie. Noch zu beachten ist hier, dass man in der Klausur im Obersatz dem Prüfer deutlich macht, gegenüber wem die Täuschung begangen worden ist und zu wessen Lasten verfügt wurde (siehe Beispiel). Diese Vermögensminderung kann in einem wirtschaftlichen Nachteil beliebiger Art bestehen, wie etwa in einer Belastung des Vermögens mit einer Verbindlichkeit, im Verlust einer Sache, einer Forderung oder eines Rechts. Die Vermögensminderung unterscheidet sich vom Vermögensschaden dadurch, dass es beim Prüfungspunkt der Vermögensminderung noch nicht zu prüfen gilt, ob die Vermögensminderung durch einen gleichzeitig erfolgten Vermögenszuwachs kompensiert und wirtschaftlich voll ausgeglichen wird. Denn ist dies der Fall, liegt kein Vermögensschaden und somit kein Betrug vor. Dieses wird erst im Prüfungspunkt „Vermögensbeschädigung“ geprüft und erörtert.

4. Vermögensbeschädigung

a.) Vermögensbegriff

Das Ergebnis der Vermögensverfügung durch den Getäuschten muss als Vermögensbeschädigung des Getäuschten oder eines anderen zu bewerten sein. Der Vermögensbegriff ist sehr umstritten. Es bedarf einer Klärung, welche Güter von dem Begriff des „Vermögens“ umfasst sind.

aa.) Juristischer Vermögensbegriff

Nach einer Ansicht wird die Meinung des „juristischen Vermögensbegriffs“ vertreten. Danach gehören zum geschützten Vermögen nur die einer Person rechtlich zugewiesenen Güter sowie Rechte und zwar unabhängig von deren wirtschaftlichem Wert. Der sog. juristische Vermögensbegriff ist zu streng und wird auch heute nicht mehr vertreten. Grund dafür ist, dass dieser Begriff Güter oder Rechte einer Person meist überbewertet und sich so gesehen auf alle Gegenstände beziehen könnte, die kaum einen wirtschaftlichen Wert hätten.

Merke: Es würden damit alle Güter/Rechte, die ohne bzw. ohne große wirtschaftliche Bedeutung sind, den Tatbestand des § 263  StGB erfüllen.

bb.) Wirtschaftlicher Vermögensbegriff

Die Gegenansicht hingegen vertritt die Auffassung des „wirtschaftlichen Vermögensbegriffs“. Nach diesem Begriff gehören zum Vermögen einer Person alle Güter, soweit ihnen ein rein wirtschaftlicher Wert beigemessen wird. Es ist mithin nach dieser Auffassung gleichgültig, ob das Vermögen/die Ansprüche aus nichtigen und sittenwidrigen Rechtsgeschäften/Verträgen stammen oder aus widerrechtlicher oder sonst missbilligter Weise erlangt wurden (Gegenstände wurden gestohlenen; sog. wirtschaftlicher Vermögensbegriff). Hier ist zu kritisieren, dass diese Betrachtungsweise auf einer rein wirtschaftlichen Ebene stattfindet und dadurch der rechtliche Rahmen außer Acht gelassen wird. Zusätzlich würde es auch am strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot fehlen.

cc.) Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff

Nach der Ansicht wird meist der „juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff“ vertreten. Dieser Vermögensbegriff ist demnach die Summe aller wirtschaftlichen Güter einer Person, die dem Schutz der Rechtsordnung untersteht und anerkannt ist. Hier ergibt sich aus dieser Ansicht, dass Forderungen oder Ansprüche, welche bereits nach §§ 134, 138 BGB nichtig sind, nicht zum geschützten Vermögen gehören.

dd.) Streitentscheidung

Die hier aufgeführten Ansichten führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. In diesem Falle gilt es solche Streitstände immer zu entscheiden. Es werden mehr oder minder die Einschränkung (juristischer Vermögensbegriff) oder Ausweitung der Vermögensbegriffe dargestellt (wirtschaftlicher Vermögensbegriff). Auf der Seite des juristischen Vermögensbegriffs  lässt sich dieser auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise ausweiten und so dessen Schwachpunkt entschärfen. Auf der anderen Seite wird aber zugleich die Weite des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs vermieden. Außerdem werden Wertungswidersprüche zwischen Zivil– und Strafrecht vermieden – im Gegensatz zum wirtschaftlichen Vermögensbegriff. Weiter läuft man Gefahr, beim wirtschaftlichen Vermögensbegriff Betrüger zu ermutigen ihre Opfer in den Kreisen der sittlich schwachen Personen zu suchen. Das kann die Rechtsordnung so nicht hinnehmen. Der wirtschaftliche Vermögensbegriff mit der Ergänzung des ökonomischen Vermögensbegriffes scheint hier vorteilhafter zu sein, da er sich auf alle Rechtspositionen erstreckt und somit auch Vermögenswerte in den Schutzbereich des § 263 StGB fallen.

Um diese Ansichten noch einmal verständlicher zu machen, gibt es dazu einen kurzen Beispielfall.

Beispiel: Auftragsgeber (A) bittet den Auftragskiller (K)  seinen Feind (F) umzubringen, um ihn so aus dem Weg zu schaffen. Der Auftragskiller hatte jedoch von Anfang an geplant diese Tat nie auszuführen, ihm ging es nur um den versprochenen Lohn. Liegt hier ein Betrug gegenüber dem Auftragsgeber (A) vor?

Wenden wir nun alle Tatbestandsmerkmale des Betruges auf diesen Fall an, würden wir ja sagen. K täuschte dem A vor, er würde den Auftrag erfüllen. Durch die Täuschung entstand beim A ein Irrtum. Dieser veranlasste ihn dazu K den Lohn für den Auftragsmord zu entrichten, sodass es zu einer Vermögensverfügung kam. Denn durch die Bezahlung an K wirkte sich dieses vermögensmindernd für A aus. Dadurch müsste ein Vermögensschaden entstanden sein (siehe Def.). Dieser ist entstanden, weil A kein wirtschaftliches Äquivalent zugeflossen ist. K nahm das Geld an, tötete jedoch nicht den Feind des A. Übertragen auf unsere bereits dargestellten Ansichten, würde nach dem „wirtschaftlichen Vermögensbegriff“ ein Betrug an A vorliegen, da es hiernach auf die Umstände der Vermögensverfügung und des Schadenseintritts nicht ankommt. Hier entstand der Schaden aus einem „sittenwidrigen Vertrag“, §§ 134, 138 BGB. Diesen Aspekt berücksichtigt die andere Auffassung, nach welcher ein Vermögensschaden i. S. d. § 263 StGB nie aus sittenwidrigen Verträgen/Ansprüchen entstehen kann. Bekräftigt wird dies mit dem Argument der „Einheit der Rechtsordnung“. Hier zeigt sich schon die angesprochene Widersprüchlichkeit. In Klausuren ist es daher empfehlenswert, dass man die Ansichten logisch auf den Sachverhalt überträgt und so zu einer nachvollziehbaren Entscheidung gelangt.

Es dürfte sich jedoch in der Regel empfehlen, dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff zu folgen.

Das Kammergericht hat hierzu entschieden:

Ein Vermögensschaden i.S. des § STGB § 263 StGB ist auch bei sittenwidrigen und rechtswidrigen Geschäften zu bejahen. Ein Vermögensverlust kann nicht deshalb verneint werden, weil das Verlorene gem. § BGB § 817 S. 2 BGB nicht im Rechtsweg zurückverlangt werden kann. Im Gegenteil muss derjenige, der nicht die Möglichkeit hat, nachträglich einen Ausgleich seines Verlusts zu erreichen, erst recht als geschädigt gelten. Die Strafrechtsordnung gilt auch für und gegen Verbrecher untereinander.

KG, Urteil vom 28. 9. 2000(4) 1 Ss 44/00 (50/00)

Aktuell sehr streitig ist die Einordnung von „Drogen“ unter dem Vermögensbegriff. Der Bundesgerichtshof entscheidet demnächst im großen Senat über die diese Rechtsfrage.

b.) Vermögensschaden

Durch die Verfügung muss ein Vermögensschaden eingetreten sein. Dieser ist gegeben, wenn der wirtschaftliche Gesamtwert des Vermögens nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung verringert wurde. Darunter ist folgendes zu verstehen: der maßgebliche Zeitpunkt für den Wertvergleich ist der Vermögensstand durch die Ermittlung „vor“ und „nach“ der Verfügung.  Man sagt auch, das Opfer muss „ärmer“ geworden sein. Das ist nicht der Fall, wenn das Opfer durch die Verfügung eine Vermögensminderung erlitten hat, jedoch unmittelbar durch Zufluss eines gleichwertigen wirtschaftlichen Äquivalentes wieder ausgeglichen wird. Nicht kompensationstauglich sind sogenannte gesetzliche Ausgleichansprüche und Rechte (Schadensersatzforderungen, zB. §§ 823 II, 826 BGB (im allg. zivilrechtliche Ansprüche)). Sie sind lediglich die Folgen des Schadens.

Beispiel: T täuscht O arglistig über die Echtheit einer Briefmarkensammlung, weshalb O beim Weiterverkauf nur einen geringen Kaufpreis erzielen kann.

Da O hier eine geringwertige Briefmarkensammlung erhalten hat, erlitt er einen Vermögensschaden. Gemäß §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB erlangt er zwar einen Schadensersatzanspruch durch die arglistige Täuschung, jedoch begründet dieser kein gleichwertiges Äquivalent. Und warum?

Merke: Ausgleichforderungen entstehen nicht durch die Verfügung (Unmittelbarkeit!), sondern sind lediglich die (mittelbare) Folge eines eingetretenen Schaden.

aa.) Eingehungsbetrug und Erfüllungsbetrug

Weiterhin ist bei den sogenannten „Austauschgeschäften“, dem sog. Eingehungs- bzw. Erfüllungsbetrug, ein Vergleich der beiderseitigen Vertragsverpflichtungen von Wichtigkeit. Denn hier kann bei der Prüfung der Schadensberechnung darauf abgestellt werden, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Stadium bei einer Vertragsabwicklung eine Täuschung stattgefunden hat, die zu einem Vermögensschaden führte. Zu Verdeutlichung werden der Eingehungs- und Erfüllungsbetrug nachfolgend erläutert.

(a.) Eingehungsbetrug

Unter einem Eingehungsbetrug versteht man eine sogenannte „Täuschung bei Vertragsschluss“ (bei Eingehung der vertraglichen Verpflichtung). Hier wird der Getäuschte durch die Täuschung und den daraus entstandenen Irrtum veranlasst einen Vertrag abzuschließen. Dabei hat der Täuschende folgendes Ziel vor Augen:  Er will die vom Getäuschten, also dem Opfer versprochene Leistung erhalten, selbst aber nur eine Leistung erbringen, die gegenüber dem Getäuschten „minderwertig“ ist oder für das Opfer aus seiner subjektiven Sicht bzw. seinen Gründen für ihn unbrauchbar ist. Problem beim Eingehungsbetrug ist die Bestimmung des Zeitpunktes des Schadenseintritts. In diesem Falle kommen verschiedene Zeitpunkte in Betracht, an denen man anknüpft.

Bespiel: Zeitpunkt des Vertragsschlusses, also die Abgabe der Willenserklärungen gemäß §§ 145 ff. BGB; die Erbringung der (Vor-)Leistung seitens des Opfers und damit die Annahme der minderwertigen Gegenleistung.

Beispiel: V verkauft K einen Gebrauchtwagen. Beim Verkaufsgespräch erzählt V dem O, dass der Wagen lediglich 30.000 km gefahren ist. Diese Aussage war vom V ´wahrheitswidrig. In Wirklichkeit ist der Wagen doppelt so viel gefahren. K kauft das Auto für einen hohen Preis, obwohl das Auto aufgrund der hohen Kilometerlaufzahl viel weniger Wert ist.

Hier kann man sehen, dass V bei Vertragsschluss über die wahren Umstände des wertbildenen Faktors der Laufleistung des Wagens getäuscht hat. Dadurch erlitt K einen Irrtum, welcher ihn veranlasst hatte, den Vertrag mit dem Verkäufer abzuschließen. V ist nun verpflichtet, K das Auto zu übereignen – K verpflichtet sich zur Kaufpreiszahlung. Problem? Die Übereignung des Wagens ist im Verhältnis des Zahlungsanspruches des K weniger wert. Hierin liegt der Vermögensschaden.

(b.) Erfüllungsbetrug

Im Gegensatz zum Eingehungsbetrug wird beim sog. Erfüllungsbetrug nicht bei Vertragsschluss getäuscht, sondern bei der Erfüllung eines Vertrages. Hier beruht der Vertragsschluss nicht auf einer Täuschung, sondern erst nach dem Vertragsschluss entscheidet sich der Täuschende seinen Vertragspartner bei der Abwicklung des Vertrages zu benachteiligen.

Beispiel: Der Getäuschte wird dadurch benachteiligt, dass er eine mangelhafte Ware erhält; er erhält gar keine Ware, obwohl der Getäuschte die volle Leistung vollbringt (Zahlung an den Täuschenden).

Beispiel: V verkauft K einen Wagen. Übergabe des Autos soll binnen einer Woche erfolgen. Im Laufe der Woche  überlegt V sich, doch lieber dem K nicht dieses, sondern ein anderes und  älteres Auto zu übereignen, welches mit dem Vorgänger identisch ist.

Hier bestanden zunächst gleichwertige Ansprüche auf Kaufpreiszahlung/Übereignung. Bei der Erfüllung, also hier bei Übereignung des Autos nach § 929 BGB, täuschte der Verkäufer den Käufer. Mithin ist ein Vermögensschaden bei Erfüllung des Verpflichtungsgeschäftes entstanden.

In den meisten Fällen bereitet aber auch der Schadensbegriff Schwierigkeiten. Hier einige Problemkonstellation.

(c.)  Konkrete Vermögensgefährdung

Eine konkrete Vermögensgefährdung kann in einigen Fällen auch einen Vermögensschaden darstellen. Hier wird auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise abgestellt, sodass nach der Ansicht der Rechtsprechung der Eintritt eines Vermögensschadens für hinreichend wahrscheinlich gehalten werden kann.

Beispiel: T bittet O um ein Darlehen i. H. v. 30.000 Euro. Dafür verlangt O eine Rückzahlungssicherheit. T überlässt ihm dafür ein Gemälde als Pfand mit einem angeblichen sehr hohen Wert. Der tatsächliche Wert dieses Gemäldes beträgt in Wirklichkeit nur 10 Euro.

Der Fall zeigt, dass T den O über die Wertigkeit des Bildes täuschte. Diese Täuschung war für den O Anlass ihm das Darlehen zu gewähren. Durch das fast wertlose Gemälde ist somit das Vermögen des O konkret gefährdet. Mit der Gewährung des Darlehens wurde mithin der Tatbestand des Betruges erfüllt.

d.) Individueller Schadenseinschlag

Beim Fall des individuellen Schadenseinschlags geht es darum, dass Leistung und Gegenleistung  zwar objektiv in einer wirtschaftlich einheitlichen Balance und damit rein rechnerisch in einem Äquivalenzverhältnis zueinander stehen, jedoch die Leistung für den Getäuschten für seine Zwecke eher als ungeeignet erscheint.

Beispiel:  Das Opfer kann die angebotene Leistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden  (Beispiel: eine Kinderzeitschrift für einen Jugendlichen).

e.)  Soziale Zweckverfehlung

Bei der sog. sozialen Zweckverfehlung geht es um die Frage, ob es beim Opfer zu einem Vermögensschaden kommen kann, wenn sich dieses bei der Vermögensverfügung „bewusst“ ist, dass es vom Täter keine gleichwertige Gegenleistung bekommen wird. Hier kann es in Ausnahmefällen ebenfalls zu einem Vermögensschaden kommen, auch wenn objektiv die Leistung und Gegenleistung nicht gleichwertig sind.

Beispiel: Ein vermeintlicher Obdachloser bittet an Haustüren um Kleidung und Geld, obwohl dieser gar kein Obdachloser ist und sich nicht in einer Notlage befindet. Hier nutzte er die Gutgläubigkeit der Helfer aus.

Es liegt ein Vermögensschaden auch in Form einer „Bewussten Selbstschädigung“ nach der Lehre der sozialen Zweckverfehlung vor.

II. Subjektiver Tatbestand

Nach Prüfung und Darstellung des objektiven Tatbestandes wird nun auf den subjektiven Tatbestand des § 263 StGB eingegangen.

1. Vorsatz

Der subjektive Tatbestand erfordert zunächst Vorsatz. Vorsatz ist das Wissen und Wollen zur Verwirklichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Also muss sich der Vorsatz demnach auf alle Merkmale des objektiven Tatbestands unter Einschluss der verbundenen Kausalbeziehung beziehen. Es reicht auch der Eventualvorsatz („dolus eventualis“ ).

2. Absicht rechtswidriger Bereicherung

a.) Absicht

Der Täter muss ferner in der Absicht handeln sich oder einem anderen/Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Als Vermögensvorteil versteht man jede wirtschaftliche Verbesserung/Gestaltung der Vermögenslage, also genau das Gegenteil des Vermögensschadens. Es ist nicht von Bedeutung, ob diese Vermehrung im Nichterbringen einer geschuldeten Leistung oder in der Befreiung von einer Verbindlichkeit besteht. Übertragen auf die Definition muss das Opfer demnach eine freiwillige Minderung vorgenommen haben, die sich unmittelbar auf  das Vermögen des Täters auswirkt und zwar vermögensvorteilhaft. Weiter ist auch zu beachten, dass der § 263 StGB nicht voraussetzt, dass der Täter seinen erstrebten Vorteil auch tatsächlich erlangt (Endziel). Vielmehr genügt auch, dass die Erlangung des Vermögensvorteils nur ein Zwischenziel des Täters war.

Beispiel: T täuscht den O beim Verkauf seines Fahrrads über die Funktionsfähigkeit der Bremsen, weil er bezweckt, dass sich O endlich mal „ auf die Nase legt“ und dabei verletzt wird.

Merke: Der Vermögensvorteil muss nicht zur Vollendung gelangt sein bzw. sich realisiert haben. Es reicht die Bereicherungsabsicht des Täters.

b.) Rechtswidrige Dritt-Bereicherung

Der vom Täter erstrebte Vermögensvorteil muss objektiv rechtswidrig sein. Darunter ist zu verstehen, dass dieser vom Täter erstrebte rechtswidrige Vermögensvorteil mit keinem rechtlichen Anspruch begründet sein darf. Ist der Anspruch des Täters einredefrei oder fällig, kommt ein Betrug nicht in Betracht.

Beispiel: Der Täter will einen unbegründeten Anspruch abwehren; Durchsetzung eines fälligen und einredefreien Anspruches oder der Täter will eine zulässige Aufrechnung erschleichen. In diesen Fällen liegt keine rechtswidrige (Dritt-)Bereicherung vor und demnach auch kein Betrug.

c.) Stoffgleichheit

Bei der Vermögensverschiebung muss der sich hierdurch unmittelbar (Unmittelbarkeitsbeziehung) ergebende Vorteil des Täters genau die Kehrseite des geschädigten Vermögens des Opfers darstellen, also ihm damit „stoffgleich“ sein. Zwar ist dieser Begriff für manchen Leser sehr irreführend, jedoch meint diese Begrifflichkeit, dass der Täter nun einen Vermögens -“Vorteil“ bekommt und das Opfer eine Vermögens -“Minderung“ dadurch erlitten hat. Dieser Vermögensvorteil auf der Täterseite und Vermögensnachteil/-minderung auf der Opferseite wird durch ein und dieselbe Verfügungshandlung herbeigeführt. Der Begriff der Stoffgleichheit ist von Wichtigkeit und dieser Prüfungspunkt damit auch stets erforderlich, weil der Betrug seinem Wesen nach ein „Vermögensverschiebungs-delikt“ ist. Das Merkmal dient demnach dazu, solche vom Täter erlangten Vermögensvorteile aus dem Bereich des § 263 StGB auszuklammern, die sich nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Opfers, sondern aus externen Leistungen Dritter ergeben sollten.

Ein Problem tritt vor allem bei den sog. „Provisionsvertreterfällen“ auf.

Beispiel zur VerdeutlichungEin Vertreter V verkauft O einen Staubsauger und täuscht ihn dabei über die Saugkraft des Staubsaugers. O beißt an und kauft deswegen den Staubsauger zu einem überhöhten Preis. Der V meldet den Verkauf seinem Auftragsgeber und kassiert dafür seine 100 Euro Provision.

Liegt hier eine Strafbarkeit wegen Betrugs vor gemäß § 263 StGB?

Im vorliegenden Fall kam es V darauf an, die Provision seines Arbeitsgebers für den Abschluss des Kaufvertrages einzuziehen. Die Provision erlangte V also dadurch, dass A ihm die 100 Euro ausgezahlt hatte. Es fehlt somit an der Stoffgleichheit, da der Schaden des O (minderwertiges Gerät) und der Vermögensvorteil des V (Provision) nicht unmittelbar durch ein und dieselbe Verfügung (Kaufpreiszahlung) herbeigeführt wurde.

Es könnte aber auch eine Strafbarkeit wegen fremdnützigen Betrugs durch den Vertreter zu Lasten des Opfers und zu Gunsten des Auftragsgebers vorliegen.

Im vorliegenden Fall handelte nämlich der Vertreter mit Drittbereicherungsabsicht. Denn zur Erlangung seiner Provision stellte sich die Kaufpreiszahlung der Käuferin als notwendiges „Zwischenziel“ dar. Sie stellt mithin die Kehrseite des von V erstrebten Vermögensvorteils des A dar. Die Stoffgleichheit ist folglich gegeben.

Wurde der subjektive Tatbestand des § 263 StGB geprüft, folgen die weiteren Punkte B.) und C.). Diese sind wie in jedem strafrechtlichen Schemata in bekannter Weise zu prüfen.

 

B. Rechtswidrigkeit

C. Schuld

Anmerkungen

siehe auch: mittlebare Täterschäft und Verbotsirrtum, Beihilfe, Error in persona und aberratio ictus, Aufbau Erlaubnistatbestandsirrtum und Anstiftung

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Betrug gem. § 263 StGB – Schema, Prüfung, Fälle auf unserer Website Jura Individuell.

Diebstahl § 242 StGB – Subjektiver Tatbestand

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Der Beitrag beschäftigt sich mit dem subjektiven Tatbestand des Diebstahls. Der objektive Tatbestand ist Gegenstand eines weiteren Aufsatzes. Siehe auch die Kategorien StGB sowie Strafrecht.

Im Folgenden soll die Erläuterung des Prüfungsschemas zum Diebstahl fortgesetzt werden. Im ersten Teil wurde bereits der objektive Tatbestand des Diebstahls erläutert. Nunmehr wollen wir uns dem subjektiven Tatbestand zuwenden. Wie im ersten Aufsatz schon erläutert, ist der Diebstahl ein Delikt mit überschießender Innentendenz, das heißt über den Vorsatz hinaus werden im subjektiven Tatbestand Merkmale geprüft, die im objektiven Tatbestand keine Entsprechung finden.

Aufbau: subjektive Tatbestand des Diebstahls § 242

Vorab noch einmal zur Erinnerung der Aufbau des subjektiven Tatbestandes des Diebstahls -Folgende Punkte sind zu prüfen:

1)Vorsatz in Bezug auf den objektiven Tatbestand

2) Absicht sich oder einem Dritten die Sache rechtswidrig zuzueignen

a)Gegenstand der Zueignung

b)Absicht auf vorübergehende Aneignung

c)Zumindest Dolus Eventualis in Bezug auf dauerhafte Enteignung

d)Rechtswidrigkeit der Zueignung

e)Vorsatz in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Zueignung

Die einzelnen Prüfungspunkte werden im folgenden erläutert und anhand von Beispielen aufgearbeitet.

1)Vorsatz in Bezug auf den objektiven Tatbestand

Zunächst ist natürlich erforderlich, dass der Täter Vorsatz in Bezug auf den objektiven Tatbestand hat, d. h. zumindest dolus eventualis auf die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache. Das ergibt sich schon aus § 15 StGB.

Insofern ergeben sich keine Besonderheiten. Kritisch kann es werden, wenn der Täter über die Fremdheit der Sache irrt. Der Täter irrt dann über ein normatives also wertausfüllungsbedürftiges Tatbestandsmerkmal, da dieses Merkmal nicht aufgrund der bloßen Wahrnehmung, sondern nur aufgrund einer rechtlichen Bewertung der wahrgenommenen Tatsachen oder Umstände als vorhanden festgestellt werden können. Wie ein solcher Irrtum zu behandeln ist, ist umstritten. Nach herrschender Ansicht ist zu prüfen, ob der Täter nach einer Parallelwertung in der Laiensphäre den Begriff fremd richtig verstanden hat oder nicht. Das heißt so viel wie: Hat der Täter ein ungefähres Begriffsverständnis oder nicht? Je nachdem, ob dies der Fall war, nimmt die herrschende Meinung in der Literatur einen Irrtum nach § 16 StGB an oder nicht. Wenn der Täter bei normativen also wertausfüllungsbedürftigen tatbestandsmerkmalen nicht nur die Umstände richtig erfasst, sondern nach einer Parallelwertung in der Laiensphäre auch eine zutreffende rechtliche Bewertung dieser Umstände traf, dann ist ein Irrtum nach § 16 StGB zu verneinen. Nur wenn er eine unzutreffende Bewertung getroffen hat, irrt er noch im Bereich des Tatbestandes und § 16 StGB kann Anwendung finden. Im Einzelfall kann eine derartige Einordnung des Irrtums schwer werden.

2)Absicht sich oder einem Dritten die Sache rechtswidrig zuzueignen

Weiterhin muss der Täter noch die Absicht haben die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Diese Absicht muss im Zeitpunkt der Wegnahme vorliegen. Das ist enorm wichtig. Ein späterer Entschluss kann nicht zu einer Strafbarkeit nach § 242 StGB führen. Weiterhin ist irrelevant, ob es letztlich zu einer Zueignung kommt. Die Absicht entscheidet hier allein und nicht das letztliche Ergebnis. Diese Zueignungsabsicht muss man in die oben bereits aufgeführten Prüfungspunkte unterteilen, um zu einem sauberen Ergebnis zu gelangen.

a) Gegenstand der Zueignung:

Zunächst einmal muss entschieden werden, was überhaupt Gegenstand einer Zueignung sein kann. Im Klartext müssen wir uns überlegen, ob der Täter vorhaben muss, die Sache selbst sich oder einem Dritten zuzueignen oder ob es ausreicht, dass er vorhat, sich den Wert der Sache zuzueignen. Hierzu werden verschiedene Theorien vertreten, die sogleich an einem Beispiel erläutert werden sollen.

Bsp: Der A entnimmt der Handtasche der B in der Mittagspause deren EC Karte, um damit 300 Euro bei der Bank abzuheben. Den Pin für die derartige Karte hat die B dummerweise mit einem Post It auf der Karte festgehalten. Der A hat vor, die EC Karte wieder in die Handtasche der B zurückzulegen, sobald er das Geld abgehoben hat. Strafbarkeit des B?

An diesem Beispielsfall lassen sich die Theorien besonders gut erläutern, die zum Gegenstand der Zueignung vertreten werden. Die Substanztheorie käme hier nicht zu einem Diebstahl, da ihre Vertreter der Ansicht sind, dass der Täter vorhaben müsste, sich die Sache selbst ihrer Substanz nach zuzueignen. Wie wir später noch sehen werden, erfordert Zueignungsabsicht aber immer dolus eventualis auf eine dauerhafte Enteignung des ursprünglichen Eigentümers. Soviel muss an dieser Stelle vorweg genommen werden. Der A wollte die Karte selbst aber gar nicht behalten, sondern wieder in die Handtasche der B legen, nachdem er das Geld abgehoben hat. Das reicht nach der Substanztheorie nicht aus, um einen Diebstahl zu bejahen. Vielmehr müsste der A auch vorgehabt haben, die EC Karte dauerhaft der B zu entziehen. Das war hier laut Sachverhalt nicht der Fall. Nach der Sachwerttheorie reicht es aus, dass der Täter sich den wirtschaftlichen Wert, der der Sache anhaftet. zueignet. Allerdings gibt es nun noch einen etwas restriktiveren Ansatz der Sachwerttheorie, der nicht jeden wirtschaftlichen Wert der Sache ausreichen lässt, sondern nur den Wert, der in der Sache selbst verankert ist. Man das wie folgt ausdrücken: Erfasst ist von der restriktiven Sachwerttheorie nur das „Lucrum ex re“ und nicht das „Lucrum ex negotio cum re“. Die heute vorherrschende Meinung vertritt die Vereinigungstheorie. Im Prinzip stellen sich die Vertreter dieser Theorie auf den Standpunkt es wäre erforderlich, dass der Täter im Wegnahmezeitpunkt vor hatte, sich die Sache entweder ihrer Substanz nach zuzueignen (Substanztheorie) oder den in ihr verkörperten Wert (restriktive Sachwerttheorie). So nun zum Fall. Folgen wir der herrschenden Ansicht, so könnte man meinen, dass der A sich nach § 242 strafbar gemacht hat, weil er sich den wirtschaftlichen einen Wert der EC Karte, nämlich 300 Euro zugeeignen wollte0. Allerdings lässt die Vereinigungstheorie ja wie gesehen nur jene Werte genügen, die in der Sache selbst angelegt sind. Dass die 300 Euro nicht in der EC Karte selbst verankert sind, sieht man schon daran, dass man auch ohne EC Karte am Schalter Geld abheben kann. Auch nach dieser Theorie wäre also eine Zueignungsabsicht zu verneinen. Anhand eines anderen Beispielsfalles soll klar werden, wann die Substanztheorie zu einem anderen Ergebnis gelangen würde als die restriktive Sachwerttheorie und die Vereinigungstheorie:

Bsp: Der A entnimmt der Handtasche der B in der Mittagspause deren Sparbuch, um damit 300 Euro bei der Bank abzuheben. Der A hat vor das Sparbuch wieder in die Handtasche der B zurückzulegen, sobald er das Geld abgehoben hat. Strafbarkeit des B?

In diesem Fall ist die Situation anders als im obigen Fall. Dies Substanztheorie käme hier zu dem Ergebnis, dass der B nicht nach § 242 StGB strafbar wäre, weil er im Zeitpunkt der Wegnahme nicht vor hatte, das Sparbuch selbst zu behalten. Allerdings kommen die Sachwerttheorie und auch die restriktive Sachwerttheorie, sowie die herrschende Vereinigungstheorie zu einem anderen Ergebnis, denn der Täter hatte vor, sich den Wert, der in dem Sparbuch selbst angelegt ist, zuzueignen. Hier ist der Fall anders gelagert als im EC-Karten-Fall. Der Geldwert ist nach herrschender Ansicht im Sparbuch selbst verankert, was sich schon daran zeigt, dass ohne Sparbuch kein Geld abgehoben werden könnte. Die EC-Karte hingegen ist eher mit einem Schlüssel zum Geld vergleichbar. Daher hat sich A im vorliegenden Fall nach § 242 strafbar gemacht.

So weit so gut. Was Gegenstand der Zueignungsabsicht des Täters sein muss, ist nun geklärt worden. Nun wollen wir das aufarbeiten, was an obiger Stelle schon vorweggenommen wurde, nämlich die Frage danach, was Zueignung eigentlich bedeutet. Oben wurde schon angedeutet, dass die Zueignungsabsicht aus einer Aneignungs- und einer Enteignungskomponente besteht.

b) Absicht auf vorübergehende Aneignung

Der Täter müsste im Wegnahmezeitpunkt vorgehabt haben, sich die Sache oder den in ihr verkörperten Wert (s. o.) zumindest vorübergehend anzueignen. Insofern ist Dolus Direktus 1. Grades erforderlich, das heißt direkter Vorsatz. Aneignen bedeutet, dass der Täter vorgehabt haben muss, sich eine eigentümerähnliche Herrschaftsposition anzumaßen mit dem Ziel, sich die Sache selbst oder den in ihr verkörperten Wert (Vereinigungstheorie) zumindest vorübergehend dem eigenen Vermögen einzuverleiben. Dies muss gerade Ziel der Handlung des Täters sein. Achtung, es geht nur um das subjektives Element. Ob die Aneignung tatsächlich stattfand spielt keine Rolle. Wir befinden uns in einem Prüfungspunkt des subjektiven Tatbestandes. Der Täter muss aber vorhaben, sich Eigentümerrechte anzumaßen. Damit werden Fälle ausgeklammert, in denen der Täter die Sache zwar an sich nimmt, sich aber nicht wie ein Eigentümer aufspielt. Bekannt ist der Dienstmützenfall:

Bsp: A ist Bundeswehrsoldat und verliert seine Dienstmütze. Da er dies nicht melden will, entwendet er die Mütze des Kameraden B und benutzt diese wie geplant bis zum Wehrdienstabschluss. Im Anschluss gibt er die Mütze aber wie geplant wieder der Bundeswehr zurück.

Hier hat sich der A gerade keine Eigentümerrechte anmaßen wollen, denn er wollte die Mütze nie für sich selbst, sondern immer als dem Bund gehörend benutzen. Abgesehen davon wäre ebenfalls die Enteignungskomponente zu verneinen gewesen, aber dazu später.

Ebenfalls sind Fälle auszusortieren, in denen sich jemand zwar Eigentümerrechte anmaßen will, dabei aber nicht das Ziel verfolgt, sich die Sache selbst oder den in ihr verkörperten Wert dem Eigenen Vermögen einzuverleiben. Ein derartiger Fall ist der folgende:

Bsp: Der A hasst dem Kommilitonen B, der eben seine Arbeit bei Professor P eingereicht hat. Aus diesem Grund nimmt er diese Arbeit an sich um sie im Anschluss zu zerreißen oder wegzuwerfen.

Hier wollte der A sich weder die Klausur selbst noch den in ihr verkörperten Wert dem eigenen Vermögen einverleiben. Ein Diebstahl scheidet daher aus.

c) Dolus Eventualis auf dauerhafte Enteignung

Die Zueignungsabsicht erfordert darüber hinaus auch den bedingten Vorsatz, den Eigentümer dauerhaft zu enteignen. Das bedeutet, er muss vorgehabt haben den Eigentümer dauerhaft aus seiner Herrschaftsposition zu verdrängen. Dieses Element grenzt den Diebstahl zu einer Gebrauchsanmaßung ab. In den Fällen, in denen der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme vor hatte, dem ursprünglichen Eigentümer seine Sache zurückzugeben, scheitert daher der Diebstahl.

Bsp: A nimmt B seinen Palandt weg, um diesen 3 Tage lang zu durchstöbern. Er gibt ihm den Palandt aber nach 3 Tagen wie von Anfang an geplant zurück.

A hat sich in diesem Fall nicht nach § 242 strafbar gemacht, da er nicht vor hatte, den B dauerhaft aus seiner Eigentümerposition zu verdrängen. Ebenso wäre der Fall zu lösen, wenn A dem B sein Auto für eine Spritztour entwendet und anschließend wieder zurückstellen will.

Achtung ist geboten, wenn der Täter vorhat, das gestohlene Gut dem Eigentümer wieder zu verkaufen.

Bsp: A entwendet den DVD Player des B und bietet ihn auf dem Flohmarkt zum Verkauf an, auf den der B immer geht. B kauft bei A den DVD Player, da er ja einen neuen braucht und mit dem Modell kam er ja hervorragend zurecht. Er bemerkt dabei nicht, dass es sich um seinen DVD Player handelt.

In diesem Fall ist die Enteignungskomponente zu bejahen, denn der B erlangt zwar seinen DVD Player wieder, aber das geschieht nicht unter Anerkennung seiner eigentlichen Berechtigung. Man muss also in den Fällen sehr genau hinsehen, in denen der Täter einen Rückveräußerungswillen in Bezug auf die Sache hat. Eines muss noch erwähnt werden in Bezug auf diesen Fall, denn auch bei der Aneignungskomponente muss man schon ein Wörtchen verlieren. Der Kaufpreis ist ein Wert, der in der Sache selbst angelegt ist und daher kommt man nach der Sachwerttheorie (auch nach dem restriktiven Ansatz oder der Vereinigungstheorie zu dem Ergebnis, dass die Aneignungskomponente zu bejahen ist, denn der Täter hatte vor, durch den Verkauf zu demonstrieren, dass er den DVD Player als Bestandteil seines Vermögens ansieht).

Wieder Achtung! Anders liegt der Fall, wenn der Täter lediglich eine Sache entwendet, um dann dafür Finderlohn zu kassieren.

Bsp: A entwendet den Welpen des B und klingelt, wie von Anfang an geplant, an der Haustür des B, gibt sich als Finder aus und möchte nun Finderlohn, den der B ihm auch dankbar auszahlt.

Hier wäre die Aneignungskomponente auch nach der restriktiven Sachwerttheorie und der Vereinigungstheorie zu verneinen. Anders als der Kaufpreis ist ein Lösegeld bzw. ein Finderlohn nicht in der Sache selbst verankert. Man müsste in diesem Fall eher einen Betrug prüfen. Soviel noch einmal zur Aneignungskomponente.

d)Drittzueignung reicht aus!

In der Klausur ist darauf zu achten, dass es ausreicht, dass der Täter die Sache einem Dritten zueignen will. Er muss nicht zwangsweise vorhaben, sich die Sache selbst zuzueignen.

e)Rechtswidrigkeit der Zueignung

Die Zueignung muss rechtswidrig sein. Die Rechtswidrigkeit ist bei § 242 echtes Tatbestandsmerkmal und gesondert zu prüfen und zwar zusätzlich zur normalen Rechtswidrigkeitsprüfung innerhalb des subjektiven Tatbestandes. An der Rechtswidrigkeit fehlt es insbesondere, wenn der Täter einen fälligen und einredefreien Anspruch auf Übereignung der Sache hat. Auch wenn der Täter von diesem Anspruch nichts weiß, kommt nur ein untauglicher Versuch in Betracht, denn die Zueignung muss objektiv rechtswidrig gewesen sein. Ein Beispielsfall soll die klassische Problematik in diesem Bereich verdeutlichen.

Bsp: A hat Schulden bei B, weil dieser ihm 50 Euro geliehen hat. Als A den B antrifft, entnimmt er diesem aus seinem Portemonnaie einen 50-Euro-Schein und behauptet B gegenüber die Sache sei nun erledigt.

Nach der herrschenden Ansicht hatte der A keinen Anspruch auf genau diesen 50 Euro Schein. Vielmehr stünde dem B das Auswahlrecht zu, welchen Geldschein er übereignen wolle. Die Mindermeinung geht von einer Wertsummenverbindlichkeit aus und nicht von Gattungsschulden, bei denen der B noch ein Konkretisierungsrecht nach § 243 BGB hätte. Sie geht davon aus, dass bei Geldschulden das Auswahlrecht des Schuldners bedeutungslos sei und das Interesse sich nur auf einen Geldwert bezieht. Beide Ansichten kommen in Bezug aus die Rechtswidrigkeit der Zueignung in diesem Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Wertsummentheorie verneint die Rechtswidrigkeit der Zueignung. Die herrschende Meinung nicht. Die Rechtsprechung konzipiert insoweit aber dann mit der Anwendung der herrschenden Meinung einen Irrtum über die Rechtswidrigkeit und kommt daher ebenfalls nicht zu einer Bestrafung nach § 242 StGB.

f) Vorsatz bezüglich der Rechtswidrigkeit der Zueignung

Der Täter müsste in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Zueignung zumindest eventualvorsätzlich gehandelt haben. Geht der Täter also davon aus, er habe einen fälligen einredefreien Übereignungsanspruch, den er in Wirklichkeit gar nicht hatte, so unterliegt er einem Tatbestandsirrtum, da es sich bei der Rechtswidrigkeit der Zueignung um ein Merkmal des objektiven Tatbestandes handelt (s. o.) Ist das der Fall, entfällt nach § 16 StGB der Vorsatz.

Es handelt sich bei der Rechtswidrigkeit der Zueignung erneut um ein normatives Tatbestandsmerkmal. Bei derartigen Merkmalen muss der Täter nicht nur alle Umstände richtig erfassen, sondern auch eine zutreffende rechtlich Bewertung dieser Umstände treffen. Das ist hier nicht der Fall, wenn der Täter von einem fälligen und einredefreien Anspruch seinerseits ausgeht. Er unterliegt daher einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB.

Achtung ist geboten, wenn der Täter nur glaubt, ihm stünde ein Selbsthilferecht zu, was in Wirklichkeit nicht der Fall war. In diesem Fall läge ein Verbotsirrtum vor, denn der Täter irrt nicht über das Merkmal der Rechtswidrigkeit der Zueignung selbst.

Anmerkungen

Für den objektiven Tatbestand hier klicken. Für weitere Beiträge,Schemata,Klausuren siehe die Kategorien StGB sowie Strafrecht, vor allem den Beitrag über die Regelbeispiele nach § 243 StGB.

siehe auch: mittlebare Täterschäft und Verbotsirrtum, Beihilfe, Diebstahl in mittelbarer Täterschaft, Error in persona und aberratio ictus, Aufbau Erlaubnistatbestandsirrtum und Anstiftung

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Diebstahl § 242 StGB – Subjektiver Tatbestand auf unserer Website Jura Individuell.

Der Diebstahl gem. § 243 StGB – Regelbeispiele

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Das folgende Schema befasst sich mit dem Diebstahl im besonders schweren Fall gemäß § 243 StGB und ergänzt die Beiträge der Kategorien StGB sowie Strafrecht. Diese Vorschrift normiert einige der klausurrelevantesten Regelbeispiele überhaupt und sollte daher beherrscht werden. In einem Artikel über die Regelbeispiele im StGB wurde die Einordnung der Regelbeispiele in die Systematik des StGB bereits besprochen. An dieser Stelle wird daher ausschließlich der § 243 StGB behandelt und die speziellen Probleme, die sich in Bezug auf diese Norm ergeben.

I)Rechtliche Einordnung der Vorschrift

Die Norm reglementiert an der Zahl sieben Regelbeispiele, die eine Straferhöhung für den Diebstahl beinhalten können. Zumindest eine Indizwirkung für die Annahme eines besonders schweren Falles entfaltet sich bei Verwirklichung einer dieser Varianten. Im Einzelfall kann der Strafrichter allerdings wie schon in dem vorangestellten Artikel über Regelbeispiele allgemein erläutert von der Annahme eines besonders schweren Falles wegen Vorliegens besonderer Umstände dennoch absehen oder auch auf Grund besonderer Umstände von dem Vorliegen eines unbenannten besonders schweren Falles ausgehen. Diese Varianten werden im Vorliegenden einzeln aufgearbeitet und erläutert, damit die Studenten im Rahmen einer Klausur die wichtigsten Definitionen kennen und die elementaren Streitstände um diese Norm beherrschen.

II) Die Ausschlussklausel § 243 II

Es scheint erwähnenswert die Ausschlussklausel des § 243 II StGB gleich in einer Prüfung voran zu stellen. Korrektoren sehen es ungern, wenn ein Kandidat über Seiten hinweg die Merkmale einer Norm prüft, die letzten Endes Aufgrund einer Ausschlussklausel doch keine Anwendung finden kann. Daher erfolgt auch hier die Darstellung dieses Absatzes vorab.

1) Wirkung der Ausschlussklausel

Die Ausschlussklausel besagt, dass ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen sein soll, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht. Die Indizwirkung des Regelbeispiels greift dann nicht. Allerdings muss sich der Diebstahl nach h. M. objektiv und subjektiv auf eine geringwertige Sache beziehen. Ausschließlich wenn beides der Fall ist, entfällt eine Indizwirkung. Auch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles ist dann ausgeschlossen.

2) Geringwertigkeit

Wann eine Sache Geringwertig ist, ist nicht ganz eindeutig und erfordert wohl in einer Klausur etwas Argumentation. Die Literatur geht dahin eine Geringwertigkeit anzunehmen, sofern die Sache einen Wert bis ca. 50 Euro hat. Zum Teil wird aber auch schon ab einem Wert von ca. 25 Euro die Geringwertigkeit verneint. Insofern bleibt es wohl den Studenten selbst überlassen sich für ein Wertmaß zu entscheiden. Nimmt der Täter mehrere Sachen im Rahmen einer einheitlichen Tat weg, so entscheidet der Gesamtwert der Sachen. Elementar ist, dass die Möglichkeit, aus einer Verwertung von Sachen Gewinne zu erzielen an dieser Stelle ebenso unberücksichtigt zu bleiben haben, wie Schäden, die der Täter an der Sache verursacht, weshalb eventuell der Wert der Sache sinkt.

3) Kein Messbarer Verkehrswert

Nun gibt es aber auch Sachen, die keinen messbaren objektiven Verkehrswert haben. Beispiele hierfür sind Gerichtsakten oder Ausweispapiere. An dieser Stelle ist es nicht leicht einen Wert festzulegen und daher auch kompliziert, die Ausschlussklausel zu handhaben. Derartige Sachen sind daher von vorn herein nicht als geringwertig anzusehen und die Prüfung der einzelnen Regelbeispiele steht offen. Derartige Sachen sind in einer Klausur sehr beliebt, denn Studenten, die sich nie mit der Vorschrift näher auseinander gesetzt haben, sehen sich dann in der Klausur vor einem Problem, dass man ohne die Kenntnis der Rechtsprechung auf diesem Gebiet wohl nur schwer zu lösen vermag. Man sollte sich also merken, dass die Geringwertigkeitsklausel bei derartigen Sachen nicht greift.

4) “Beziehen“ auf die geringwertige Sache

Wie oben schon angedeutet, muss sich die Tat auf eine geringwertige Sache beziehen. Das heißt, dass nicht nur objektiv eine geringwertige Sache weggenommen werden muss, sondern, dass der Täter auch vor hatte eine geringwertige Sache wegzunehmen. Es muss also sowohl in objektiver, als auch in subjektiver Hinsicht eine geringwertige Sache weggenommen worden sein, damit die Ausschlussklausel Anwendung findet. Ist eines von beiden nicht der Fall, so ist der Weg zu den Regelbeispielen wieder offen und von dem Studenten wird eine Prüfung der solchen erwartet. Bei § 248a StGB muss diese doppelte Geringwertigkeit hingegen nicht gegeben sein! Es handelt sich um eine Besonderheit des § 243 StGB, die bekannt sein muss.

5) Irrtum über die Geringwertigkeit

Da wie schon in dem vorangestellten Aufsatz § 16 StGB analoge Anwendung auf Regelbeispiele findet, kann sich der Täter auch über die Wertigkeit einer Sache irren, die dazu führt, dass aufgrund des Fehlens der subjektiven Geringwertigkeit das Regelbeispiel ausgeschlossen sein kann

III) § 243 I S. 2 Nr. 1

Ist keine Geringwertigkeit der Sache in objektiver und subjektiver Hinsicht gegeben, so sind die Varianten zu prüfen, die der § 243 StGB bietet. Klar gibt es auch unbenannte besonders schwere Fälle, was in der Natur der Regelbeispiele als Strafzumessungsregel begründet ist, allerdings wird in einer Klausur wohl kaum jemand von einem Studenten erwarten, einen unbenannten besonders schweren Fall zu erkennen. Aus diesem Grund sollte man sich in einer Klausur wohl eher auf die vorgeschriebenen und damit Indizwirkung entfaltenden Varianten begnügen. Angemerkt werden sollte an dieser Stelle noch Folgendes: Es gibt entweder zwei Alternativen oder mehrere Varianten. Hat man also mehr als zwei Möglichkeiten in einer Norm, so sollte immer von Varianten und nicht von Alternativen gesprochen werden. Korrektoren sehen das sehr gerne. Aber nun zur Nummer 1 des § 243 I S.2 StGB. Diese Nummer enthält drei verschiedene Tatobjekte und vier verschiedene Begehungsweisen, die nun erläutert werden sollen.

1) Tatobjekte

Zunächst sollen die Tatobjekte erläutert werden:

a) Umschlossener Raum

Definition:

Ein umschlossener Raum ist definiert als jedes Raumgebilde, das zumindest auch dazu bestimmt ist von Menschen betreten zu werden und das mit zumindest teilweise künstlichen Vorrichtungen versehen ist, die das Eindringen Unbefugter verhindern sollen.

Erläuterung

Bei dem umschlossenen Raum handelt es sich um den Oberbegriff für all die sonst noch in § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB aufgeführten Tatobjekte. Umschlossen bedeutet in diesem Zusammenhang nicht verschlossen! Verwirklicht ist die Variante schon dann, wenn in tatsächlicher Hinsicht ein Hindernis für den Täter besteht. Abzugrenzen ist der umschlossene Raum von einem Behältnis in § 243 I S. 2 Nr. 2 StGB, das im Gegensatz zum umschlossenen Raum nicht zumindest auch dazu bestimmt ist von Menschen betreten zu werden. Als Beispiele führt der Gesetzgeber insbesondere auf, den Dienst- und Geschäftsraum und das Gebäude. Diese werden sogleich erklärt. Wichtig ist erst einmal, dass der Zusammenhang erfasst wird. Diese Aufzählungen sind nichts anderes als umschlossene Räume. Der umschlossene Raum ist daher der Oberbegriff. Es ist weder eine Begrenzung nach oben erforderlich, noch eine feste Verbindung mit dem Erdboden, solange der Wille erkennbar ist, dass das Eindringen unbefugter verhindert werden soll. Ebenso genügt es, dass die Hindernisse zum Teil natürlicher Art sind, wie Felsen oder Gräben. Eine Abgrenzung die ausschließlich natürlicher Art ist, reicht wiederum nicht, da so der Wille nicht erkennbar wird, dass der Raum nicht von Unbefugten betreten werden soll.

Beispiele:

Beispiele für solche umschlossenen Räume sind der umzäunte Garten, Wohnwagen, Fahrgastzellen des Kfz, umzäunter Lagerplatz, Eisenbahnwaggons, Zimmer etc.

b) Gebäude

Definition:

Ein Gebäude ist ein Unterfall eines umschlossenen Raums. Ein solches ist ein durch Wände und ein Dach begrenztes und mit dem Erdboden fest verbundenes Bauwerk, dass dazu bestimmt ist von Menschen betreten zu werden und Unbefugte abhalten soll.

Erläuterung:

Für die feste Verbindung mit dem Erdboden ist keine Dauerhaftigkeit Voraussetzung und es genügt auch, dass das Gebäude durch das eigene Gewicht fest mit dem Grund verbunden ist. Auch halbfertige Bauten können Gebäude sein, wenn sie schon die nötige Umschließung haben.

Beispiele:

Beispiele für Gebäude sind Scheunen, Imbissbuden, Häuser oder das Zirkuszelt etc.

c) Dienst- oder Geschäftsraum

Auch bei dem Dienst- oder Geschäftsraum handelt es sich um einen Unterfall des umschlossenen Raums.

Definition:

Dienst- oder Geschäftsräume sind Gebäudeteile, die dem Aufenthalt von Menschen während der Arbeitszeit beziehungsweise zur Vornahme beruflicher oder sonstiger geschäftlicher Tätigkeiten dienen.

Erläuterung:

Die Spezialvarianten verdrängen insoweit den Anwendungsbereich des umschlossenen Raumes.

Beispiele:

Die Definition spricht an sich für sich selbst, beispielsweise kann hier aber das Bürogebäude oder das Büro der Autohausfiliale genannt werden.

2) Tatmodalitäten

Als nächstes sollen die Tatmodalitäten erörtert werden.

a) Einbrechen

Als erstes spricht der Gesetzgeber vom Einbrechen.

Definition:

Hierunter versteht man das gewaltsame Öffnen von Umschließungen, welche dem Eintritt in den Raum entgegenstehen.

Erläuterungen:

Der Täter muss eine nicht ganz unerhebliche und dem Hindernis angemessene Anstrengung aufbringen, jedoch ist eine Substanzverletzung nicht nötig. Es ist nicht nötig, dass der Täter den Raum betritt. Es genügt vielmehr auch schon ein Hineinlangen oder ähnliches. Elementar ist aber, dass es einbrechen und nicht ausbrechen heißt. Bricht also ein Dieb die Tür auf, um mit der Beute das Haus zu verlassen, so ist die Vorschrift nicht einschlägig. Hat der Täter sich den Zugang verschafft, ist die Norm erfüllt.

Beispiele:

Beispiele sind das aufbrechen der Tür, das herunterdrücken eines Lüftungsfensters, das Aufdrücken einer Tür, die nicht sicher verschlossen ist durch einige Kraft, Auseinanderbiegen von Toren, Ausheben von Fenstern

b) Einsteigen

Definition:

Eindringen bedeutet das Betreten des geschützten Raumes auf einem dafür regelmäßig nicht bestimmten Weg auf ungewöhnliche Weise oder unter Entfaltung einer gewissen Geschicklichkeit oder Kraft.

Erläuterungen:

Es ist kein Hinaufsteigen erforderlich. Es reicht auch ein hineinkriechen, wenn dadurch ein Hindernis überwunden wird, dass die Bauart oder ähnliches bildet. Auch schon innerhalb eines Gebäudes kann eingestiegen werden. Es ist nicht erforderlich, dass vom Freien aus agiert wird. Es ist aber erforderlich, dass ein Großteil des Körpers einsteigt. Es reicht nicht, dass ein Fuß in den umschlossenen Raum gelangt und auch nicht das Hineinlangen.

Beispiele:

Beispiele sind das Anlegen einer Leiter und betreten des Zimmers durch das geöffnete Fenster, das Hineinkriechen durch Dachluken, den Schornstein oder Kellerfenster, das Hindurchkriechen durch oder Hindurchbuddeln durch einen Zaun oder das Hindurchzwängen durch seine Lücken etc.

c) Eindringen

Definition:

Eindringen bedeutet das Betreten des Raumes ohne oder gegen den Willen des Berechtigten.

Erläuterung:

Erfüllt ist das Regelbeispiel aber nur, wenn das Eindringen unter Überwindung eines Schlosses mit Hilfe eines falschen Schlüssels oder schlüsselähnlicher Werkzeuge erfolgt. Das Merkmal ist daher nicht erfüllt, wenn der Täter zunächst mit der Erlaubnis des Berechtigten in einen Raum gelangt, ohne ein Schloss zu überwinden und aus diesem dann einen echten Schlüssel entwendet, mit dem er sich unbefugten Zutritt zu einem anderen Raum verschafft.

Durch Verwendung eines falschen Schlüssels

Möglich ist zunächst das Eindringen mit Hilfe eines falschen Schlüssels. Mit einem falschen Schlüssel überwindet der Täter das Schloss, wenn er es mit einem Schlüssel öffnet, der nach dem Willen des Berechtigten nicht oder nicht mehr zur Öffnung des Schlosses bestimmt ist. Ein Schlüssel kann also auch entwidmet werden, was aber einen nach außen hervortretenden Willen des Inhabers voraussetzt wie z. B. das Entdecken des Verlustes. Nach äußerlichen Umständen muss davon auszugehen sein, dass der Schlüssel nicht, noch nicht oder nicht mehr dazu bestimmt sein soll, ein Schloss zu öffnen. Berechtigter ist, wem die Verfügungsgewalt über den Raum zusteht. Ein Schlüssel ist jedes Instrument, das dem vom Berechtigten zum Öffnen des Schlosses benutzten ähnelt. Daher fallen hierunter nicht nur nachgemachte Schlüssel, sondern auch Instrumente die zumindest zum Teil elektronisch ein Schloss öffnen, wie etwa Karten oder Fernbedienungen bsp. bei Zentralverriegelung eines PKW oder einer fernbedienungsgesteuerten Garage.

Andere nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeuge

Der Täter kann auch mit Hilfe von anderen, nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeuge eindringen. Es handelt sich um solche, mit denen der Schließmechanismus ähnlich wie mit einem Schlüssel betätigt wird. Zerstört der Täter das Schloss oder bricht es auf, ist ein Einbrechen gegeben und nicht ein Eindringen im Sinne dieser Variante. Beispielhaft können der Dietrich oder andere Drähte, Schraubenzieher, Magnete, Pickwerkzeuge oder Haken genannt werden.

d) Verborgen halten

Bei dieser Variante handelt es sich um den sogenannten „Verweilensdiebstahl“.

Definition:

Das Merkmal ist erfüllt, bei jedem Sich-Verstecken in dem umschlossenen Raum in einer Weise, die den Täter den Blicken arglos Eintretender entzieht.

Erläuterung:

Wie der Täter genau in den Raum gelangte, ist gleichgültig, sofern er sich zum Tatzeitpunkt nur unerlaubt dort aufhält. Eine weitergehende Tarnung ist aber nicht erforderlich.

Beispiel:

Ein Klassiker ist der Ladenangestellte, der sich nach Geschäftsschluss weiterhin dort aufhält, um einen Diebstahl zu begehen. Nicht jedoch genügt, dass er auf seinem Platz sitzen bleibt und einfach übersehen wird, er muss sich verbergen. Letztendlich muss der Täter auch nicht etwas aus genau dem Raum stehlen, indem er sich verborgen hielt.

3) Zur Ausführung der Tat

Die gesamte Nummer 1 des § 243 I S. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter zur Ausführung des Diebstahls in den Raum einsteigt einbricht, sich verborgen hält usw. Der Täter muss also schon mit dem Willen vorgehen, einen Diebstahl zu begehen. Fasst der Täter diesen Entschluss erst im Anschluss, so ist das Regelbeispiel nicht verwirklicht. Die Tatmodalität muss dabei die Tat im Weiteren ermöglichen, das heißt der Täter kann auch in einen Raum einbrechen, um von dort aus in ein weiteres unverschlossenes Zimmer zu gelangen, um dort etwas zu stehlen. Der Täter kann auch vorhaben, den ganzen Raum zu stehlen wie etwa einen PKW oder eine Yacht. Ist der Täter eingedrungen, um eine Sache zu stehlen und trifft er diese nicht an und entwendet sodann eine andere Sache aus dem Raum, so ist dies nur bei vollständigem Vorsatzwechsel erheblich, beispielsweise, wenn der Täter im Prinzip enttäuscht wieder aus dem Raum herausgeht und damit den Diebstahlvorsatz aufgibt, dann aber plötzlich auf dem Rückweg doch noch eine Sache entdeckt, die er entwendet. Dann haben wir es mit einem vollständigen Vorsatzwechsel zu tun. Denn für diese Tat ist der Täter nicht eingebrochen und das Regelbeispiel ist nicht erfüllt. Bricht der Täter jedoch ein und findet die erwartete Sache nicht an, zu dessen Diebstahlzweck er einbrach und entscheidet sich dann, sogleich einige andere Sachen zu stehlen ist dies nach nach Ansicht der Rechtsprechung unerheblich und das Regelbeispiel ist erfüllt.

IV) § 243 I S. 2 Nr. 2

Im Folgenden soll die Vorschrift des § 243 I S. 2 Nr.2 StGBerläutert werden.

1) Verschlossenes Behältnis

Zunächst kann die Sache durch ein verschlossenes Behältnis gegen Wegnahme besonders gesichert sein. Der Oberbegriff dafür wäre erneut die andere Schutzvorrichtung, die die Sache gegen Wegnahme besonders sichert. Das Verhältnis der Alternativen dieser Norm ist also ähnlich wie das Verhältnis der Varianten des § 243 I S.2 Nr.1 StGB zueinander.

Definition:

Ein verschlossenes Behältnis ist ein Raumgebilde, das allein der Aufnahme von Sachen dienen und nicht zum Betreten durch Menschen bestimmt ist.

Erläuterung:

Im Gegensatz zum umschlossenen Raum ist das Behältnis gerade nicht etwa auch dazu bestimmt, von Menschen betreten zu werden. Der Haupttresor einer Bank fällt damit schon unter § 243 I S.2 Nr.1 StGB. Im Gegensatz zur Nr. 1 muss das Behältnis aber auch tatsächlich verschlossen sein. Dies ist der Fall, wenn es mit einer im Zweifel auch aktivierten Vorkehrung versehen ist, die der Öffnung und Wegnahme des Inhaltes entgegensteht. Es braucht kein Schloss vorhanden zu sein, das Behältnis kann vielmehr ebenfalls verschnürt oder vernagelt oder verklebt sein. Dies reicht aus. Steckt der Schlüssel im Schloss steht das der Annahme eines Regelbeispiels jedoch entgegen.

Für die Anwendung des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB ist es Voraussetzung, dass die Sache durch eine (andere) Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist. Daran fehlt es, wenn die Vorrichtung die Wegnahme nicht wesentlich erschwert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Schlüssel im Schloss steckt, daneben liegt oder sonst leicht erreichbar ist, BGH 1 StR 123/05 – Beschluss vom 20. April 2005 (LG Traunstein).

Beispiele:

Beispiele sind Kisten, Schmuckkassetten, Schränke, kleine Container oder auch der Kofferraum eines Kfz

2) Andere Schutzvorrichtungen gegen Wegnahme

Weiterhin kommen andere Schutzvorrichtungen gegen die Wegnahme in Betracht.

Definition:

Hierunter versteht man in Abgrenzung zum verschlossenen Behältnis alle Vorrichtungen, die eine Sache gegen Wegnahme sichern oder die Wegnahme erschweren, ohne sie zu umhüllen.

Erläuterung:

Nicht erfasst sind Sicherungen, die nur der Wiedererlangung einer Sache dienen.

Beispiele:

Beispiele hierfür sind unter anderem Lenkradschlösser, Wegfahrsperren, Alarmanlagen, nicht aber die Alarmsignale auslösende Markierung an Kleidung im Laden, da hier nur die Vollendung des Diebstahls und nicht die Wegnahme erschwert und verhindert werden soll.

2) Sicherung gegen Wegnahme

Die Sicherung muss gegen die Wegnahme vorhanden sein. Zur Sicherung gegen Wegnahme dient beispielsweise ein Verschnüren oder Verkleben dann nicht, wenn dadurch nur ein Zusammenhalten der Sachen ermöglicht werden soll, weil diese ansonsten auseinanderfallen würde. Die Vorrichtung muss also auch den Schutz der Sache bezwecken. Dient die Verschnürung etwa nur der Befestigung, so ist das Regelbeispiel ebenfalls nicht einschlägig. Grundstückszäune oder Mauern dienen nicht dem Schutz vor Wegnahme, sondern bilden vielmehr einen umschlossenen Raum im Sinne von § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB. Erwähnenswert ist, dass es ausreicht, dass der Täter die Sache mit samt ihrer Schutzvorrichtung entwendet.

V) § 243 I S. 2 Nr. 3

Der Täter kann auch gewerbsmäßig stehlen, um ein Regelbeispiel zu erfüllen.

Definition:

Gewerbsmäßig handelt, wer in der Absicht handelt, sich aus wiederholter Begehung eine fortlaufende Haupt- oder auch nur Nebeneinnahmequelle von nicht unerheblicher Dauer und einigem Umfang verschaffen will.

Erläuterung:

Es ist nicht nötig, dass die Erwerbsquelle deshalb besteht, weil der Täter die Sachen verkauft, vielmehr reicht es aus, dass er die Sachen behält. Ein kriminelles Gewerbe ist daher nicht erforderlich. Schon mit der ersten Tathandlung ist Gewerbsmäßigkeit gegeben, wenn der Täter ein solches Gewinnstreben aufweist. Die mehrfache Begehung aus Gewohnheit stellt nach hier vertretener Ansicht im Einzelfall einen unbenannten besonders schweren Fall des Diebstahls dar, wenn eine Gesamtwürdigung der Tat dies erfordert.

VI) § 243 I S. 2 Nr. 4

Aufgrund der geringen Klausurrelevanz wird der Abschnitt über Nr. 4 weniger ausführlich ausfallen.

Aus religiösen Gründen werden manche Sachen als besonders schutzwürdig angesehen, die in dieser Norm daher ihre Einbettung finden. Von der Norm sind auch Gebäude oder Räume erfasst, die der Ausübung fremder Religionen dienen und nicht nur der christlichen. Es muss sich daher nicht zwingend um eine Kirche handeln. Die Gegenstände, die dem Gottesdienst gewidmet sind oder der religiösen Verehrung müssen aus dieser Räumlichkeit gestohlen werden. Dabei ist ohne Bedeutung, ob der Diebstahl aus den Räumen erfolgt, die unmittelbar zu religiösen Handlungen bestimmt sind. Auch profane Räume innerhalb einer Kirche werden von der Vorschrift erfasst Es ist nicht nötig, dass die Tatobjekte geweiht oder gesegnet sind. Für die Feststellung einer eventuellen Geringwertigkeit sind nichtkommerzielle Aspekte auch mit einzubeziehen. Beispiele sind Christusbilder oder der Altar, der Weihwasserkessel etc.

VII) § 243 I S. 2 Nr. 5

Auf Grund der geringen Klausurrelevanz soll auch hier nur ein kurzer Überblick verschafft werden. Bei der Norm geht es um die allgemeine Erhaltung kultureller Werte, weshalb der Diebstahl von Sachen höher mit Strafe bedroht wird, wenn diese kulturell bedeutsam sind, aber allgemein zugänglich. Die Gegenstände müssen aufgrund ihrer leichten Zugänglichkeit quasi Schutzlos sein. In wessen Eigentum diese stehen, ist unerheblich. Wie bei der vorherigen Nummer ist nicht allein auf den allgemeinen Verkehrswert abzustellen, wenn es darum geht, die Wertigkeit festzustellen. Tatobjekte sind Sachen von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte sowie für die technische Entwicklung. Der Verlust der Sache muss den Bereich entweder wegen der Bedeutung oder auch des Wertes der Sache erheblich treffen. Ein Kriterium hierfür ist beispielsweise die Schwierigkeit einer eventuellen Wiederbeschaffung, jedoch ist dies nicht alleine ausschlaggebend. Aufgrund der fließenden Übergänge fällt eine klare Zuordnung wohl schwer. Es ist notwendig, dass sich die Sachen in einer allgemein zugänglichen Sammlung befinden oder öffentlich ausgestellt sind. Privatsammlungen sind nicht geschützt. Öffentlich ausgestellt ist eine Sache, die gerade um ihrer Besichtigung willen der Allgemeinheit zugänglich gemacht ist. Allgemein zugänglich sind Sammlungen, wenn sie für einen nach Zahl und Individualität unbestimmten oder für einen zwar bestimmten, aber nicht durch persönliche Beziehungen innerlich verbundenen, größeren Personenkreis geöffnet sind. Eintrittsgelder oder persönliche Voraussetzungen, die das Betreten erst gestatten, sind unerheblich. Beispielhaft für § 243 I S. 2 Nr. 5 StGB ist ein Diebstahl eines Oldtimers, der repräsentativ für die technische Entwicklung ausgestellt wurde.

VIII) § 243 I S. 2 Nr. 6

1) Die Notlagen

Die hier aufgeführten Notlagen, die Hilflosigkeit, der Unglücksfall und auch die Hilflosigkeit einer Person müssen für einen Diebstahl ausgenutzt werden. Ist die Variante der Hilflosigkeit gegeben, so muss die hilflose Person auch das Diebstahlsopfer sein. Die Möglichkeit des Selbstschutzes muss also reduziert sein. Das ist nicht schon bei sozialadäquatem Verhalten, wie beim Schlafen des Opfers der Fall, denn ansonsten würde der Tatbestand ausufern. In Betracht kommt aber eine Lähmung, eine Ohnmacht des Opfers oder das Bestehlen eines Blinden in Betracht. Auch starke Trunkenheit kann genügen.

Ein Unglücksfall ist hingegen ein plötzlich eintretendes Ereignis, das unmittelbar eine erhebliche Gefahr für Menschen oder Sachwerte auslöst. Ein Mitverschulden des Opfers an diesem ist irrelevant, jedoch ist fraglich, ob auch der Suizidversuch hierunter fallen kann. Beispielhaft für einen Unglücksfall ist der Verkehrsunfall oder das Ausbrechen eines Feuers. Gerade dieser Unglücksfall muss bewirken, dass das Opfer in seinen Selbstschutzmöglichkeiten beschränkt ist. Das ist nicht nur dann gegeben, wenn das Opfer des Unglücksfalles bestohlen wird, sondern auch, wenn eine Person dem Betroffenen hilft und sodann bestohlen wird. Nicht erfasst ist das Bestehlen von Schaulustigen.

Eine Gemeine Gefahr setzt eine Sachlage voraus, in der eine konkrete Gefahr für eine Vielzahl von Personen im Hinblick auf ihre Gesundheit oder ihr Leben oder eines erheblichen Schadens an bedeutenden Sachwerten besteht. Überschwemmungen, Fluten oder Stürme sind wohl die am häufigsten anzutreffenden Varianten. Die Situation der Gefahr muss auch hier zu einer Beschränkung der Schutzmöglichkeiten führen.

2) Das Ausnutzen

Das Ausnutzen erfordert, dass der Täter ganz zielgerichtet hierdurch den Diebstahl ermöglicht oder erleichtert. Er muss also nicht lediglich die Umstände kennen. Hat sich beispielsweise der Wohnungsinhaber wegen eines Unglücksfalles verletzt und musste ins Krankenhaus und nutzt der Dieb die Gelegenheit seiner Abwesenheit für den Diebstahl, ist das Regelbeispiel gewöhnlicher weise nicht einschlägig.

IX) § 243 I S. 2 Nr. 7

Grund der Straferhöhung ist hier die erhöhte Gefährlichkeit für Dritte die sich aus dem Diebesgut ergibt. In einer Ausnahme zu allen anderen Nummern hindert deswegen auch nicht eine Geringwertigkeit des Diebesgutes die Annahme eines Regelbeispiels. Im Einzelnen ist das Waffengesetz zur Hand zu nehmen, wenn die Norm in Betracht kommt und insbesondere die § 28 und § 1 IV WaffG sind zu prüfen. Trotz der Tatsache, dass § 243 nur von Handfeuerwaffen spricht, sind wohl alle Schusswaffen erfasst, gemäß § 1 II Nr.1 WaffG, die einer Erlaubnis bedürfen, also auch Schreckschusswaffen, Reizstoffwaffen, Signalwaffen und Federdruck- oder Luftdruckwaffen. Der Begriff Handfeuerwaffe lehnte sich insofern an die alte Fassung des Waffengesetzes an. Allerdings gerät man wegen des Wortlautes des § 243 StGB wohl noch in Konflikt mit dem Analogieverbot, weshalb der Gesetzgeber den Wortlaut schnellstmöglich ändern sollte.

Auch Waffen die selbst angefertigt wurden, fallen in den Normbereich. Die gestohlene Waffe muss nicht funktionstüchtig sein, allerding müsste man wohl eine Indizwirkung verneinen, wenn die Waffe auf Dauer nicht zu gebrauchen ist.

Beachten sollten Sie noch: Entwendet der Täter eine schussbereite Schusswaffe greift nach h. M. sogleich § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB ein.

X) Anmerkungen

Zur Ergänzung siehe auch den Aufsatz zu den Regelbeispielen sowie die Schemata zu § 242 StGB und § 244 StGB. Weitere Beiträge in den Kategorien StGB sowie Strafrecht.

siehe auch: mittlebare Täterschäft und Verbotsirrtum, Beihilfe, Diebstahl in mittelbarer Täterschaft, Error in persona und aberratio ictus, Aufbau ErlaubnistatbestandsirrtumPrüfschema Nötigung und Anstiftung

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Treuebruchtatbestand der Untreue

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Vorab: Für die meisten Studenten ist der § 266 I StGB mit seinen beiden Alternativen ein Buch mit sieben Siegeln. Dabei gehen die Merkmale des Tatbestandes wunderbar aus der Norm hervor und dank einiger Transferleistungen braucht man sich nicht mal viele neue Definitionen zu merken. Deshalb gehen wir hier Schritt für Schritt die vermeintlichen Probleme im Umgang mit der Untreue nach § 266 I StGB an. Am Ende werdet ihr für die Klausur auf Untreue hoffen – versprochen!

Die Untreue ist ein Sonderdelikt, ein sog. Pflichtdelikt. Tauglicher Täter kann daher nur sein, wer eine besondere Pflichtenstellung innehat.

 

I. Objektiver Tatbestand

1. Tathandlung

a) Vermögensbetreuungspflicht

drei Elemente müssen hier vorliegen:

aa) Geschäftsbesorgung für einen anderen

→ dies muss sich als eine wesensbestimmende Hauptpflicht darstellen, d. h. die Geschäftsbesorgung muss von Fremdnützigkeit geprägt sein. Ansonsten könnt ihr euch hier an der zivilrechtlichen GoA nach §§ 677 ff. BGB orientieren.

bb) mit einem Aufgabenbereich von einigem Gewicht

→ dies ist nach BGH anhand einer Gesamtschau zu beurteilen, wobei vor allem Art und Umfang der Tätigkeit, Dauer des Treueverhältnisses, Grad der Selbstständigkeit und ein eigener Ermessensspielraum des Täters Indizien sind. Arg:  Ohne diese einschränkenden Kriterien wäre die Strafbarkeit des § 266 I StGB zu ausufernd. So wäre grds. jede vorsätzliche zivilrechtliche Verletzung von Nebenpflichten i. S. d. § 241 II BGB strafbar. Das kann mit dem ultima ratio Charakter des Strafrechts jedoch nicht vereinbart werden.

cc)  einem gewissen Grad an Verantwortlichkeit für das fremde Vermögen

Bsp: Der Geschäftsführer eines Geschäfts, der die Gelder seines Chefs verwaltet und für die ordnungsgemäße Buchführung zu sorgen und Rechnungen zu begleichen hat, hat eine solche Pflicht inne. Aber auch der Vermieter bzgl. der Mietkaution des Mieters (falls ihr das nochmal vertieft nachlesen wollt: BGH Beschluss vom 2. 4. 2008 – 5 StR 354/07 ) oder der Rechtsanwalt hinsichtlich seiner Mandantengeldern (vgl. BGH 3 StR 276/03 – Beschluss vom 30. Oktober 2003).

→ Merke: Der BGH bejaht schneller das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht, wohingegen die Lit. (typischerweise) strengere Anforderungen stellt.

b) Pflichtverletzung

Jedes Zuwiderhandeln gegen diese Pflicht.

Hier wird der Unterschied zur ersten Alternative relevant: Während bei der ersten Alternative ein Missbrauch einer der Täter eingeräumten Befugnis stattgefunden haben muss, ist hier jedes tatsächliche Handeln ausreichend.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung: A ist Kassenwart des C-Vereins. Er verwaltet die Vereinseinnamen. Um sich seinen langersehnten Traum von einem Porsche Carrera zu erfüllen, entwendet er einen nicht unerheblichen Betrag aus der Vereinskasse und verwendet diesen als Anzahlung für seinen Traum.
Zunächst muss der Student die Missbrauchsalternative anprüfen. Allerdings wird er dazu kommen, dass A keine Befugnis verletzt hat. Der Vertrag bindet den Verein nicht und A hat diesen Vertrag nicht etwa im Rahmen seiner Position als Vereinskassenwart geschlossen. Etwas anderes käme dann in Betracht, wenn A einen Vertrag im Rahmen seiner rechtsgeschäftlich eingeräumten Vertretungsmacht geschlossen hätte. Dann würde der Verein trotz Überschreitens der Befugnis im Innenverhältnis rechtswirksam verpflichtet worden sein. Denn wie man aus dem BGB-AT und seinem Stellvertretungsrecht weiß: Das Risiko der Vertretung trägt der Vertretene.

Zudem lässt sich hier ein chronologisch früherer Anknüpfungspunkt festmachen: Das Entwenden ist als Anknüpfungspunkt ein rein tatsächliches Handeln. Es stellt weder eine Verpflichtung noch eine Verfügung dar, weshalb die 1. Alternative des § 266 I StGB ausscheidet.

Verneint der Student den § 266 I 1. Alt. StGB folgerichtig, gelangt er zwangsläufig zur Prüfung der 2. Alt. Hier muss er im Rahmen der Pflichtverletzung aufzeigen, warum diese Tathandlung einschlägig ist im Gegensatz zum Missbrauchstatbestand. Stichwörter sind hier in der Regel das rein tatsächliche Handeln oder die mangelnde Wirksamkeit der Verpflichtung oder Verfügung.

 2. Taterfolg: Nachteil

Achtung: Transferleistung → Der Nachteil wird wie der Vermögensschaden i. S. d. § 263 I StGB verstanden.

Danach ist ein Nachteil (wie eben auch der Vermögensschaden im Rahmen des § 263 I StGB) anhand eines objektiven Beurteilungsmaßstabes nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung unter Berücksichtigung einer etwaigen Schadenskompensation zu bewerten.

Bsp: A ist als Buchhalter bei B angestellt. Seit Längerem ärgert sich A über seinen Chef, der ihm nach seiner Meinung „jede Chance auf einen schon lange nötigen Aufstieg in der Firmenhierarchie“ verweigert. Um ihm eins auszuwischen, deaktiviert er den automatischen Lastschrifteinzug für ein paar monatlich anfallende Forderung zugunsten des Unternehmens des B. Die Forderung verjährt. Damit ist ein Nachteil zu Lasten des B eingetreten.

Hinweis: Anders als beim Betrug muss es dem Täter nicht darauf ankommen, dass er selbst einen Vermögensvorteil erhält. Dies ist nicht Voraussetzung für den Tatbestand der Untreue!

vgl. auch Leitsatz im Siemens-Fall: Schon das Entziehen und Vorenthalten erheblicher Vermögenswerte unter Einrichtung von verdeckten Kassen durch leitende Angestellte eines Wirtschaftsunternehmens führt zu einem endgültigen Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.

Sonderfällle:

Kein Nachteil liegt vor, wenn die Tathandlung selbst zugleich einen den Verlust aufwiegenden Vermögenszuwachs begründet. Dies ist z. B der Fall beim Freiwerden von einer Verbindlichkeit durch (weisungswidrige) Erfüllung einer Schuld.

An einem Nachteil fehlt es auch, wenn der verfügungsberechtigte Täter den Vermögensstand des Berechtigten pflichtwidrig mindert, aber jederzeit fähig und willens ist, aus eigenen flüssigen Mitteln die Vermögensminderung auszugleichen (BGHSt. 15, 42)

 

II. Subjektiver Tatbestand

Mindestens bedingter Vorsatz

III./IV. Rechtswidrigkeit und Schuld

 

V. Regelbeispiel iSd. § 266 II StGB

 

Anmerkungen

zu dieser Problematik: Klausur zur Untreue und Unterschlagung

siehe auch: mittlebare Täterschäft und Verbotsirrtum, Beihilfe, Error in persona und aberratio ictus, Aufbau Erlaubnistatbestandsirrtum, Prüfschema Nötigung und Anstiftung

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Treuebruchtatbestand der Untreue auf unserer Website Jura Individuell.

Missbrauchstatbestand der Untreue

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Vorab: Für die meisten Studenten ist der § 266 I StGB mit seinen beiden Alternativen ein Buch mit sieben Siegeln. Dabei gehen die Merkmale des Tatbestandes wunderbar aus der Norm hervor und dank einiger Transferleistungen braucht man sich nicht mal viele neue Definitionen zu merken. Deshalb gehen wir hier Schritt für Schritt die vermeintlichen Probleme im Umgang mit der Untreue nach § 266 I StGB an. Am Ende werdet ihr für die Klausur auf Untreue hoffen – versprochen!

Die Untreue ist ein Sonderdelikt, ein sog. Pflichtdelikt. Tauglicher Täter kann daher nur sein, wer eine besondere Pflichtenstellung innehat.

I. Objektiver Tatbestand

1. Tathandlung

Missbrauch der Verfügungs- bzw. Verpflichtungsbefugnis für ein fremdes Geschäft

a) Unter Missbrauch ist die Einhaltung des rechtlichen Könnens im Außenverhältnis unter Verletzung/Überschreitung des rechtlichen Dürfens im Innenverhältnis zu verstehen.

→ klassisches Beispiel für die Missbrauchsalternative des § 266 I 1. Alt. StGB ist der Prokurist. Dieser genießt nach § 49 I HGB fast uneingeschränkte Vertretungskompetenz. Wird seine Vertretungsmacht im Innenverhältnis auf bestimmte Geschäfte beschränkt, gilt dies daher nicht für das Außenverhältnis. Handelt er seiner, im Innenverhältnis erteilten, Weisung zuwider, wird der Geschäftsherr im Außenverhältnis daher dennoch wirksam verpflichtet.

Fall:

Prokurist P ist angestellt bei der A-GmbH. Die Prokura ist ordnungsgemäß im Handelsregister eingetragen. Im Innenverhältnis hat P die Weisung erhalten, bei Geschäften, die ein Volumen von mehr als 50.000 Euro haben, mit dem Geschäftsführer Rücksprache zu halten bis er sein „okay“ erhalten hat. Jedenfalls darf er laut der Vereinbarung, die im Innenverhältnis geschlossen wurde, solch ein Geschäft nicht ohne Erlaubnis nach vorheriger Rücksprache vornehmen. Als P mit dem Geschäftsmann G verhandelt, der ihm ein „gutes Angebot“ macht, das er ihm aber erst ab einer Verkaufsmasse von 60.000 Euro machen könne, wittert P ein gutes, einmaliges Angebot für die A-GmbH und unterschreibt den Vertrag mit G. Da die im Innenverhältnis erteilte Beschränkung für das Außenverhältnis nicht gilt (§ 50 Abs.1 HGB), hat P die GmbH wirksam vertreten. Dabei hat er sein rechtliches Können im Außenverhältnis eingehalten, dabei jedoch sein rechtliches Dürfen im Innenverhältnis verletzt.

b) fremdes Vermögen

Dies beurteilt sich vorwiegend nach dem bürgerlichen Recht. Fremd ist das Vermögen daher dann, wenn es nicht dem Täter allein zuzurechnen ist (BGHSt 1, 186, 187).

Bsp: A verschenkt an seine heimlich Angebetete C den Palandt, den er sich von B ausgeliehen hat. Der Palandt war für A fremd.

c) Verfügung

Def.: – ist jede Änderung, Übertragung, Belastung oder Aufhebung einer Rechtsposition.

→ Achtung: Transferleistung: Hier wird die gleiche Definition verwendet wie bei § 816 BGB – merken!

Fall: A ist bei B angestellt. B kauft und verkauft in seinem Geschäft Antiquitäten. Als der Kunde K einen antiken Schrank sieht, wendet er sich an A und beide werden sich über den Kaufpreis einig (Kaufvertrag/ Verpflichtungsgeschäft). Ein paar Tage später holt B den Schrank ab. Mit dem Fortschaffen sind alle Voraussetzungen für eine wirksame Verfügung nach § 929 BGB erfüllt: Diese sind nämlich:

(1) Einigsein über die Eigentumsübergabe (zumindest zwischen dem rechtsgeschäftliche Vertreter des B,  A und dem K).

(2) Übergabe der Sache unter Aufgabe jeden Besitzrests durch den vormaligen Eigentümer.

(3) Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe.

(4) Der Veräußerer müsste Berechtigter gewesen sein.

Damit hat der vormalige Eigentümer seine Rechtsstellung verloren und K ist neuer Eigentümer des Schrankes geworden. Es ist eine Änderung der Rechtsposition eingetreten. A hat an K Eigentum übertragen, er hatte die dafür erforderliche Verfügungsbefugnis kraft Rechtsgeschäft mit B inne. Eine Verfügung i. S. d. § 929 BGB ist mithin gegeben. Ein Verfügungsgeschäft liegt vor.

> Achtung: Wichtig ist, dass die Verfügung rechtlich wirksam ist.

d) einen anderen verpflichtet

Def.: wer dessen Vermögen schuldrechtlich mit einer Verbindlichkeit belastet.

→ hier handelt es sich demnach um die Eingehung eines Verpflichtungsgeschäfts zulasten des Geschäftsherrn bzw. Geschädigten.

Fall: A ist bei B angestellt. B kauft und verkauft in seinem Geschäft Antiquitäten. Als der Kunde K einen antiken Schrank sieht, wendet er sich an A und beide werden sich über den Kaufpreis einig. Es wird ein schriftlicher Kaufvertrag aufgesetzt, aus dem der Betrag hervorgeht und dass der Schrank am ersten des Folgemonats zu K geliefert werden soll.

Durch den Kaufvertrag gem. § 433 BGB wurde B wirksam verpflichtet, dem K Besitz und Eigentum an dem Schrank zu übereignen. In dem Kaufvertrag ist daher ein Verpflichtungsgeschäft zu sehen. Der A hat den B wirksam verpflichtet. Damit wäre § 266 I 1. Alt. 2. Fall StGB einschlägig.

→ Merke: Es handelt sich bei diesen beiden Varianten (Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis)  innerhalb des Missbrauchstatbestandes um den Missbrauch durch Eingehung eines Verfügungsgeschäfts oder eines Verpflichtungsgeschäfts. Dabei kann zur Bestimmung, ob eine Verfügungs- oder eine Verpflichtungsbefugnis missbraucht wurde, auf den AT des BGB verwiesen werden. Ganz einfach durch einige Transferleistungen zu subsumieren, oder?

2. Vermögensbetreuungspflicht (VBP)

Vorab: Strittig innerhalb des Missbrauchstatbestandes ist die Frage, ob auch hier eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht bestehen muss. Hier geht es im Kern um das systematische Verhältnis der 1. Alternative zu dem Relativsatz gem. § 266 I 2. HS.

Dabei hält eine Ansicht die beiden Alternativen für selbstständige Tatbestände und möchte die VBP daher nur für den Treuebruchtatbestand anwenden. Die hM und Rspr. sehen die Missbrauchsvariante als speziellen Unterfall der Treuebruchvariante und verlangen daher eine Vermögensbetreuungspflicht (dieser Ansicht sollte in der Klausur auch gefolgt werden).

Denn nur so sei die Ausuferung der Strafbarkeit nach § 266 I StGB zu vermeiden. Zudem spricht die Notwendigkeit einer Modalitätenäquivalenz innerhalb des § 266 StGB dafür. Als Wortlautargument wird hervorgebracht, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass der Wortlaut des Relativsatzes sich nur auf die 2. Alternative beziehe.

Voraussetzungen:

drei Elemente müssen hier (gedanklich) geprüft werden:

a) Geschäftsbesorgung für einen anderen

→ dies muss sich als eine wesensbestimmende Hauptpflicht darstellen, d. h. die Geschäftsbesorgung muss von Fremdnützigkeit geprägt sein.

b) mit einem Aufgabenbereich von einigem Gewicht

→ dies ist nach BGH anhand einer Gesamtschau zu beurteilen, wobei vor allem Art und Umfang der Tätigkeit, Dauer des Treueverhältnisses, Grad der Selbstständigkeit und ein eigener Ermessensspielraum des Täters Indizien sind. Arg:  Ohne diese einschränkenden Kriterien wäre die Strafbarkeit des § 266 I StGB zu ausufernd. So wäre grds. jede vorsätzliche zivilrechtliche Verletzung von Nebenpflichten iSd. § 241 II BGB strafbar. Das kann mit dem ultima ratio Charakter des Strafrechts jedoch nicht vereinbart werden.

Bsp: Die Sekretärin, die sich sonst nicht um die Buchführung kümmert, hat keine solche Pflicht inne, wenn sie einmalig von ihrem Chef gebeten wird, eine Überweisung zu tätigen. Ebenso wenig wird man das von einem Lagerarbeiter annehmen können, der einmalig dem Kunden einen Verkaufsgegenstand aushändigt, weil der Geschäftsführer, der sonst für diese Aufgaben zuständig ist, nicht vor Ort ist.

c) und einem gewissen Grad an Verantwortlichkeit für das fremde Vermögen

Bsp: Der Geschäftsführer eines Geschäfts, der mit den Geldern seines Chefs betraut ist und für die ordnungsgemäße Buchführung zu sorgen und Rechnungen zu begleichen hat, hat eine solche Pflicht inne. Aber auch der Vermieter bzgl. der Mietkaution des Mieters (vgl. BGH Beschluss vom 2. 4. 2008 (5 StR 354/07))  oder der Anwalt für seine Mandantengelder (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2003 – 3 StR 276/03) .

3. Taterfolg: Nachteil

Achtung Transferleistung:  Nach allgemeiner Ansicht wird für diese Voraussetzungen auf die Definition des Vermögensschadens iSd. § 263 I StGB verwiesen.

Danach ist ein Nachteil anhand eines objektiven Beurteilungsmaßstabes nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung unter Berücksichtigung einer etwaigen Schadenskompensation zu bewerten.

Bsp: A ist als Buchhalter bei B angestellt. Seit Längerem ärgert er sich über seinen Chef. Um ihm eins auszuwischen, deaktiviert er den automatischen Lastschrifteinzug für eine monatlich anfallende Forderung gegenüber einem Dritten. Die Forderung verjährt. Damit ist ein Nachteil zu Lasten des B eingetreten.

Hinweis: Anders als beim Betrug muss es dem Täter nicht darauf ankommen, dass er selbst einen Vermögensvorteil erhält. Dies ist nicht Voraussetzung für den Tatbestand der Untreue!

vgl. auch Leitsatz im Siemens-Fall: Schon das Entziehen und Vorenthalten erheblicher Vermögenswerte unter Einrichtung von verdeckten Kassen durch leitende Angestellte eines Wirtschaftsunternehmens führt zu einem endgültigen Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.

Sonderfällle:

Kein Nachteil liegt vor, wenn die Tathandlung selbst zugleich einen den Verlust aufwiegenden Vermögenszuwachs begründet. Dies ist z. B der Fall beim Freiwerden von einer Verbindlichkeit durch (weisungswidrige) Erfüllung einer Schuld.

An einem Nachteil fehlt es auch, wenn der verfügungsberechtigte Täter den Vermögensstand des Berechtigten pflichtwidrig mindert, aber jederzeit fähig und willens ist, aus eigenen flüssigen Mitteln die Vermögensminderung auszugleichen (BGHSt. 15, 42)

II. Subjektiver Tatbestand

Mindestens bedingter Vorsatz

III./IV. Rechtswidrigkeit/Schuld

V. Regelbeispiele gem. § 266 II StGB

 

Anmerkungen

zu dieser Problematik: Klausur zur Untreue und Unterschlagung

siehe auch: mittlebare Täterschäft und Verbotsirrtum und Beihilfe, Error in persona und aberratio ictus, Aufbau Erlaubnistatbestandsirrtum, Prüfschema Nötigung und Anstiftung

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Das Schema des Raubes gem. § 249 I StGB

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Dieser Artikel gehört als Teil 1/3 zu einer Artikelreihe, die sich hier mit dem Schema des Raubes befasst. Teil 2/3 besteht aus einem Schema der räuberischen Erpressung. Im Teil 3/3 wird die Abgrenzungsproblematik zwischen diesen beiden Tatbeständen dargestellt. Da der BGH den Raub als lex speciales zur Erpressung sieht, fängt er immer mit der Prüfung dieses Tatbestandes an. Wenn der Raub nicht offenkundig ausscheidet, sollte der Student daher auch mit dem Raub beginnen.

Der Raub mit seinen Qualifikationen und seiner Beziehung zur räuberischen Erpressung gem. §§ 253, 255 StGB ist in der juristischen Ausbildung, in Klausuren und Hausarbeiten sowie im Staatsexamen ein Dauerbrenner. In Berlin gehört er im ersten Staatsexamen regelmäßig zu „Prüfers Liebling“.

Denn der klassische Streit, in dem es um die Abgrenzung zwischen Raub und Erpressung geht, gehört zu den most wanted der Prüfer, die nicht müde werden, ihn immer und immer wieder abzuprüfen. Zurecht kann daher der Raub zu den TOP 10 – Tatbeständen des Strafrechts und damit zu den wichtigsten Problemfeldern des Strafrecht BT gezählt werden.

Weil der Raub weder in der juristischen Ausbildung, noch im Repetitorium und auch in der Examensklausur alleine behandelt wird, sondern immer im Zusammenhang mit der Erpressung werden wir ihn mit dem Schema zu §§ 253, 255 StGB darstellen und die wechselseitigen Beziehungen der beiden Tatbestände beleuchten.

A. Basics:

Beim Raub handelt es sich um ein sog. zweiaktiges Delikt. Das heißt, dass durch den vollendeten Raub sowohl ein Diebstahl gem. § 242 StGB als auch eine Nötigungskomponente nach § 240 I StGB verwirklicht werden muss. Fehlt es an einem objektiven Merkmal der beiden Delikte im Rahmen des Raubes, kann nur wegen Versuchs gem. §§ 22, 23 I 1. Alt., 12 I StGB bezüglich des Raubes bestraft werden und ggf. wegen vollendeten Delikts in Bezug auf den bereits verwirklichten Diebstahls oder der Nötigung.

Daraus ergeben sich zugleich auch die Rechtsgüter des Raubes. Diese sind neben dem Eigentum und Gewahrsam (an einer Sache) auch die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung. Ist der Raub verwirklicht, treten der Diebstahl und die Nötigung auf Konkurrenzebene im Wege der Spezialität zurück, während § 316a StGB zu §§ 249ff. StGB in Tateinheit steht.

B. Prüfungsschema kurz:

 I. Objektiver Tatbestand
1. fremde bewegliche Sache
2. Wegnahme
3. Qualifiziertes Nötigungsmittel
4. Finaler Zusammenhang zw. 2. und 3.
II. Subjektiver Tatbestand
1. Vorsatz bzgl. I. 1. – 4.
2. Zueignungsabsicht
III./IV. Rechtswidrigkeit/Schuld

C. Prüfungsschema mit Erläuterungen:

 I. Objektiver Tatbestand

1. fremde bewegliche Sache

Unter Sache versteht man jeden körperlichen Gegenstand i. S. d. § 90 BGB unabhängig von seinem Aggregatzustand (Joecks, StuKo, Vor § 242 Rn. 6).

Fremd ist eine Sache dann, wenn sie zumindest auch einem anderen als dem Täter gehört. Die Sache ist mit anderen Worten fremd, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht und nicht herrenlos ist.

Beweglich ist eine Sache, wenn sie potentiell fortgeschafft werden kann.

Dieses ersten Tatbestandsmerkmale führen in den wenigsten Fällen wirklich einmal zu Problemen. Diskutieren muss man diese Punkte, wenn der Täter fälschlich annimmt, dass es sich um eine fremde Sache handelt, dieser Gegenstand in Wirklichkeit jedoch ihm gehört.

Aber denkt daran, in Klausuren und gerade in strafrechtlichen Klausuren ist die größte Herausforderung ein gutes Timing. Man muss also von vornherein die richtigen Schwerpunkte setzen. Gerade bei Anfänger- aber auch bei Examensklausuren bringt dem Kandidaten ein ordentlich angewendeter Gutachtenstil einen Pluspunkt ein. Allerdings könnt und müsst ihr euch bei wirklich Unproblematischem unbedingt kurz fassen. Und die fremde bewegliche Sache ist in der Regel solch ein Kriterium. Nur bei wirklich atypischen Fallkonstellationen müsst ihr genau hinsehen und ein paar Worte mehr verlieren.

Beispiel: Alwin sieht bei Bruno eine Guetta-CD liegen. Er steckt sie heimlich in seinen Rucksack, weil er sie für das neue Nothing but the Beat-Album von David Guetta hält, das gerade aktuell erschienen ist. In Wirklichkeit hat er das One Love– Album von 2009 mitgenommen, dass er Bruno damals geliehen hat.

Das Verhalten entspricht einem untauglichen Versuch.

Schwieriger und schon fast rechtsphilosophisch wird es in Fallkonstellationen, bei denen der Täter illegale Drogen einem Dritten entwendet. Wem gehören die Drogen bzw. kann man an illegalen Drogen überhaupt Eigentum erwerben?

Zur Fallkonstellation siehe: Famos Filmdosenfall_HU_Prof.Marxen

2. Wegnahme

  •  Hier wäre in der Fallbearbeitung  erstmalig die Abgrenzung zur Erpressung vorzunehmen.
  • Wer sagt, dass das Jurastudium stupides Pauken von Definition ist, hat das Studium der Rechtswissenschaft nicht verstanden. Allerdings gibt es in der Tat Definitionen, die man einfach beherschen muss. Das erwarten Korrektoren in schriftlichen und mündlichen Prüfungen gleichermaßen. Bei der Definition der Wegnahme ist so ein Fall gegeben. Auch wenn man nachts aus dem Schlaf gerissen wird, muss man diese Defintion gebetsmühlenartig aufsagen können. Daher an dieser Stelle nochmal:

Unter Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams zu verstehen.

Wobei Gewahrsam verstanden wird als die natürliche Sachherrschaft einer Person über eine Sache, die von einem natürlichen Gewahrsamswillen getragen und nach der Verkehrsauffassung normativ bestimmt wird.

Gewahrsam unterscheidet sich vom Besitz dadurch, dass es sich bei Gewahrsam um eine rein tatsächliche Sachherrschaft handelt, während beim Besitz eine rechtliche Herrschaftsposition entscheidend ist.

Für eine vertiefte Wiederholung dieser Begrifflichkeiten, siehe schon bei juraindividuell:

3. Qualifiziertes Nötigungsmittel

Aus dem Gesetzestext ergeben sich zwei Nötigungsmittel: Zum einen kann der Täter den Raubtatbestand mit Gewalt gegen eine Person, zum anderen unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben verwirklichen.

→ Auch diese beiden Definitionen gehören zum unbedingten Stammrepertoire eines jeden Jurastudenten:

Unter Gewalt gegen eine Person versteht man körperlich wirkenden Zwang, der zumindest mittelbar auf eine Person einwirkt und nach der Vorstellung des Täters bestimmt (subjektiv) und geeignet (objektiv) ist, einen erwarteten oder geleisteten Widerstand zu überwinden oder unmöglich zu machen (BGHSt. 23, 126).

Beispiel: Theo nimmt Oskar in den Schwitzkasten und verlangt, dass Oskar ihm sofort seine Brieftasche übergibt. 

(Zum Gewaltbegriff  insbesondere der geschichtlichen Entwicklung bis zur Anerkennung der sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung durch das BVerfG erscheint in Kürze ein Fachartikel auf der Seite von juraindividuell.)

Drohung meint das in Aussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss zu haben vorgibt (in Abgrenzung zur bloßen Warnung, hier gibt der Täter nicht vor, Einfluss zu haben)

→ Hier wird der entscheidende Anknüpfungspunkt der beiden Tatmodalitäten deutlich. Nicht immer kann man genau definieren, ob der Einsatz von Gewalt oder eine Drohung vorliegt. In der Klausur sind beide Tathandlungen zu prüfen – Gutachten! Grundsätzlich gilt aber: Während die erste Modalität nur mit einem gegenwärtigen Übel begangen wird, wird bei der zweiten mit einem künftigen Übel gedroht.

Beispiel: Thorsten bedroht den Ole, er werde mit seinem Handy eine Bombe zünden, wenn der Ole ihm nicht das geforderte  Geld aushändigt. Hier handelt es sich um eine Drohung. vgl. dazu auch: Fall.

4. Finale Verknüpfung von 2. und 3.

Hier muss besonders Acht gegeben werden. Dieser Prüfungspunkt, den man als Unmittelbarkeitszusammenhang, Final(-itäts)zusammenhang oder auch als inneren Zusammenhang bezeichnet, stellt oft ein Fallbeil in der Klausur dar. Liegt eine finale Verknüpfung nicht vor, ist der Raub NICHT einschlägig.

Die Diskussion, ob hier Kausalität oder Finalität gegeben werden muss, ist wohl eher akademischer Natur. Nichtsdestoweniger muss die Unterscheidung verstanden werden.

Nach h. M. wird beim Raub Finalität vorausgesetzt, was nicht zuletzt an dem Wortlaut „unter Anwendung“ fest gemacht wird. Die Nötigung wird gerade zur Erzwingung der Wegnahme eingesetzt, d. h. dass es maßgeblich auf die Vorstellung des Täters und nicht auf einen Ursachenzusammenhang zwischen Nötigung und Wegnahme ankommt. Die Anwendung von Gewalt oder Drohungen darf somit nicht als bloße „Begleiterscheinung“ gelegentlich der Entwendung einer fremden Sache erfolgen, sondern sie muss darauf gerichtet sein, den Gewahrsamsbruch (oder die Gewahrsamsbegründung) durch Ausschaltung eines erwarteten oder geleisteten Widerstands zu ermöglichen oder wenigstens zu erleichtern.

Es ergeben sich daraus letztlich objektive und subjektive Momente des Finalitätszusammenhang: Objektiv muss ein enger zeitlich-räumlicher Zusammenhang bestehen, subjektiv muss der Täter aus seiner Sicht das Nötigungsmittel gerade zur Wegnahme einsetzen (so Hauburger, Life&Law 2010, S. 553).
Zudem kann diese Ansicht historisch untermauert werden. Denn der Gesetzgeber hat den Wortlaut trotz Kenntnis des Streits nicht geändert. Dass es zwischen der Wegnahmehandlung und dem Nötigungsmittel einen inneren Zusammenhang gibt, machen die Präpositionen „mit“ (Gewalt) oder „unter“ (Anwendung von Drohungen …) deutlich.

Konsequenz für die Versuchsstrafbarkeit: Fehlt es also an diesem Zusammenhang, liegt allenfalls ein (versuchter/vollendeter) Diebstahl gem. § 242 StGB vor und/oder je nach Fallkonstellation eine Nötigung gem. § 240 I StGB bzw. Körperverletzung.

Beispiel: Thiemo ist verliebt in Elvira. Als er sie mit seinem wohlhabenden Widersacher Otto aus dem Kino kommen sieht, überkommt ihn die Eifersucht. Er schlägt Otto derart ins Gesicht, dass dieser zu Boden geht. Dann erblickt er von dem auf dem Boden Liegenden das Portemonnaie, greift Otto in die Jackentasche und nimmt das prall gefüllte Portemonnaie. 

T hat hier zwar beide Voraussetzungen des objektiven Tatbestandes verwirklicht. Jedoch liegt die Wegnahmehandlung zeitlich nach dem Einsatz des Nötigungsmittels. Eine Finalität ist hier folglich nicht gegeben.

Konsequenz für die Versuchsstrafbarkeit: Der Täter muss für die Verwirklichung eines versuchten Raubes nicht nur zur Wegnahme ansetzen, sondern auch zum Einsatz des Nötigungsmittels angesetzt haben.

II. Subjektiver Tatbestand

1.Vorsatz bzgl. I 1. – 4.

2. Zueignungsabsicht

-> Hier ist oft eine Abgrenzung zur Erpressung vorzunehmen. Immer dann, wenn der Raub ausscheidet, weil auf der inneren Tatseite entweder keine Aneignungsabsicht vorliegt oder die Enteignungskomponente nicht bejaht werden kann, muss der Raub verneint werden und die Erpressung fortgesetzt werden.

Hier gilt das zum Diebstahl bereits Gesagte. Es gibt beim Raub keine Besonderheiten. Die Zueignungsabsicht setzt sich zusammen aus einer Aneignungs- und einer Enteignungskomponente. Dabei muss der Täter dolus directus I. Grades (Absicht) bzgl. der Aneignung haben und dolus eventualis bzgl. der  Enteignung haben.

Kleine Eselsbrücke: Wenn ihr häufig durcheinander bringt, wann welche Vorsatzform vorliegen muss, hier eine etwas untechnische, aber durchaus zuverlässige Eselsbrücke: Bei der A-neignung muss A -bsicht vorliegen, bei der E-nteignung muss dolus E -ventualis gegeben sein

III./IV. Rechtswidrigkeit/Schuld

Anmerkungen

siehe auch: mittlebare Täterschäft und Verbotsirrtum, Beihilfe, Error in persona und aberratio ictus , Aufbau Erlaubnistatbestandsirrtum, Prüfschema NötigungPrüfschema Nötigung und Anstiftung

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Das Schema des Raubes gem. § 249 I StGB auf unserer Website Jura Individuell.

Rechtsfolgenlösung BGH bei „atypischem Mord“

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I. Hintergrund:

Während innerhalb des Tatbestands des § 211 StGB vieles umstritten ist, weist die Rechtsfolgenseite eine scheinbar klare Losung auf:

Sogar der juristische Laie weiß „Auf Mord steht lebenslang (und nicht lebenslänglich)!

Das heißt in die juristische Sprache übersetzt, handelt der Täter objektiv und subjektiv tatbestandlich und erfüllt insbesondere eines der acht Mordmerkmale, stehen ihm keine Rechtfertigungsgründe zur Seite und ist sein Handeln zudem unentschuldigt, wird er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Es gibt für den Mord als schwerste Form der vorsätzlichen Tötung keine Privilegierung im Sinne des § 213 StGB, der ausweislich seines Wortlauts nur für den Totschläger i. S. d. § 212 StGB gilt. Auch die Strafzumessungsvorschriften der §§ 46ff. StGB sind für diesen Tatbestand grundsätzlich gesperrt.

Nun sind aber Situationen denkbar, bei denen die starre Rechtsfolge des § 211 I StGB sogar dem (kühnsten) Dogmatiker ein unwohles Gefühl bereitet. Ein solcher Fall soll im Folgenden vorgestellt werden:

II. Der sog. Onkelfall

Sachverhalt:

Nach BGH Beschluss vom 19. 05. 1981 ( BGHSt 30, 105 ff.):

Der Onkel des späteren Angekl. A drang in die Wohnung seines Neffen und seiner Ehefrau (im Folgenden: E)  ein und vergewaltigte die E unter Bedrohung mit einer Schusswaffe. Nach der Tat verschwieg sie das Ereignis, „löste sich jedoch innerlich vom Angekl.“ und unternahm unter dem Eindruck dieser Schmach einige Suizidversuche. Nachdem diese Versuche scheiterten, vertraute sich die E dem Angekl. an. Dieser war fassungslos. Nachdem er seinen Onkel in der darauf folgenden Zeit zufällig auf der Straße getroffen hatte und dieser sich mit der Vergewaltigung auch noch brüstete, wurde der Zorn des Angekl. und sein Ohnmachtsgefühl – auch in Anbetracht der Leiden seiner Frau – unerträglich groß. Er beschloss daher, seinen Onkel umzubringen. Er wusste, dass er den O in seinem Stammcafé würde antreffen können und machte sich mit einer Pistole ausgestattet auf den Weg. Wie erwartet, saß der O an einem Tisch und spielte mit drei Bekannten Karten. Der Angekl. grüßte seinen Onkel, der sich in diesem Zeitpunkt keines Angriffs auf sein Leben versah. Kurz darauf feuerte der Angekl. 14 – 16 Schuss auf seinen Onkel ab, der dabei tödlich getroffen wurde.

Zur Strafbarkeit des A.

Dieser Aufsatz soll die Entscheidung des Großen Senats nachvollziehbar aufbereiten. Didaktisches Ziel ist das tiefere Verständnis dieser methodischen Erweiterung zu fördern. Zudem soll auf die Schwierigkeiten einer reflexartigen Übertragung dieser Lösung anhand der sog. Haustyrannenentscheidung hingewiesen werden.

Hintergrund:

Aufgrund von Divergenzen in der Rechtsanwendung des § 211 StGB innerhalb der einzelnen Strafsenate hat der 4. Senat, der über den oben dargestellten Fall zu entscheiden hatte, dem Großen Senat folgende Rechtsfrage nach § 137 GVG vorgelegt:

„Ist im Hinblick auf die Entscheidung BVerfGE 45, 187 das Mordmerkmal der Heimtücke entgegen den Entscheidungen des Großen Senats für Strafsachen BGHSt 9, 385, und BGHSt 11, 139 zu verneinen, wenn der Täter zur Tat dadurch veranlaßt worden ist, daß das Opfer ihn oder einen nahen Angehörigen schwer beleidigt, mißhandelt und mit dem Tode bedroht hat, und die Tatausführung über die bewußte Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers hinaus nicht besonders verwerflich (tückisch oder hinterhältig) ist?“

Auf den Punkt gebracht, ging es um die Frage, ob der Tatbestand des § 211 StGB nicht ausnahmsweise doch bei atypischen Fallkonstellationen einzuschränken sei, um dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen.

In der oben zitierten BVerfGE ging es unter anderem darum, dass das Mordmerkmal der Heimtücke bei verhältnismäßiger, restriktiver Anwendung für sich allein genommen gerade nicht – trotz der lebenslangen Freiheitsstrafe – gegen das Grundgesetz verstoße.

Zudem steckte hinter den Leitsätzen der Entscheidung die Aufforderung an die strafrechtliche Lehre und den BGH, wegen der absoluten Strafdrohung, auf Tatbestandsebene zu einer stringenten Restriktion zu gelangen.

Der Große Senat verweist zunächst auf die vertretenen Lösungsansätze, die einen Spagat innerhalb des Spannungsverhältnisses zwischen dem klaren Gesetzeswortlaut und der Gereichtigkeit im Einzelfall vornehmen.

Ein Teil der Literatur präferiert hier die sog. Typen- oder Tatbestandskorrektur, wenn die Tötungshandlung aufgrund der Gesamtumstände und der Täterpersönlichkeit als nicht besonders verwerflich erscheint.

Auf der anderen Seite hat sich in der Literatur die Ansicht durchgesetzt, dass man zur Bejahung einer heimtückischen Begehung neben der Arg-und Wehrloigkeit auf Opferseite einen (verwerflichen) Vertrauensbruch auf Täterseite verlangt. Dieser Zusatz wird bisweilen in ständiger Rechtsprechung vom BGH ( BGH 1 StR 393/ 10 )  abgelehnt. Sie sei zu unbestimmt. Dieses Argument scheint nicht zu überzeugen, ist doch der Weg, den der BGH stattdessen geht, nicht weniger unbestimmt: Der BGH rekurriert stattdessen beim Heimtückemord auf eine feindliche Willensrichtung. Allerdings überzeugt ein weiteres Argument der Rspr. vollends: Mit dem Schutzzweck der Norm wird argumentiert, dass gerade der typischerweise unter das Merkmal der Heimtücke fallende Fall, nämlich der Auftragsmord, mangels irgendeines gearteten Vertrauensverhältnisses nach der Ansicht der Lit. niemals unter das Mordmerkmal der Heimtücke fallen würde. Und das würde der Intention des Gesetzgebers nicht entsprechen. Es erscheine „unerträglich“, dass ein „Überfall auf einen Ahnungslosen allein deshalb nicht als heimtückisch anzusehen (sei), weil Täter und Opfer bis dahin in keiner persönlichen Beziehung zueinander gestanden haben“. Dieses Argument überzeugt und sollte deshalb auch in Klausuren zur Verneinung der Literaturansicht führen.

Auch die Lehre der Typenkorrektur ereilt in der Auseinandersetzung des Großen Senats dasselbe Schicksal. Zu unbestimmt! urteilt der Senat und konstatiert, dass sie keine festen Maßstäbe für eine Beurteilung setze.

Wie man den Fall auch drehte und wendete nach allen Ansichten lag tatbestandlich eine heimtückische Begehungsweise i. S. d. § 211 II 2. Gruppe, 1. Var. StGB vor.

Nun, so führt der Senat weiter aus, seien aber Fallkonstellationen denkbar, in denen zwar tatbestandlich ein Mord vorliege. Dieser sich aber im Schuldmoment von der typischen Begehung unterscheidet. Sei es aufgrund der Atypik von Opfer und Täter oder aus anderen Gründen. Dafür führt der Senat beispielhaft eine Begehung durch die Belastung durch Provokation oder Konflikt an. Und formuliert weiter: „Aus dem Vorliegen solcher Schuldmomente erwachsen die „Grenzfälle„.“ Nun wurde für ebensolche Fälle eine „Vermeidungsstrategie“ gefahren, die dieser Besonderheit im Rahmen der inneren Tatseite Rechnung getragen hat, was auf große Kritik in der Lehre gestoßen ist. Denn dadurch wurde die Privilegierung des § 213 StGB, der ausweislich seines Wortlauts eben nur dem Totschläger zur Seite stehen sollte, unterlaufen.

Die Abkehr von der starren Konsequenz auf Rechtsfolgenseite konnte mittels Restriktion auf Tatbestandsebene daher nicht erreicht werden.

Auch der Versuch, auf Rechtswidrigkeits- und Schuldebene die Strafdrohung abzuwenden, führte im sog. Onkelfall nicht zu einem Ergebnis, das mit dem Judiz des Senats in Einklang stand. Denn gerade aufgrund der Atypik von Täter und Opfer und, damit eng verbunden, der Frage nach dem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des Täters wirkte die Strafandrohung unbefriedigend, das juristische Handwerkszeug unvollkommen.

Und so bediente sich der Große Senat eines Kunstgriffs der Gerechtigkeit: Er etablierte für sog. Grenzfälle Einzelfallgerechtigkeit über die sog. Rechtsfolgenlösung.

Dabei durfte nicht jeder Entlastungsmoment, der im Rahmen des § 213 StGB zu einer Privilegierung geführt hätte, diese Lösung zur Anwendung bringen.

Vielmehr kann das Gewicht des MM der Heimtücke nur durch Entlastungsfaktoren, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben, so verringert werden, daß jener „Grenzfall“ eintritt, in welchem die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestandlichen Unrechts wegen erheblich geminderter Schuld unverhältnismäßig wäre“.

Beispielhaft werden folgende Fälle ins Feld geführt: Durch eine notstandsnahe, ausweglos erscheinende Situation motivierte, in großer Verzweiflung begangene, aus tiefem Mitleid oder aus „gerechtem Zorn“ aufgrund einer schweren Provokation verübten Tat.

Das Kriterium ist in jedem Fall das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände, auf Grund welcher die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig erscheint.

Dieser Ansatz über die Rechtsfolgenseite führt nicht zu einer Anwendung des Strafrahmens des § 213 StGB, sondern zur Anwendung des Strafrahmens des § 49 I Nr. 1 StGB. Zudem weise er mehrere Vorteile im Gegensatz zu den bisher vertretenen Ansätzen auf:

Im Onkelfall beantwortete der Große Senat damit die vorgelegte Rechtsfrage wie folgt:

„(Sie) muß , so wie sie formuliert worden ist, (Anm. siehe Formulierung oben) verneint werden, weil die heimtückische Begehungsweise und damit der Mordtatbestand durch die vom 4. Strafsenat genannten Entlastungsmomente keine Änderung ihrer Voraussetzungen erfahren. Ihre Beantwortung ist jedoch auf die das Recht fortbildende und für den Vorlegungsfall wesentliche Aussage zu erstrecken, daß diese Entlastungsmomente, wenn sie das Gewicht außergewöhnlicher Umstände haben, auf Grund welcher die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafen als unverhältnismäßig erscheint, zur Anwendung des Strafrahmens des § 49 I Nr. 1 StGB führen.“

III. Der Haustyrannenfall

BGH, Urteil vom 25. März 2003 – 1 StR 483/02

Sachverhalt:

Auch hier war die Atypik von Opfer und Täter ähnlich gelagert wie im Onkelfall:

A war seit Jahren mit dem gewalttätigen und als Mitglied einer Rockerbande bekannten B verheiratet. Dieser terroisierte und misshandelte die A ununterbrochen. B macht auch vor den gemeinsamen Kindern nicht halt. Außerdem droht B der A, dass er und seine Rockerbande sie überall finden würden, würde sie abhauen oder sich von ihm trennen. Als B eines Abends zu Bett geht, beschließt die A, nachdem sie am Tag wieder Opfer ihres Ehemannes geworden ist, ihn im Schlaf zu erschießen. Mit acht Schüssen bereitet die A ihrem Ehemann ein Ende.

Wieder hatte eine Täterin fast lehrbuchartig den objektiven Tatbestand des heimtückischen Mordes erfüllt. Die mit dem Fall befasste Strafkammer wendet fast reflexartig die vom BGH begründete Rechtsfolgenlösung an.

Dem erteilt der BGH allerdings eine klare Absage. Er verwirft mitnichten seine Rechtsfolgenlösung, führt aber aus, dass eine intensive rechtliche Würdigung der gesetzlichen Strafausschließungs- und Strafmilderungsgründen nicht durch eine vorgezogene Anwendung der Rechtsfolgenlösung ersetzt werden darf.

Zunächst muss also auf Rechtfertigungsebene jeder denkbare Rechtfertigungsgrund erwogen werden. Die Notwehr gem. § 32 StGB kommt allerdings mangels Gegenwärtigkeit des Angriffs nicht in Betracht. Sodann muss auf Entschuldigungsebene nach allen möglichen Strafausschließungsgründen geforscht werden. Hier sah der BGH den § 35 StGB für beachtenswert. Zwar lehnte er die Anwendung des § 35 I StGB ab. Denn trotz Vorliegens einer Dauergefahr hätte die A sich der Hilfe Dritter, namentlich des Staates, bedienen müssen. Im Ergebnis fehle es damit an der anderweitigen Abwendbarkeit der Gefahr. Jedoch sei die Irrtumsregelung des § 35 II StGB einschlägig. Denn die A habe sich durch die Drohung ihres Ehemanns, sie werde nirgendwo sicher sein, in einer für sie ausweglosen Situation befunden.

Im Leitsatz der Entscheidung heißt es, „für die Straffindung ist eine etwaige obligatorische Milderung nach § 35 II, § 49 I Nr 1 StGB der Milderung wegen Vorliegens außergewöhnlicher Umstände beim Heimtückenmord vorgreiflich.

Damit stellt der Senat klar, dass die Rechtsfolgenlösung nur als ultima ratio herangezogen werden soll. Zunächst soll eine umfassende Subsumtion unter die Strafausschließungs- oder Strafmilderungsgründe, die das Gesetz vorsieht, vorgenommen werden.

IV. Fazit für den Studenten:

Natürlich wird von keinem eine so umfassende Darstellung über die Möglichkeiten der Umgehung der lebenslangen Freiheitsstrafe beim Heimtückemord verlangt. Allerdings kann eine solche Fallgestaltung mal Gegenstand einer Klausur oder Hausarbeit sein. Dann solltet ihr die Mahnung des BGH ernst nehmen und nicht gleich auf die Rechtsfolgenlösung zu sprechen kommen. Der Prüfer wird es – wie auch der BGH – zu schätzen wissen, wenn ihr euch zunächst umfassend mit anderen Strafausschließungs- und Strafmilderungsgründen befasst, um dann doch die Rechtsfolgenlösung heranzuziehen – wenn der Fall es hergibt.

Aber Vorsicht! Nicht mit der Reflexartigkeit, mit der das Tatgericht im Haustyrannenfall sich die Lösung zu eigen gemacht hat. Das kostete die Kammer die Rechtskraft ihres Urteils und euch im schlimmsten Fall wertvolle Punkte.

V. Anmerkungen

siehe auch: mittlebare Täterschäft und Verbotsirrtum, Beihilfe, Error in persona und aberratio ictus, Aufbau Erlaubnistatbestandsirrtum und Anstiftung

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Rechtsfolgenlösung BGH bei „atypischem Mord“ auf unserer Website Jura Individuell.


Das Schema der räuberischen Erpressung gem. §§ 253 I, 255 StGB

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Dieses Schema gehört alsTeil 2/3 zu einer Artikelreihe, die sich mit dem Raub in Teil 1/3 und der Abgrenzung der beiden Tatbestände in Teil 3/3 mit DEM Prüfungsklassiker im Strafrecht BT befasst.

Sowohl in Anfängerhausarbeiten als auch im Examen wird der Student immer wieder mit diesem „Evergreen“ des Strafrechts konfrontiert. Hier kann und darf man nicht auf Lücke setzen. Und je früher man die Problematik rund um diese beiden Tatbestände verstanden hat, desto schneller geht die Wiederholung in der Examensvorbereitung einem von der Hand. Zudem kann man an diesem Streitstand wunderbar die Auslegungsmethodik im rechtswissenschaftlichen Studium trainieren.

A. Prüfungsschema kurz:

I. Objektiver Tatbestand

1. Tathandlung

a) Gewalt gegen eine Person

b) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben

2. Taterfolg

Tun, Dulden oder Unterlassen

3. Vermögensverfügung (str.)→ Hier wird die Abgrenzung zum Raub vorgenommen.

4. Vermögensnachteil- Rechtswidrigkeit der Bereicherung (wenn der Täter einen Anspruch auf das Geld hatte, liegt kein Vermögensnachteil vor, weil der Schuldner hier im Gegenzug Befreiung von einer Verbindlichkeit erlangt)

5.  Evtl. Qualifikationen nach § 250 I, II StGB → diese gelten auch i. R. d. §§ 253, 255 StGB (dann schwere räuberische Erpressung)

 II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz bzgl. I 1.- 5.

2. Bereicherungsabsicht, auf einen rechtswidrigen Vermögensvorteil. Denkt der Täter er habe einen Anspruch auf Zahlung, unterliegt er einen nach § 16 I StGB relevanten Tatbestandsirrtum.

a) Stoffgleichheit

 III. IV. Rechtswidrigkeit/Schuld

C. Prüfungsschema des § 253 I StGB mit Erläuterungen:

I. Objektiver Tatbestand

1. Tathandlung

Tathandlung der Erpressung gem. § 253 I StGB ist (der Einsatz von) Gewalt. Wird Gewalt gegen eine Person eingesetzt, ist die Qualifikation aus § 255 StGB einschlägig

Damit ist unter § 253 StGB nur Gewalt gegen Sachen zu fassen.

Beispiel: Schutzgelderpressung. Die Täter A, B und C kommen in die Kneipe des O, der sich weigert, einen von ihnen vorgegebenen Betrag an sie zu zahlen. A, B und C randalieren dort und zerstören das Mobiliar (Schutzgelderpresserfall).

a) Gewalt gegen eine Person:

Wie im Teil 1/3 schon gezeigt, versteht man unter Gewalt körperlich wirkenden Zwang durch eine un-/mittelbare Einwirkung auf den Körper eines anderen, der nach der Vorstellung des Täters bestimmt (subjektiv) und geeignet (objektiv) ist, einen tatsächlich geleisteten oder erwarteten Widerstand von Seiten des Opfers zu überwinden oder unmöglich zu machen.

Beispiel: Der Schlag mit einem Baseballschläger auf den Kopf des Opfers, Würgen bis zur Bewusstlosigkeit, Einsperren in einen Keller als mittelbare Einwirkung auf das Opfer.

b) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben

aa) Drohung

Unter Drohung versteht man das (auch konkludente) Inaussichtstellen eines empfindlichen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Sonst handelt es sich nur um eine Warnung!

Beispiel: A droht, im Discounter A der Ladenkette A die Babynahrung zu vergiften. Es reicht nach h. M. für die Bedrohung aus, dass dem Erpressten die Bedrohung selbst als Übel erscheint.

Keine Drohung ist es, wenn die A gegenüber dem B erklärt, von C erpresst zu werden, weil C kompromittierende Fotos von A und B hat und diese veröffentlichen möchte, wenn A und B ihm nicht 50.000 Euro Schweigegeld dafür zahlen. A ist selber Opfer der Erpressung und gibt gegenüber B nicht vor, Einfluss auf die Veröffentlichung der Fotos zu haben. Sie erpresst B damit also nicht. C macht sich allerdings wegen Erpressung strafbar.

-> Für die Drohung ist übrigens alleine ausschlaggebend, ob nach der Tätervorstellung die Drohung den Anschein der Ernstlichkeit erweckt und vom Opfer als solche ernstgenommen wird. Es ist daher nicht von Belang, ob der Täter das Angedrohte auch auszuführen im Stande ist, solange er denkt, das Opfer glaube das Angedrohte und er vorgibt auf das Inaussichtgestellte Einfluss zu haben.

Beispiel: A droht mit einer zum Verwechseln echt aussehenden Pistole, dass er den Bankangestellten „kalt machen“ werde. Dass sich diese Drohung nicht umsetzen lässt, ist belanglos, solange der Täter nach seiner Vorstellung davon ausgeht, der Bankangestellte werde es glauben und entsprechend reagieren.

Gleiches gilt selbstverständlich auch für die Drohungsalternative beim Raub.

bb) mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben

Die in Aussicht gestellte Schädigung an Leib oder Leben muss bei ungestörter Weiterentwicklung der Dinge nach menschlicher Erfahrung sicher oder höchst wahrscheinlich zu erwarten sein, falls nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden (BGH NJW 1989, 167).

2. Taterfolg

Tun, Dulden oder Unterlassen

→ Man kann die Vermögensverfügung als selbstständigen Punkt prüfen, wie ich es hier zur Verdeutlichung unter 3. tue oder innerhalb des Nötigungserfolges die Frage aufwerfen, ob das Tun, Dulden oder Unterlassen eine Vermögensverfügung darstellt/darstellen muss.

→ Lasst euch nicht vom Schema beherrschen, sondern beherrscht das Schema. Das klingt erstmal abgedroschen, hat aber einen einfachen Sinn. Denn die Grundzüge einer Tatbestandsprüfung solltet ihr kennen, aber immer flexibel auf den genauen Fall anwenden. Wenn gerade dieser Punkt in der Fallbearbeitung problematisch erscheint, ist es sicherlich nicht falsch, hier ausführlicher vorzugehen. Ist ein Tatbestandsmerkmal mal unproblematisch gegeben und der Sachverhalt vollgefrachtet mit anderen Problemen, könnt ihr das Merkmal in einem Satz abhandeln. Wichtig ist, dass ihr dafür ein Gefühl bekommt, wann der Korrektor etwas ausführlicher behandelt wissen will. Auch hier gilt: Übung macht den Meister! Irgendwann hat man den Dreh raus.

3. Vermögensverfügung

Ob bei der räuberischen Erpressung überhaupt eine Vermögensverfügung gegeben sein muss, ist eines der umstrittensten Fragen des Strafrecht BT. Im Kern geht es um die Struktur des Tatbestandes der (räuberischen) Erpressung: Ist der Raub lex specialis zur (räuberischen) Erpressung oder ist er ein eigenständiger Tatbestand mit eigenständigem Anwendungsbereich, m. a. W. besteht zwischen Raub und räuberischer Erpressung ein Exklusivitäts- oder Spezialitätsverhätnis? Ein Klassiker, mit dem sich jeder Student wohl schon mal in einer Hausarbeit oder einer Klausur auseinandersetzen musste.

Klar kann man die Argumente für die eine oder die andere Seite nun einfach auswendig lernen. Didaktisches Ziel dieses Artikels ist es aber, sich die Argumentation anhand der Auslegungsmethodik selbst zu erarbeiten. Nun kann man mit der Rspr. zunächst anhand des Wortlautes der Vorschrift gegen eine Vermögensverfügung argumentieren. Weder explizit noch implizit wird von den Vorschriften §§ 253, 255 StGB eine Vermögensverfügung vorausgesetzt. Die Gegenansicht verweist (systematisches Argument) auf die „Artverwandtheit“ zum Betrug in § 263 I StGB. Auch hier geht aus dem Gesetzestext nicht explizit die Notwendigkeit des Vorliegens einer Vermögensverfügung vor.

Damit kann man zu einem weiteren systematischen Argument überleiten. Das Verhältnis zwischen Betrug und Diebstahl steht in einem Exklusivitätsverhältnis. Hier wird die Unterschiedlichkeit vor allem auf folgende Formel herunter gebrochen:

Beim Diebstahl handelt es sich um ein Fremdschädigungsdelikt, der Betrug hingegen ist ein Selbstschädigungsdelikt“.

Daraus ergibt sich ein Alternativverhältnis dergestalt, dass entweder ein Diebstahl, also eine Fremdschädigung, vorliegt oder ein Betrug, also eine (i. d. R unbewusste) Selbstschädigung. Gleiche Argumentation wendet die herrschende Lit. auch bei der hiesigen Abgrenzungsdiskussion an, mit der Konsequenz, dass dann für die Unterscheidung bei der (räuberischen) Erpressung eben auch eine Vermögensverfügung gegeben sein müsse, um die beiden Tatbestände in ihrer Funktion klar zu trennen. Sonst, so die Lit., gäbe es keinen funktionalen Unterschied in der Anwendung, womit die §§ 253, 255 StGB obsolet wären.

Ein sehr schönes und für die Praktiker unter den Examenskorrektoren zugleich praxisnahes Argument auf Seiten der Rechtsprechung ist ein kriminalpolitisches: So kann es sein, dass es zu Strafbarkeitslücken kommt, wenn aufgrund der mangelnden Zueignungsabsicht kein Raub vorliegt. Würde man das Verhältnis der § 249 I StGB und §§ 253 I, 255 StGB als exklusiv verstehen, würden letztere für die Strafbarkeitserwägung nicht in Betracht kommen. Dann bliebe allenfalls eine Nötigung bestehen. 

Neben dem kriminalpolitischen Argument führt die Rspr. noch einen weiteren Gedanken ins Feld: Bei der Erpressung § 253 StGB wird die Gewalt wort- und sinngleich verwendet wie bei der Nötigung gem. § 240 I StGB. Bei der Nötigung wird Gewalt aber sowohl in Form von vis compulsiva als auch in Form von vis absoluta (zur Unterscheidung der beiden Formen schaut euch Teil 3/3 der Artikelreihe an. Hier wird auf die Begriffe und Bedeutungen eingegangen) verstanden. Folgte man nun der herschenden Lit., die die Gewalt bei § 253 I StGB enger fassen möchte, würden die wortgleichen Tathandlungen künstlich unterschieden. Dies scheint aber nicht den teleos der Norm zu entsprechen.

Wie ihr euch bei diesem Streit letztlich in der Klausur entscheidet, ist im besten Sinne des Wortes gleichgültig. Klar, denn beide Seiten haben gute und gewichtige Argumente für sich. Ihr müsst diesen Streit verstehen und euch mit beiden Ansichten auseinandersetzen und vor allem mit den Konsequenzen vertraut machen. Aber ansonsten könnt ihr in der Klausur taktisch vorgehen. Ihr müsst euch überlegen, ob dies ein wesentlicher Schwerpunkt ist oder im SV noch andere Probleme angelegt sind, die eine längere Bearbeitung erfordern.

-> Dafür ist übrigens auch für „die Checker“  unter euch eine Lösungsskizze in jedem Fall unausweichlich. Ich habe das auch immer für überbewertet empfunden, weil ich dachte, die besten Einfälle kommen mir sowieso während des Schreibens. Das mag auch eventuell für Anfängerklausuren gelten, aber der Umfang einer Klausur ist nicht zu unterschätzen. Gerade um eine hohe Punktzahl zu erzielen, sollte man alle Hinweise am Wegesrand auflesen, sie in der Lösungsskizze nach Wichtigkeit und Zusammenhang sortieren und verwerten. Fatal wäre es, wichtige Ideen im Schreibfluss zu vergessen. Im schlimmsten Fall führen verspätete Einfälle zu Querverweisungen des Prüflings, die dann sehr wirr wirken und dem Korrektor ermüden und missstimmen. Eine gute Lösuungsskizze ist dagegen schon mal die halbe Miete. Das habe ich am Anfang meines Studiums an eigenem Leib erfahren müssen.

 4. Vermögensnachteil

Der Vermögensnachteil ist wie der Vermögensschaden beim Betrug und der Vermögensnachteil bei der Untreue zu prüfen. Es ist also ein Vergleich der beiden Vermögenslagen vor und nach der Verfügung anhand den Prinzipien der Gesamtsaldierung unter Berücksichtigung einer etwaigen Schadenskompensation vorzunehmen.

II. Subjektiver Tatbestand

 1. Vorsatz bzgl. I. 1.-5.

Vorsatz meint das Wollen der Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller objektiven Tatumstände. Hier genügt dolus eventualis. 

 2. Bereicherungsabsicht

Die Bereicherungsabsicht ist genau wie beim Betrug nach § 263 I StGB zu verstehen (st. Rspr. BGH 4 StR 502/10 Rn. 27; BGH NJW 1988, 2623). Daher müssen auch hier zwischen Vermögensschaden und dem –vorteil sog. „Stoffgleichheit“ bestehen. Zudem muss die beabsichtigte Bereicherung rechtswidrig sein. Der Täter darf also keinen fälligen und einredefreien Anspruch haben. Glaubt der Täter einen einredefreien Anspruch zu haben, unterliegt er einem Tatumstandsirrtum i. S. d. § 16 I 1 StGB.

Beispiel: A, B und C randalieren wieder in der Kneipe des O. Sie zerstören das Mobiliar. Sie wollen ihn aber nur verärgern und sich amüsieren. Hier fehlt es an der Absicht der Täter, sich rechtswidrig bereichern zu wollen. Sie wollen nur aus „Spaß an der Freud“ randalieren, ohne sich dabei Vermögenswerte zueignen zu wollen.

III./IV. Rechtswidrigkeit/Schuld

Anmerkungen

siehe auch: mittlebare Täterschäft und Verbotsirrtum, Beihilfe, Error in persona und aberratio ictus, Aufbau Erlaubnistatbestandsirrtum, Prüfschema Nötigung, Prüfschema Nötigung  und Anstiftung

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Das Schema der räuberischen Erpressung gem. §§ 253 I, 255 StGB auf unserer Website Jura Individuell.

Abgrenzung Raub und räuberische Erpressung

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Die Argumente zum Streitstand zwischen Rechtsprechung und herrschender Lehre 

Dieser Artikel gehört als letzter Teil zu der dreiteiligen Artikelreihe, in der den Studenten das Klassikerthema des Strafrecht BT Schritt für Schritt vorgestellt wird. Die Schemata von Raub und räuberischer Erpressung in den ersten zwei Teilen sollen dem Studenten den Prüfungsläufer der beiden Tatbestände noch mal verdeutlichen. Hier geht es nun um den Standardstreit im Rahmen der beiden Straftatbestände.

I. Relevanz:

Zunächst stellt sich die Frage, an welcher Stelle dieser Streit eine Rolle spielen kann. Karteikartenwissen losgelöst vom konkreten Fall führt oft dazu, dass man als Korrektor von Klausuren einen minutiös auswendig gelernten Meinungsstreit präsentiert bekommt, der aber nicht auf den konkreten Fall Bezug nimmt und/oder schlimmstenfalls an falscher Stelle auswendig hinunter gebetet wird.

Um dies zu vermeiden, möchten wir euch zunächst die Stellen im Aufbau aufzeigen, wo dieser Streit einmal eine Rolle spielen kann und unter Umständen entschieden werden muss.

II. Abgrenzung anhand der Tathandlung:

 

Beispiel: A beobachtet vor der Bank, wie der B gerade aus einem Bankomaten Scheine entnimmt und in seine Tasche steckt. Als er vor die Bank tritt, schlägt der A dem B ins Gesicht. B geht bewusstlos zu Boden.

Die Abgrenzung der beiden Tatbestände ist zunächst an den jeweiligen Tathandlungen vorzunehmen:

1. Wegnahme

Bei Raub liegt nach h. M. eine Wegnahme vor, während bei der Erpressung ein Weggeben als Tun, Dulden oder Unterlassen vonnöten ist.

Wiederholung: Unter Wegnahme versteht man den Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendig tätereigenen Gewahrsams.

Hier fangen die unterschiedlichen Auffassungen dann aber schon an:

Während die Rspr. eine Unterscheidung nach dem äußeren Erscheinungsbild vornehmen möchte, also „Wie wirkt das Verhalten von Täter und Opfer für einen außenstehenden Dritten?“

stellt die h. Lit. auf die innere Willensrichtung des Opfers ab, also auf die Sicht des Opfers. Denkt das Opfer „Ich muss dem Täter die Sache so oder so überlassen und habe keine andere Möglichkeit“, ist eine Wegnahme einschlägig. Denkt das Opfer hingegen, es habe eine irgendwie geartete Wahlmöglichkeit mitzuwirken, handelt es sich um eine Weggabe (Mitwirkungsakt des Opfers).

  • Einfach ist die Unterscheidung auch, wenn der Täter Gewalt gegen Sachen ausübt. Dann scheidet ein Raub aus. Im Gutachten ist mit der Erpressung  fortzufahren.

Liegt eine Wegnahme vor, ist nach beiden Ansichten eine Tathandlung i. S. d. § 249 I StGB gegeben.

Im Beispiel hat der A den B mit Gewalt in Form der vis absoluta zu Boden gestreckt, um an die Geldscheine zu kommen. Es liegt unstreitig eine Wegnahmehandlung vor.

Nun handelt es sich in einer Klausur ja um ein Gutachten. Deshalb müssten alle  weiteren Tatbestände, die in Betracht kommen, geprüft werden. Demnach müsste nun auch mit der räuberischen Erpressung gem. §§ 253 I, 255 StGB fortgefahren werden.

Vorweg: Im Ergebnis ist der Streit dann gegenstandslos, wenn eine Wegnahme nach beiden Ansichten gegeben ist. Schlussendlich lässt die Literatur die räuberische Erpressung dann auf Tatbestandsebene ausscheiden, da nach ihrer Ansicht die beiden Tatbestände derart in einem Exklusivitätsverhältnis stehen, dass bei Wegnahme unter keinen Umständen eine Vermögensverfügung durch das Opfer i. S. d. § 253 I StGB gegeben ist.

Und auch die Rspr. lässt die räuberische Erpressung auf Konkurrenzebene als Grunddelikt zurücktreten. Es bleibt also auch nach Ansicht der Rspr. bei Vorliegen beider Tatbestände nur der Raub als Spezialfall der §§ 253 I, 255 StGB bestehen. Aber nur in dieser Konstellation kommt es praktisch auf den Streit nicht an. 

 

2. Vermögensverfügung in § 253 I StGB 

An diesem Merkmal werden die unterschiedlichen Rechtsansichten bzgl. der Auslegung der beiden Tatbestände regelmäßig am deutlichsten. Wenn man der h. M. in der Literatur folgt, ist der objektive Tatbestand jedoch wie oben dargestellt von vornherein bei einer Wegnahme nicht gegeben, da es bei einer Wegnahme nicht zu einer (freiwilligen) Vermögensverfügung kommen kann. Entgegen dieser Ansicht bejaht die Rspr., die auf eine Vermögensverfügung ausdrücklich verzichtet, mit dem Wortlaut des § 253 StGB auch hier den objektiven Tatbestand, indem sie in jeder Wegnahme auch eine Duldung der Wegnahme erblickt. Die Rechtsprechung lässt jede schlichte Kausalität der Gewalt für einen Vermögensschaden ausreichen (Joecks, StuKo, § 255 Rn. 5).

Exkurs:                                                                                                                                                                                                                                    

Die h. M. in der Literatur würde in unserem Beispielsfall schon aus einem anderen Grund die Vermögensverfügung nicht bejahen. Der Täter hat vorliegend  vis absoluta angewendet. Bei vis absoluta wird die Willensbetätigung unmöglich gemacht, weshalb eine Vermögensverfügung ausscheidet. Das wird unter III. vertieft behandelt. 

 

Heftig umstritten ist damit die Frage, welche Qualität das abgenötigte Verhalten bei § 253 I StGB aufweisen muss. Ob jedes schlichte Unterlassen, Tun oder Dulden (und damit das Dulden der Wegnahme) ausreicht, wie die Rspr. konstatiert oder ob darin vielmehr eine Vermögensverfügung von Seiten des Opfers, die einen Vermögensschaden verursacht, liegen muss. Gerade deshalb scheidet nach der Lit. bei einer Wegnahme der objektive Tatbestand aus. Denn hier liegt gerade keine vom Opfer veranlasste „freiwillige“ Vermögensverfügung vor.

Begründet wird dies unter anderem mit einem systematischen Argument. Denn dem Charakter des § 253 nach, handelt es sich um ein Selbstschädigungsdelikt im Gegensatz zum Raub der charakteristisch ein Fremdschädigungsdelikt darstellt, (vergleichbar der Abgrenzung §§ 242/263).

Untermauert wird die Ansicht mit einem weiteren systematischen Argument, das man in dem Zusammenhang auch immer liest, nämlich, dass es im StGB einmalig wäre, wenn das Grunddelikt in seiner Rechtsfolge auf das Spezialdelikt verweisen würde.

Darüber hinaus, so die Lit., werde die ratio legis des § 253 I StGB von der Rspr. missgedeutet. Der § 253 StGB privilegiere denjenigen Täter, der nicht in Zueignungsabsicht handele. Privilegiert wird also, dass der Täter „nur“ eine Gebrauchsanmaßung mithilfe der Nötigungsmittel Gewalt oder Drohung erreichen will.

Beispiel: Anton ist chronisch pleite. Er hat aber ein Date mit der überaus attraktiven und wohlhabenden Clara. Als er seinen Nachbarn Bernd sieht, der gerade aus seinem roten Porsche steigt, streckt er ihn gekonnt nieder, um mit dem Porsche davon zu brausen und bei Clara Eindruck zu schinden. Nach dem Date mit der schönen Clara, bei dem sowieso mehr geknutscht und weniger Benzin verbraucht wurde (also kein wesentlicher Wertverlust eingetreten ist), fährt er das Auto dem Bernd wieder in seine Garageneinfahrt.

Anton hat ein Nötigungsmittel eingesetzt, um dem Bernd den Porsche wegzunehmen. Nach allen Ansichten ist damit der objektive Tatbestand eines Raubes gegeben. Nun wollte der A das Auto zwar vorübergehend nutzen, den Eigentümer aber nicht dauerhaft aus seiner Position verdrängen. Es fehlt mithin am Enteignungsvorsatz und damit am Vorliegen eines Raubes. Nun kann der A von der Rspr. dennoch wegen Erpressung gem. § 253 I StGB belangt werden. Die Lit. sieht darin eine unzulässige Umgehung der Wertung des Gesetzgebers. Danach bliebe eine KV und unter Umständen eine Bestrafung wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs bestehen. Darin sieht die Rspr. wiederum in kriminalpolitischer Sicht eine Diskrepanz zwischen der Schwere der Tat und der Bestrafung. Es sei auch nicht einzusehen, warum die Zufälligkeit in der Differenzierung der Tatmodalitäten (Weggabe oder Wegnahme) darüber entscheiden soll, ob der Täter wegen Erpressung bestraft werden kann.

 

III. Abgrenzung nach der Form der Gewaltanwendung: vis absoluta und vis compulsiva

Unter Gewalt versteht man physisch vermittelten Zwang, der beim Opfer un-/mittelbar körperlich wirkt und nach der Vorstellung des Täters einen tatsächlich geleisteten oder erwarteten Widerstand überwinden soll.

Nun gibt es zwei Arten wie Gewalt ausgeübt werden kann: Vis absoluta als willensausschließende Gewalt, die Willensbildung & -betätigung des Opfers unmöglich macht. Und vis compulsiva: Die willensbeugende Gewalt, die Willensbetätigung & Willensentschluss des Opfers in eine bestimmte Richtung lenkt.

Nach h. Lit. kommt bei Gewalt in Form von vis absoluta von vornherein keine Anwendung der §§ 253 I, 255 StGB in Betracht. Das ist für deren Verständnis folgerichtig, denn bei vis absoluta handelt es sich um eine überwältigende, „willensbrechende“ Gewalt. Hier wird dem Opfer die freie Willensbetätigung oder Willensbildung absolut unmöglich gemacht. Das Opfer verliert jede Möglichkeit überhaupt zu handeln. Diese Gewaltform lässt nach h. Lit. die räuberische Erpressung bei dieser Art von Gewalt deshalb entfallen, weil sie jede Art von freier Willensentschließung, mithin von Vermögensverfügung durch das Opfer, unmöglich macht. Die Unterschiede dieser beider Formen soll anhand einiger

Beispiele verdeutlicht werden: Vis absoluta: Anton sperrt die Bea in ihr Wohnzimmer, um im Arbeitszimmer an den Tresor zu gelangen. Theo schlägt Otto zielsicher auf den Solarplexus, so dass dieser bewusstlos zusammenbricht. Vis compulsiva: Oskar wird von Thomas in den Schwitzkasten genommen, damit Oskar die Zahlenkombination seines Safes verrät; Wüterich Andreas will seinen Pkw in einen Parkhafen manövrieren. Aus dem Nichts rennt Bine in die Lücke, um ihm zu bedeuten, dass sie diese Parkmöglichkeit für ihren heranfahrrenden Freund Franz frei halten möchte. Andreas ist empört und fährt auf sie zu, damit sie endlich zur Seite springt.

Die Rspr. wendet gegen diese enge Auslegung des Gewaltmerkmals durch die Lit ein, dass sie ohne erkennbaren Grund einen einheitlichen Begriff unterschiedlich auslegen würde. Zudem kommt ein beachtliches kriminalpolitisches Argument der Rspr: Handelt der Täter bei einer Wegnahme lediglich mit dem Vorsatz zu einem furtum usus und setzt dabei Gewalt in Form von vis absoluta ein, wird er bevorzugt im Gegensatz zum Täter der mit vis compulsiva (der i. d. R. weniger brutaleren Gewaltform) handelt. Dem hält die Lit. wiederum entgegen, dass die Formel vis absoluta ist für das Opfer immer mit mehr Leiden verbunden, nicht immer zutrifft. Klassischer Vergleich ist dann meist die vorgehaltene Waffe (vis compulsiva) ist für das Opfer schlimmer als das Einsperren des Opfers, was eben absolute Gewalt bedeutet.

IV. Zueignungsabsicht

Handelt der Täter bei einer Wegnahme, die durch ein Nötigungsmittel ermöglicht wird, mit Zueignungsabsicht, ist wie oben besprochen, der Streit der beiden Lager im Grunde obsolet. Denn die Literatur löst das Abgrenzungsproblem dann bereits auf Tatbestandsebene, während der BGH auf Konkurrenzebene die Erpressung als Grunddelikt hinter dem Raub zurückstehen lässt.

Handelt der Täter allerdings ohne die Zueignungsabsicht, etwa weil ihm der (vorübergehende) Aneignungs- oder der (dauerhafte) Enteignungswille (letzteres dürfte die Regel sein in solchen Fallkonstellationen), liegt mangels Vorliegens des subjektiven Tatbestandes kein Raub vor. Auch dann ist die Frage, in welchem Verhältnis die beiden stehen im Rahmen der räuberischen Erpressung und da bei der Vermögensverfügung zu diskutieren. Hier handelt es sich um einen Umstand, bei dem der Streit entschieden werden muss.

V. Diskussion innerhalb des § 239a I StGB

Ausweislich des Wortlauts muss der Täter den erpresserischen Menschenraub in Verbindung mit einer Erpressung begehen. Auch hier muss, bei Vorliegen einer Wegnahme durch den Täter, im Rahmen der Erpressung und der Vermögensverfügung diskutiert werden, ob nicht auch mit der Rechtsprechung jedes Dulden einer Wegnahme unter § 253 StGB fällt. Dann geht es weiter wie oben beschrieben.

Wenn ihr das im Einzelnen nun noch immer nicht richtig „auf dem Schirm“ habt, könnt ihr euch mit euren Fragen gerne an uns wenden. Wir werden dann versuchen euch die Unklarheiten anhand von weiteren Beispielen zu verdeutlichen. Vergesst nicht, dass das jetzt schon ein sehr hohes Niveau der Argumentationstechnik und der Auslegungsmethodik ist. Erschwert wird der Umgang in der Klausur auch regelmäßig dadurch, dass beide Ansichten gute Argumente auf ihrer Seite haben. Das macht den Umgang aber auch wieder einfach: Ihr könnt euch nämlich mit einer soliden Diskussion für beide Seiten entscheiden, ohne dass das angreifbar wäre. Dieser Klassiker muss immer mal wieder ins Gedächtnis gerufen werden und die Argumente beider Lager erst einmal „sacken“.

Aber denkt dran: Der Streit ist nur zu entscheiden, wenn es tatsächlich auch mal darauf ankommt. Ansonsten könnt ihr die Abgrenzungsproblematik mit den unterschiedlichen Ansichten kurz ansprechen und dann aber schreiben, dass er im konkreten Fall offen bleiben kann.

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Abgrenzung Raub und räuberische Erpressung auf unserer Website Jura Individuell.

Strafrecht BT Basics Prüfschema Nötigung

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Im Folgenden wird ein generelles Prüfschema zum Straftatbestand der Nötigung nach § 240 I StGB vorgestellt. Zur Verdeutlichung wurde dem Prüfschema ein Fall vorangestellt. Das Schema enthält Formulierungen, welche man für die Klausur in der Zwischenprüfung übernehmen kann. Der Fallbezug ist jeweils unter jede Definition subsumiert. Definitionsteile sowie Subsumtionsteile sind jeweils durch Absätze voneinander getrennt worden. An einigen Stellen wurden zum Verständnis Anmerkungen eingefügt, welche nicht zum Prüfschema gehören, sondern nur als Erklärung dienen sollen. In den Anmerkungen wurde gleichzeitig eingefügt, welche Rechtsinstitute des Allgemeinen Teils des StGB an dem jeweiligen Prüfpunkt der Nötigung eingebaut werden können. Die Meinungsstreite an den einzelnen Tatbestandsmerkmalen sind so dargestellt, dass sie auf jeden denkbaren Fall angewendet werden und in der Kürze der Klausurzeit schnell und übersichtlich hingeschrieben werden können.

Fall

Der Prokurist B fährt dem arbeitslosen Ingenieur A in angetrunkenem Zustand schuldhaft in dessen Auto und beschädigt es. Der A kennt den B und weiß, dass B auch die Entscheidungsbefugnis über die Einstellung von Ingenieuren in dessen Firma hat. A weiß auch, dass die offizielle Kenntnis über den Zustand des B bei dem Unfall in der Firma des B zu dessen Entlassung führen kann. A droht dem B daher mit dem Rufen der Polizei, wenn dieser ihm keinen Arbeitsplatz in dessen Firma besorgt. B fürchtet um seinen Arbeitsplatz, falls die Polizei den Unfall aufnehmen sollte und erklärt sich dem A gegenüber einverstanden und stellt den A als Ingenieur ein. Strafbarkeit des A nach § 240 I StGB ?

Lösung

A könnte sich durch das Drohen mit dem Rufen der Polizei nach § 240 I StGB strafbar gemacht haben.

I. Tatbestandsmäßigkeit

1.Objektiver Tatbestand

A müßte durch Gewalt oder Drohen mit einem empfindlichen Übel einen Nötigungserfolg in Form einer Handlung, Duldung oder Unterlassung erzielt haben, wobei die Tathandlung für den Erfolg kausal gewesen sein muß.

a.) Nötigungshandlung

Als Nötigungshandlung kommt die Anwendung von Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel in Betracht.

aa.) Nötigung mit Gewalt

A könnte Gewalt angewendet haben. Der Gewaltbegriff im Rahmen der Nötigung ist umstritten. Er kann eng oder weit ausgelegt werden.

( a) In der weiten Auslegung ist der Gewaltbegriff bereits erfüllt, wenn das Nötigungsopfer in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt wird, es sich demnach subjektiv zu einem bestimmten Verhalten veranlasst fühlt. In diesem Fall liegt eine sog. psychische Gewalteinwirkung oder vis compulsiva vor. Eine körperliche Kraftentfaltung des Täters ist nicht notwendig.

Fraglich ist, ob unter Anwendung des weiten Gewaltbegriffes der A Gewalt angewendet hat. Durch die Drohung mit dem Rufen der Polizei fühlte sich B dazu veranlasst, dem A einen Job zu besorgen. Unter Anwendung des weiten Gewaltbegriffes hätte A mit dem Aussprechen seiner Drohung Gewalt angewendet.

(b) Nach dem engen Gewaltbegriff würde Gewalt indes nur dann vorliegen, wenn eine physische Einwirkung in Form von körperlichem Zwang auf das Opfer vorliegen würde. Nach dem engen Gewaltbegriff würde Gewalt nur dann vorliegen, wenn das Nötigungsopfer tatsächlich körperlich beeinträchtigt wird, demnach vis absoluta vorliegt. Dazu ist ebenfalls eine körperliche Kraftentfaltung des Täters nötig.

Unter Anwendung des engen Gewaltbegriffes hat A keine Gewalt angewendet.

(c) Da beide Gewaltbegriffe im vorliegenden Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist der Streit zu entscheiden.

Fraglich ist. welchem Gewaltbegriff zu folgen ist. Gegen den weiten Gewaltbegriff spricht der Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht nach Art.103 II GG, wonach die Straftatbestände hinreichend bestimmt formuliert sein müssen, damit das mit Strafe bedrohte Verhalten für jedermann klar erkennbar ist. Damit ist der weite Gewaltbegriff wegen Verstoßes gegen Art. 103 II GG abzulehnen, wie es auch das BVerfG festgestellt hat und das Tatbestandsmerkmal der Gewalt liegt nur dann vor, wenn physisch auf das Opfer eingewirkt wird und der Täter Kraft entfaltet. Der BGH läßt insofern noch psychischen Zwang zu, soweit dieser sich körperlich, also physisch auf das Opfer auswirkt, etwa in Gestalt der Errichtung eines Hindernisses in Form eines gebremsten Autos oder eines angeketteten Demonstranten. Insoweit besteht nach dem BGH bei einer Sitzblockade die Gewaltanwendung zumindest für das zweite Fahrzeug in dem physischen Hindernis durch das gestoppte erste Fahrzeug (sog. „zweite Reihe“ Rechtsprechung des BGH). Der BGH rechtfertigt die Zulässigkeit der psychischen Gewalt damit dadurch, dass diese ja nur zulässig sei, wenn der Täter mittelbar Gewalt angewendet hat durch die Schaffung eines physischen Hindernisses und somit die psychische Gewalt ja eine Unterart der physischen Gewalt sei. Indes versucht der BGH durch diese Konstruktion letztlich den weiten Gewaltbegriff wieder einzuführen. Aufgrund der Gefahr der Umgehung des Art.103 II GG und der Rechtsprechung des BVerfG ist die Zulässigkeit der auf einem physischem Hindernis beruhenden psychischen Gewalt abzulehnen.

Unter Anwendung des hier zu folgenden engen Gewaltbegriffes hat A mit seiner Ankündigung nicht Gewalt angewendet.

Anmerkung zum Gewaltbegriff:

Die Frage, ob die lediglich psychische Einwirkung auf das Opfer den Tatbestand der Gewalt erfüllt ergibt sich meistens erst, wenn man das Vorliegen einer Drohung verneint hat. So können Sitzblockaden nur dann den Tatbestand der Nötigung erfüllen, wenn dem weiten Gewaltbegriff gefolgt wird, da die Demonstranten ja keine Drohung aussprechen. Im Interesse eines vollständigen und stringenten Prüfschemas wurde der Meinungsstreit über den Gewaltbegriff hier vor der Prüfung des Tatbestandsmerkmales der „Drohung mit einem empfindlichen Übel“ durchgeführt.

bb.) Drohung mit einem empfindlichen Übel

A könnte durch die Ankündigung, die Polizei zu rufen, mit einem empfindlichen Übel gedroht haben.

(a) Unter Drohung versteht man jedes Verhalten, auf dessen Eintritt der Täter vorgibt Einfluß zu haben. Dieses ist von der Warnung abzugrenzen, welche auf ein Ereignis hinweist, auf dessen Eintritt der Warnende keinen Einfluß hat.

(b) Unter einem empflindlichen Übel versteht man einen Wertverlust, der aufgrund seines Umfanges dazu geeignet erscheint, das Verhalten des Opfers zu bestimmen.

Durch die Ankündigung des A, dass er die Polizei rufen werde, besteht die Gefahr, dass B seinen Job verliert. Damit droht dem B ein Wertverlust größeren Ausmaßes und der A hat mit einem empfindlichen Übel gedroht.

cc.) Nötigungserfolg

Die Nötigung ist erst vollendet, wenn das Opfer die mit dem Nötigungsmittel bezweckte Handlung, Duldung oder Unterlassung vorgenommen hat. Der Nötigungserfolg besteht darin, dass B dem A einen Job besorgt.

Anmerkung:

Wenn der vom Täter bezweckte Nötigungserfolg nicht eintritt, dann wird die Prüfung an dieser Stelle abgebrochen und es bleibt eine versuchte Nötigung nach dem Versuchsaufbau zu prüfen.

dd.) Kausalität zwischen Nötigungshandlung und Nötigungserfolg

Das Drohen mit dem Rufen der Polizei war nach der Äquivalenztheorie auch ursächlich dafür, dass der B dem A den Job besorgt hat.

Im Ergebnis ist der objektive Tatbestand des § 240 I StGB erfüllt.

2. Subjektiver Tatbestand

A müßte Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale gehabt haben. Dies war der Fall.

Damit ist der Tatbestand des § 240 I StGB erfüllt.

Anmerkungen:

An dieser Stelle wird auch geprüft, ob eventuell ein Tatbestandsirrtum, ein error in persona oder ein aberratio ictus vorliegt. Diese Rechtsinstitute würden jeweils nach § 16 I StGB den Vorsatz entfallen lassen.

II. Rechtswidrigkeit

Weiterhin müßte A rechtswidrig gehandelt haben.

Auf der Ebene der Rechtswidrigkeit sind zwei Punkte zu prüfen. Zum einen ist zu prüfen, ob nach dem BGB oder dem StGB anerkannte Rechtfertigungsgründe die Rechtswidrigkeit ausschließen. Auch Art.5 GG sowie Art.8 GG können nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung als Rechtfertigungsgründe in Frage kommen. Zum anderen ist zu prüfen, ob die Tathandlung verwerflich im Sinne des § 240 II StGB war. Sollten keine Rechtfertigungsgründe eingreifen so wäre die Nötigungshandlung im Gegensatz zu den anderen Straftatbeständen erst dann rechtswidrig, wenn die Verwerflichkeit der Tathandlung feststeht. Bei § 240 I StGB handelt es sich somit um einen „offenen Straftatbestand“, bei dem die Rechtswidrigkeit nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert wird.

1.Vorliegen von Rechtfertigungsgründen

Liegen Rechtfertigungsgründe tatbestandlich vor, so ist die Rechtswidrigkeit schon an dieser Stelle ausgeschlossen und eine weitere Prüfung der Verwerflichkeit nach § 240 II muß nicht mehr erfolgen. Rechtfertigungsgründe sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

2.Verwerflichkeit i S des § 240 II StGB

Da die bisherige Prüfung ergeben hat, dass keine Rechtfertigungsgründe vorliegen, muß weiter die Verwerflichkeit nach § 240 II StGB geprüft werden.

Verwerflich ist die Nötigungshandlung, wenn das Mittel der Nötigung verwerflich ist, oder der Erfolg oder das Verhältnis zwischen Mittel und Erfolg, sogenannte Verwerflichkeit der Mittel-Zweck Relation.

a.) Das Mittel der Nötigungshandlung ist verwerflich, wenn es rechtlich verboten oder sittlich anstößig ist.

Das Mittel der Nötigungshandlung besteht darin, dass A die Polizei rufen will. Diese Handlung ist nicht verboten und damit als solche nicht verwerflich.

b.) Der Erfolg ist verwerflich, wenn der Erfolg rechtlich verboten oder sittlich anstößig ist.

Der von A erstrebte Erfolg besteht darin, dass B ihm einen Job besorgt. Diese Handlung ist als solche rechtlich zulässig und damit nicht verwerflich.

c.) Allerdings könnte die Relation zwischen Mittel und Zweck verwerflich sein. Das Verhältnis zwischen Nötigungsmittel und Nötigungserfolg ist dann verwerflich, wenn der Einsatz eines Mittels zur Erreichung des Zwecks unerlaubt oder sittlich verwerflich ist.

Das Drohen mit dem Rufen der Polizei soll dem A dazu dienen, den Genötigten B zu einer Handlung zu bewegen, welche nicht vom Zuständigkeitsbereich der Polizei abgedeckt ist. Damit wird von dem A ein nicht rechtmäßiger Einsatz der Polizei angestrebt. Damit ist die Relation zwischen dem Einsatz des Mittels zur Erreichung des angestrebten Zwecks als verwerflich anzusehen.

Damit hat A auch rechtswidrig gehandelt.

Anmerkungen zum Verständnis:

Von der Prüfungsfolge her prüft man zuerst die Verwerflichkeit des Mittels. Ist dieses bereits verwerflich, so liegt § 240 II StGB vor und die Rechtswidrigkeit ist zu bejahen. Verneint man die Verwerflichkeit des Mittels prüft man die Verwerflichkeit des Nötigungserfolges. Bejaht man diesen, so liegt Rechtswidrigkeit vor. Verneint man das Vorliegen der Verwerflichkeit des Nötigungserfolges, so muß das Verhältnis zwischen Mittel und Erfolg geprüft werden. Das Besondere an diesem Prüfungsschritt besteht jetzt darin, dass sowohl Mittel als auch Erfolg nicht verwerflich waren und erst im Verhältnis zueinander jetzt verwerflich werden können. So ist zB. das Rufen der Polizei für den Fall, dass jemand seine Anschrift bei einem Unfall nicht herausgibt, ein nicht verwerfliches Mittel. Der Erfolg, zu dem dieses Mittel führen soll, nämlich das der Unfallbeteiligte seine Anschrift herausgibt, ist als solches auch nicht verwerflich. Das Verhältnis zwischen Rufen der Polizei zum Zwecke der Halterfeststellung ist auch nicht verwerflich. Wenn der Nötigende nach einem Unfall mit dem Rufen der Polizei droht, wenn das Nötigungsopfer ihm keinen Arbeitsplatz verschafft, so könnte in diesem Fall die Mittel-Zweck Relation indes verwerflich sein. Das Mittel, Rufen der Polizei, ist als solches nicht verwerflich, da es rechtlich zulässig ist bei Unfällen die Polizei zu rufen. Der Zweck, den der Täter mit dem Rufen der Polizei verfolgt, nämlich das das Opfer ihm einen Job verschafft, ist als solches isoliert betrachtet auch nicht verwerflich. Fraglich ist, ob man jemanden mit dem Rufen der Polizei drohen darf, wenn der Betreffende dem Drohenden keinen Job verschafft. Der Zweck besteht in diesem Fall nicht darin, daß Mittel zweckentsprechend einzusetzen, da es dem Nötigenden in diesem Fall nicht darauf ankommt, dass die Polizei im Rahmen ihrer Zuständigkeit tätig wird. Damit wird ein nicht rechtmäßiger Einsatz des Mittels angestrebt. Dies führt dazu, das der Einsatz des Mittels im Verhältnis zum angestrebten Zweck verwerflich ist. Damit liegt Verwerflichkeit im Sinne des § 240 II StGB vor und

III. Schuld

A hat auch schuldhaft gehandelt.

Damit hat sich A einer Nötigung nach § 240 I StGB strafbar gemacht.

Anmerkung:

Bei der Schuld kann der Erlaubnistatbestandsirrtum geprüft werden, welcher die Schuld ausschließen könnte, wenn entsprechende Anhaltspunkte im Sachverhalt vorliegen.

IV. Strafzumessung

Besonders schwerer Fall gem. § 240 IV StGB

§ 240 IV Nr.1

§ 240 IV Nr.2

§ 240 IV Nr.3

Ein besonders schwerer Fall nach § 240 IV StGB liegt nicht vor.

Anmerkungen

Zu dem Thema dieses Artikels und  auch zum Strafrecht Allgemeiner sowie Besonderer Teil kann ein vertiefender Crashkurs gebucht werden oder ein Coaching im Repetitorium stattfinden.

Zur Problematik Täterschaft und Teilnahme: Beihilfe, mittelbare Täterschaft,  Anstiftung

Näheres zur Problematik der strafrechtlichen Irrtümer: Verbotsirrtum; Erlaubnistatbestandsirrtum, Putativnotwehr, Error in persona und aberratio ictus, Aufbau Erlaubnistatbestandsirrtum

Besuchen Sie auch unsere hilfreichen Schemata zum Thema Strafrecht BT: Räuberische Erpressung, Raub, Missbrauchstatbestand Untreue, Treubruchtatbestand Untreu, Diebstahl (objektiver Tatbestand, subjektiver Tatbestand, Regelbeispiele, Qualifikation), Betrug

siehe auch strafrechtliche Konkurrenzen

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Klausur § 315 b StGB und Tötungsdelikte

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Sachverhalt:

Am 05. November fährt Roland um 23:05 Uhr mit seinem Pkw auf der wenig befahrenen B 441 von Seelze Richtung Letter, als er im Rückspiegel einen schwarzen R8 erblickt, der mit hoher Geschwindigkeit auf ihn zukommt. Roland, der es nicht leiden kann, wenn andere ihn überholen, wartet, bis der R8 ca. 50 Meter entfernt ist und bremst dann langsam von der erlaubten Geschwindigkeit von 100 km/h bis zum Stillstand herunter, um dem R8-Fahrer Jochen eine Lektion zu erteilen. Jochen ist völlig verdutzt und bremst wegen des vor ihm fahrenden Pkws ebenfalls bis zum Stillstand herunter. Zu diesem Zeitpunkt ruht der Gegenverkehr. Als Roland daraufhin aussteigt und Jochen erzählt, dass die B 441 keine Rennstrecke ist, hört sich dieser die Belehrung gelassen an und sieht seinen Fehler ein. Anschließend fährt er in ordnungsgemäßem Tempo nach Hause.

Trotz dieses persönlichen Erfolgs möchte Roland, der schon seit einiger Zeit an Depressionen leidet, seinem für ihn sinnlosen Leben ein Ende bereiten. Um der Lebensversicherung jedoch nicht das seit Jahren eingezahlte Geld zu schenken, nimmt er sich vor, seinen Tod als Unfall zu inszenieren, sodass seine Ehefrau Manuela das gesamte Geld erhält. Er schneidet daraufhin die Bremsschläuche seines Autos an und überredet seinen Freund Paul mit ihm zu einem 96-Spiel zu fahren. Paul liebt nicht nur das Stadion, sondern auch Rolands Porsche Cayenne, sodass es keiner großen Überredungskünste bedarf, um den ahnungslosen Paul zum Mitkommen und Fahren zu bewegen. Roland hingegen ist sich darüber im Klaren, dass Paul das Auto im Zweifel nicht unter Kontrolle behalten und so ebenfalls zu Tode kommen könnte. Um die letzten Minuten seines Lebens mit seinem besten Freund zu verbringen, nimmt er dieses Risiko jedoch hin.

Obwohl die Fahrt über die Autobahn, die Bundesstraße und durch die gesamte Stadt Hannover führt und Paul immer wieder von hohen Geschwindigkeiten herunterbremsen muss, halten die angeschnittenen Bremsschläuche der Belastung stand. Roland und Paul kommen daher sicher am Stadion an. Als das 96-Spiel nun auch noch erfolgreich gewonnen wird, erhält Roland seine Lebensfreude zurück. Er lässt sich mit Paul von einem Taxi nach Hause fahren und seinen Porsche unter einem Vorwand in die Werkstatt abschleppen, um ihn durchchecken und die Bremsschläuche reparieren zu lassen.

 

Bearbeitervermerk: Wie haben sich die Personen strafbar gemacht? Gegebenenfalls für erforderlich gehaltene Strafanträge gelten als gestellt. Delikte außerhalb des StGB sind nicht zu prüfen.


Gutachten:

 1. Teil – Strafbarkeit wegen Verkehrserziehung

A. Strafbarkeit des R wegen § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB

R könnte sich wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gem. § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er grundlos auf einer Bundesstraße bis zum Stillstand bremste und dadurch ein Hindernis bereitete.

Es ist nicht üblich auf einer Bundesstraße, auf der eine Geschwindigkeit von 100 km/h zulässig ist, grundlos bis zum Stillstand herunterzubremsen. Zu klären ist aber, ob ein langsames oder langsamer werdendes Auto bereits ein Hindernis darstellen kann.

  • Ein Hindernis i. S. v. § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB bedeutet das Herbeiführen eines Vorgangs, der geeignet ist, durch körperliche Einwirkung den regelmäßigen Verkehr zu hemmen oder zu verzögern.

Ein langsames oder langsamer werdendes Auto kann durchaus dazu beitragen, dass der Verkehr, wegen der folgenden ebenfalls abbremsenden Fahrzeuge, gehemmt oder verzögert wird. In dem vorliegenden Fall fuhr R jedoch auf einer wenig befahrenden Bundesstraße. Anstatt ebenfalls bis zum Stillstand zu bremsen, hätte J unter Beachtung der Verkehrsregeln den R ohne weiteres überholen können.

Die Frage, ob R durch das Abbremsen bereits ein Hindernis bereitet hat, kann aber dahin stehen, wenn jedenfalls keine konkrete Gefahr angenommen werden kann. Wann eine solche konkrete Gefahr vorliegt, ist jedoch umstritten.

  • Ansicht (frühere Rechtsprechung): Eine frühere Ansicht der Rechtsprechung hat bereits ab Beginn der Teilnahme am Straßenverkehr die konkrete Gefahr für den Straßenverkehr angenommen. Dies begründete sie damit, dass es dem Fahrzeugführer bei Unkenntnis der manipulierten Bremsschläuche unmöglich sei, in erforderlichem Maße auf Gefahrensituationen reagieren zu können.
  • 2. Ansicht (heutige Rechtsprechung und herrschende Lehre): Die herrschende Lehre und die mittlerweile bestehende Rechtsprechung sind jedoch davon überzeugt, dass die erste Ansicht keine ausreichende Differenzierung zwischen einer abstrakten und einer konkreten Gefahr ermögliche. Deshalb sei die konkrete Gefahr erst dann zu bejahen, wenn es zu einer kritischen Situation gekommen sei, in der die Sicherheit einer bestimmten Person oder aber einer Sache so weit beeinträchtigt wurde, dass die tatsächliche Rechtsgutverletzung nur noch vom Zufall abhing („Beinahe-Unfall“).

Die Straße war frei und R hat J nicht abrupt ausgebremst, sondern nur langsam seine Geschwindigkeit verringert.

Dementsprechend liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht vor.

R hat sich nicht wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gem. § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar gemacht.

B. Strafbarkeit des R wegen Nötigung gem. § 240 Abs. 1 StGB

R könnte sich durch die Verkehrserziehung einer Nötigung gem. § 240 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.

I. Objektiver Tatbestand

Für die Bestrafung wegen Nötigung ist Voraussetzung, dass das Ausbremsen durch R als Gewalt anzusehen ist.

  • Gewalt i. S. d. § 240 StGB ist der körperlich wirkende Zwang durch die Entfaltung von Kraft oder durch eine physische Einwirkung sonstiger Art, die nach ihrer Zielrichtung, Intensität und Wirkungsweise dazu bestimmt und geeignet ist, die Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung eines anderen aufzuheben oder zu beeinträchtigen.

Das BVerfG ist der Überzeugung, dass auch das Ausbremsen eines Fahrzeugs grundsätzlich dazu ausreichen kann, den Gewaltbegriff des § 240 StGB zu bejahen. Für die Beurteilung ist jedoch sowohl die Dauer, als auch die Intensität der bedrängenden Einwirkung von Bedeutung. Das BayObLGSt hat in einem Fall der grundlosen Reduktion der Geschwindigkeit mit der Absicht, den nachfolgenden Fahrer zu einer unangemessen niedrigen Geschwindigkeit zu zwingen, entschieden, „dass der Fahrer des dem Täterfahrzeug nachfolgenden Fahrzeugs aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das ihm durch den Vordermann aufgezwungene Verhalten nicht durch Ausweichen oder Überholen vermeiden kann“. J und R fuhren auf einer wenig befahrenden Bundesstraße. Die Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h lässt zudem darauf schließen, dass es sich um eine auch für Überholvorgänge sichere Strecke handelt. Hinzu kommt, dass für J die Möglichkeit bestand im Wege eines zulässigen Überholvorgangs das Verhalten des R zu ignorieren, nachdem er festgestellt hat, dass es für den Bremsvorgang keinen Anlass gab. Aus diesen Gründen ist in dem vorliegenden Fall nicht von einer physischen Gewaltanwendung auf J durch R auszugehen.

II. Ergebnis

Obwohl R den J zum Stillstand gezwungen und ihn anschließend belehrt hat, liegt in diesem Verhalten aufgrund fehlender Gewaltanwendung keine strafrechtlich relevante Tatbestandsverwirklichung. R hat sich dementsprechend nicht wegen Nötigung gem. § 240 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

 2. Teil – Strafbarkeit wegen der Manipulation der Bremsschläuche

 A. Strafbarkeit des P

P könnte sich wegen versuchter Tötung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 212 Abs. 1, 223 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er mit einem defekten Fahrzeug im Verkehr fuhr. Da er jedoch hinsichtlich aller dieser Tatbestände keinen Vorsatz gefasst hatte, scheiden diese Delikte aus.

B. Strafbarkeit des R wegen versuchten Mordes gem. §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 211, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB

R könnte sich des versuchten Mordes an P in mittelbarer Täterschaft durch P strafbar gemacht haben, indem er die Bremsschläuche an seinem Auto anschnitt und P zur Fahrt mit dem Auto animierte.

I. Vorprüfung

Der Tod des P ist nicht eingetreten. Der Versuch des Totschlags ist zudem gem. §§ 212, 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB strafbar.

II. Tatbestand
1. Tatentschluss

Dann müsste der Tatentschluss gegeben sein.

  • Der Tatentschluss ist der Wille zur Verwirklichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale.

R war sich darüber im Klaren, dass P zu Tode kommen konnte. Er wollte jedoch nicht die letzte zum Tode führende Handlung selbst vornehmen; diese sollte vielmehr durch P im Wege des Losfahrens verwirklicht werden. P wusste nichts von den manipulierten Bremsschläuchen und handelte daher ohne Vorsatz. Damit liegt ein Fall der mittelbaren Täterschaft vor. Das Opfer wird dabei als Tatmittler gegen sich selbst eingesetzt. Es ist also wenigstens eine Konstellation gegeben, die mit der Struktur der mittelbaren Täterschaft vergleichbar ist. R hatte damit Tatentschluss bzgl. einer in mittelbarer Täterschaft begangenen Tötung.

Zu klären ist aber weiterhin, ob R Mordmerkmale des § 211 Abs. 2 StGB verwirklicht hat. In Betracht käme sowohl die Tötung aus Heimtücke, als auch die Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln.

a) Mordmerkmal der Heimtücke

Zunächst ist zu betrachten, ob R vor hatte, P heimtückisch zu töten, als er P in Kenntnis der defekten Bremsschläuche zum Fahren seines Porsches anhielt.

  • Eine heimtückische Tötung ist gegeben, wenn der Täter bei der Tatbegehung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst ausnutzt und dies in feindlicher Willensrichtung geschieht. Dabei ist das Opfer arglos, wenn es nicht mit einem Angriff durch den Täter rechnet.

P ging davon aus, wieder einmal mit dem Porsche seines Freundes fahren zu dürfen. Dabei war er sich jedoch nicht darüber bewusst, dass sich R das Leben nehmen wollte und dazu die Bremsschläuche seines Fahrzeugs angeschnitten hat. P war dementsprechend arglos. Aufgrund dieser Arglosigkeit muss das Opfer wehrlos sein.

  • Ein Opfer ist wehrlos, wenn seine natürliche Abwehrbereitschaft und Abwehrfähigkeit zumindest stark eingeschränkt ist.

Ob die Bremsschläuche tatsächlich reißen würden und ob P in einem solchen Moment die Kontrolle über das Fahrzeug gehabt hätte, ist völlig ungewiss. Er konnte jedoch nicht davon ausgehen, dass ein derartiger Fall eintritt. Folglich ist auch die Wehrlosigkeit wegen der Arglosigkeit des P erheblich eingeschränkt.

Für die Heimtücke ist letztlich aber auch erforderlich, dass der Täter in feindlicher Willensrichtung gehandelt hat. Diese entfällt lediglich dann, wenn der Täter allein zum vermeintlich Besten des Opfers handeln will. Eine solche Konstellation ist nur für wenige Ausnahmefälle anerkannt. Hierzu zählen die Fälle eines Mitnahmesuizids (Töten einer anderen Person, häufig von Kindern aus vorweggenommenem Mitleid, weil der Täter sich selbst zu töten beabsichtigte und das Opfer „nicht allein zurücklassen wollte“), sowie Mitleidstötungen. In beiden Konstellationen will der Täter dem Opfer ein Weiterleben unter aus seiner Sicht unzumutbaren Bedingungen ersparen. Dominierende egozentrische Motive hingegen rechtfertigen eine privilegierende Einschränkung nicht. R hat sich hinsichtlich des etwaigen Todes von P keine genaueren Gedanken gemacht. Er wollte jedoch nicht alleine sterben und schon gar nicht die letzte Tötungshandlung an sich selbst vornehmen. Bei seiner Tat standen demnach die persönlichen Motive im Vordergrund, sodass eine Privilegierung ausscheiden muss.

Ein Teil der Literatur fordert zudem einen besonders verwerflichen Vertrauensbruch des Täters. Dazu ist eine persönliche Beziehung zwischen dem Täter und dem Opfer erforderlich, aufgrund derer der Täter das Vertrauen des Opfers ausnutzt. Nimmt man diesen Aspekt für die Beurteilung hinzu, so ließe sich die Heimtücke im Ergebnis bejahen, denn P und R stehen als enge Freunde in einer persönlichen Beziehung zueinander. Würde diese Nähe nicht bestehen, so hätte P den Porsche auch nicht fahren können. Allerdings kann dieses zusätzliche Erfordernis nicht wirklich überzeugen. Im Regelfall stehen Opfer und Täter gerade in keinem Vertrauensverhältnis und zudem ist die Grenze nicht eindeutig, in welchen Fällen von einer persönlichen Beziehung gesprochen werden kann und in welchen nicht. Insofern liegt in der Annahme dieses Erfordernisses ein Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 2 GG geregelten Bestimmtheitsgrundsatz. Zudem würde dann der klassische Auftragsmörder nicht heimtückisch handeln, was ersichtlich nicht gewollt sein kann.

Wegen der Bejahung der feindseligen Willensrichtung seitens R ist die Heimtücke zu bejahen.

b) Gemeingefährliche Mittel

Zu klären bleibt allerdings, ob R eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln vornehmen wollte.

  • Eine Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel ist gegeben, wenn der Täter zur konkreten Tatbegehung ein Mittel benutzt, dass er im Einzelfall nicht sicher beherrschen kann und dessen Einsatz geeignet ist, eine Vielzahl von anderen Menschen an Leib oder Leben zu gefährden.

Das Fahren mit einem Fahrzeug, dessen Bremsschläuche defekt sind, kann dazu führen, dass eine Vielzahl von Verkehrsteilnehmern wegen des nicht möglichen Bremsens gefährdet wird. Entweder durch das Auffahren auf ein anderes Auto oder durch das Überfahren eines Fußgängers oder Radfahrers. Vorliegend haben die Bremsschläuche bis zum Fahrtende der Belastung standgehalten, sodass eine konkrete Gefahr nicht angenommen werden kann. Dennoch ist es nur entscheidend, was der R sich vorstellte. R war klar, dass der P das Fahrzeug im Zweifel nicht unter Kontrolle halten kann. Er war sich zudem über die Gefährlichkeit seiner Handlung bewusst, sodass man davon ausgehen kann, dass er es billigend in Kauf genommen hat, dass hierbei auch andere Menschen zu Tode kommen können (a. A. bei guter Begründung vertretbar).

c) Zwischenergebnis

R hat hinsichtlich der versuchten Tötung des P die Mordmerkmale der Heimtücke und der gemeingefährlichen Mittel verwirklicht.

2. Unmittelbares Ansetzen

Fraglich ist, in welchem Zeitpunkt R unmittelbar zur Tat angesetzt hat. Einerseits könnte man in Betracht ziehen, dass R bereits mit Abschluss der Manipulation an den Bremsschläuchen unmittelbar zur Tat angesetzt hat. Allerdings hatte P nicht ohne Weiteres Zugang zu dem Porsche, sodass er auch nicht unmittelbar gefährdet war. Weiterhin könnte ein unmittelbares Ansetzen in dem Zeitpunkt eingetreten sein, in dem R den P zur Autofahrt überzeugt oder aber etwa erst in dem Moment, in dem beide tatsächlich mit dem Auto losfuhren. Obwohl R den P bereits zur Autofahrt überzeugt hatte, kann zu diesem Zeitpunkt das unmittelbare Ansetzen noch nicht angenommen werden, weil R noch die Möglichkeit gehabt hat, die Autofahrt zu verhindern. Als sie jedoch beide losfuhren, musste R mit dem Zerreißen der Bremsschläuche rechnen und konnte dies auch nicht mehr verhindern. In diesem Moment bestand also eine unmittelbare Gefährdung des Lebens des P und R hat zudem das Geschehen so aus der Hand gegeben, dass P’s Leben gefährdet wurde. Mit dem gemeinsamen Losfahren hat R unmittelbar zur Tat angesetzt.

3. Rechtswidrigkeit/4. Schuld

Er handelte sowohl rechtswidrig als auch schuldhaft.

5. Kein Rücktritt, da der Versuch fehlgeschlagen ist.

III. Ergebnis

R hat sich des versuchten Mordes an P in mittelbarer Täterschaft durch P strafbar gemacht, indem er die Bremsschläuche an seinem Auto anschnitt und P zur Fahrt mit dem Auto animierte.

C. Strafbarkeit des R wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung an P gem. § 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5, § 22, §23 Abs. 1,§ 223 Abs. 2, § 25 Abs. 1 Alt. 2

R könnte sich wegen einer versuchten gefährlichen Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft an P gem. § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5, § 22, § 23 Abs. 1, § 223 Abs. 2, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er die Bremsschläuche an seinem Fahrzeug manipulierte und P zum Fahrtantritt bewegte.

I. Vorprüfung

Eine gefährliche Körperverletzung ist nicht eingetreten. Deshalb kommt lediglich eine Strafbarkeit nach § 224 Abs. 2, 23 Abs. 1 Alt. 2 StGB als strafbarer Versuch in Betracht.

II. Tatbestand
1. Tatentschluss

Dann müsste er hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung mit Tatentschluss gehandelt haben.

a) Gefährliches Werkzeug

R könnte mit dem Entschluss die Tat mit einem anderen gefährlichen Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu begehen gehandelt haben.

  • Als gefährliches Werkzeug kommt jeder Gegenstand in Betracht, der nach seiner Beschaffenheit und Art seiner Verwendung als Angriffs- oder Verteidigungsmittel im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen.

Vorliegend könnte der Porsche als Werkzeug gedient haben. Grundsätzlich erfüllt ein Pkw jedoch nicht die Merkmale eines gefährlichen Werkzeugs. Es könnte in der vorliegenden Art aber zweckentfremdet worden sein. Aber auch wenn ein Kraftfahrzeug in der Eigenschaft als gefährliches Werkzeug auftritt, wird es in der Regel nicht gegen die Fahrzeuginsassen selbst eingesetzt, sondern vielmehr gegen andere Personen oder Sachen. Wegen der manipulierten Bremsschläuche wurde dem P jedoch jegliche Steuerungsmöglichkeit über das Auto genommen. Deshalb war das Auto an und für sich auch nicht mehr beherrschbar. Weiterhin kann die Strafbarkeit nicht davon abhängen, ob das Werkzeug gegen das Opfer geführt wird oder sich das Opfer, sofern diese Möglichkeit wie im vorliegenden Fall besteht, in dem Werkzeug selbst befindet. Insofern ist das Auto als gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusehen. Der Tatentschluss des R hinsichtlich des Einsatzes des Porsches als gefährliches Werkzeug ist damit gegeben.

b) Das Leben gefährdende Behandlung

Außerdem könnte R den Entschluss gefasst haben, die Tat mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu begehen.

  • Eine das Leben gefährdende Behandlung läge danach vor, wenn die Verletzungshandlung den konkreten Umständen nach objektiv geeignet ist, das Leben des Opfers in Gefahr zu bringen.

Es liegt nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit, dass angeschnittene Bremsschläuche durch hohe oder abrupte Bremsbelastungen endgültig reißen. Zudem war sich R darüber im Klaren, dass auch andere Straßenverkehrsbeteiligte durch einen Unfalls zu Schaden kommen. Er hat die lebensgefährlichen Verletzungen anderer und vor allem auch die des P in seinen Vorsatz aufgenommen. Damit liegt letztlich eine das Leben gefährdende Behandlung vor.

2. Unmittelbares Ansetzen

R, in Kenntnis der manipulierten Bremsschläuche und der damit verbundenen Gefahr, hat durch das Überreden des P zur Fahrt mit dem Porsche unmittelbar zur Tat angesetzt.

3. Rechtswidrigkeit/4. Schuld

R handelte zudem rechtswidrig und schuldhaft.

5. Kein Rücktritt, da der Versuch fehlgeschlagen ist.

III. Ergebnis

R hat sich wegen einer versuchten gefährlichen Körperverletzung an P gem. § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5, § 22, § 23 Abs. 1, § 223 Abs. 2, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht.

D. Strafbarkeit des R wegen versuchter Tötung, § 212 Abs. 1, § 22, § 23 Abs. 1, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB

R könnte sich wegen einer versuchten Selbsttötung in mittelbarer Täterschaft durch P gem. §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er die Bremsschläuche in der Absicht manipulierte im Laufe der Autofahrt mit P zu sterben. Diese Prüfung würde jedoch verkennen, dass die Selbsttötung durch das StGB gerade nicht unter Strafe gestellt wird. Insofern kann aber auch eine Selbsttötung in mittelbarer Täterschaft nicht geschützt sein. § 25 StGB ist allein eine Zurechnungsnorm. Eine Strafbarkeit wegen versuchter Selbsttötung in mittelbarer Täterschaft durch P ist demnach nicht möglich.

E. Strafbarkeit des R wegen gefährlicher Körperverletzung, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5, § 22, § 23 Abs. 1, § 223 Abs. 2, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB

R könnte sich wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung an sich selbst gem. §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5, 22, 23 Abs. 1, 223 Abs. 2, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er in einem selbst manipulierten Auto mitgefahren ist. Entgegen der Darstellung unter D ist die Einwilligung in die Verletzung des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit im Gegensatz zu dem Rechtsgut Leben zwar einwilligungsfähig, aber dennoch wird auch das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit nicht vor der Eigenverletzung geschützt. Folglich scheidet auch eine Strafbarkeit nach  §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5, 22, 23 Abs. 1, 223 Abs. 2, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB aus.

F. Strafbarkeit des R gem. § 315b StGB wegen der Manipulation an den Bremsschläuchen

R könnte sich wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er die Bremsschläuche seines Porsches manipulierte.

I. Objektiver Tatbestand

R hat die Bremsschläuche seines Porsches angeschnitten und damit beschädigt. Durch diese Beschädigung und das Fahren mit dem manipulierten Fahrzeug im Straßenverkehr bestand die generelle Möglichkeit, andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Aus diesem Grund ist die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt worden.

§ 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt jedoch weiterhin eine durch die Beschädigung hervorgerufene Gefahr für Leib, Leben oder fremde Sachen von bedeutendem Wert voraus. Dies hat zur Folge, dass nicht bereits die Beschädigung als solche auch die Realisierung der Gefahr darstellen kann, sondern gerade eine weitergehende Gefahr durch die eingetretene Beschädigung eingetreten sein muss. Obwohl die Bremsschläuche angeschnitten waren, haben sie der Bremsbelastung bis zum Erreichen des Fahrtziels standgehalten. Unklar ist deshalb, ob während der Autofahrt überhaupt eine konkrete Gefahr für den Straßenverkehr bestand. Die Beantwortung dieser Frage ist streitig.

  • Ansicht (frühere Rechtsprechung): Eine frühere Ansicht der Rechtsprechung hat bereits ab Beginn der Teilnahme am Straßenverkehr die konkrete Gefahr für den Straßenverkehr angenommen. Dies begründete sie damit, dass es dem Fahrzeugführer bei Unkenntnis der manipulierten Bremsschläuche unmöglich sei, in erforderlichem Maße auf Gefahrensituationen reagieren zu können.
  • 2. Ansicht (heutige Rechtsprechung und herrschende Lehre): Die herrschende Lehre und die mittlerweile bestehende Rechtsprechung sind jedoch davon überzeugt, dass die erste Ansicht keine ausreichende Differenzierung zwischen einer abstrakten und einer konkreten Gefahr ermögliche. Deshalb sei die konkrete Gefahr erst dann zu bejahen, wenn es zu einer kritischen Situation gekommen sei, in der die Sicherheit einer bestimmten Person oder aber einer Sache so weit beeinträchtigt wurde, dass die tatsächliche Rechtsgutverletzung nur noch vom Zufall abhing („Beinahe-Unfall“).

Es ist nicht abzustreiten, dass das Fahren mit manipulierten Bremsschläuchen ein hohes Unfallrisiko beinhaltet. Dieses Risiko stellt jedoch lediglich eine abstrakte Gefährdung des Straßenverkehrs dar. Weder andere Autofahrer noch andere Verkehrsteilnehmer wurden im Rahmen eines „Beinahe-Unfalls“ in Gefahr gebracht. Deshalb ist die von § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB geforderte konkrete Gefahr, im vorliegenden Fall zu verneinen

II. Ergebnis

Wegen des Fehlens einer konkreten Gefahr hat sich R nicht wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.

G. Strafbarkeit des R wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, §§ 315b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 Alt. 2, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB

R könnte sich wegen der Manipulation an den Bremsschläuchen wegen eines versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gem. §§ 315b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 Alt. 2, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben.

I. Vorprüfung

Ein vollendeter Eingriff in den Straßenverkehr hat nicht stattgefunden. Der Versuch dessen wäre jedoch nach § 315b Abs. 2, Abs. 3, 23 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar.

II. Tatbestand
1. Tatentschluss

R war sich darüber im Klaren, dass die angeschnittenen Bremsleitungen reißen könnten. Hinsichtlich der Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch das Fahren des Porsches mit manipulierten Bremsen handelte er infolgedessen vorsätzlich.

Zudem wollte er durch die Manipulation einen Unfall herbeiführen, sodass er auch hinsichtlich der Herbeiführung einer konkreten Gefahr mit Vorsatz handelte. R steuerte den Porsche zwar nicht selbst und konnte damit auch die konkrete Gefahr nicht eigenständig hervorrufen. Allerdings besaß P wegen fehlender Kenntnis über die Manipulation nicht die Tatherrschaft. Diese ging vielmehr von R aus, sodass er den Tatentschluss in mittelbarer Täterschaft herbeiführte.

2. Unmittelbares Ansetzen

Durch das Anschneiden der Bremsschläuche hat R unmittelbar eine Beschädigung des Porsches vorgenommen. Die Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals und die ungehinderte Einmündung in die eigentliche Gefährdung führen damit bereits zu einer Bejahung des unmittelbaren Ansetzens durch R.

3. Rechtswidrigkeit/4. Schuld

Weiterhin handelte R auch rechtswidrig. Auch an seiner Schuld bestehen keinerlei Zweifel.

5. Kein Rücktritt, da der Versuch fehlgeschlagen ist.

III. Ergebnis

Damit hat sich R wegen eines versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 315b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 Alt. 2, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht.

H. Strafbarkeit des R wegen eines versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, §§ 315b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 Alt. 1 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB

R könnte sich durch das versuchte Herbeiführen eines Unglücksfalles wegen eines versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gem. §§ 315b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 Alt. 1 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB strafbar gemacht haben.

I. Vorprüfung

Die Bremsschläuche haben bis zum Fahrtende gehalten, es ist damit nicht zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gekommen. Der Versuch ist nach §§ 315b Abs. 3, 23 Abs. 1 Alt. 1 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB strafbar.

II. Tatbestand
1. Tatentschluss

Ein Tatentschluss hinsichtlich der Tat des § 315b Abs. 1 Nr. 1 liegt wie unter G festgestellt vor. Allerdings müsste R darüber hinaus noch die die Absicht gehabt haben, einen Unglücksfall hervorzurufen.

  • Ein Unglücksfall i. S. v. § 315 StGB ist jedes plötzlich eintretende Ereignis, das die unmittelbare Gefahr eines erheblichen Schadens für andere Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert hervorruft.

R hat die Bremsschläuche angeschnitten und die anschließende Autofahrt mit P angetreten, um sich das Leben zu nehmen. Er rechnete also damit, dass die Bremsschläuche im Laufe der Fahrt über die Autobahn oder Bundesstraße reißen würden und P infolgedessen das Auto nicht mehr unter Kontrolle haben würde, sodass sie im Wege eines Unfalls sterben würden. Hinsichtlich der Selbsttötung handelte R mit Absicht, allerdings nahm er den Tod von seinem Freund P nur in Kauf, sodass diesbezüglich lediglich dolus eventualis vorlag. Allerdings ging es R letztlich in erster Linie um die Herbeiführung des Unglücksfalls. Der Eintritt des Todes des P als Zwischenziel muss daher nicht von der Absicht umfasst sein. Hinsichtlich des Unglücksfalles handelte R damit absichtlich.

2. Unmittelbares Ansetzen

R hat zwar die Bremsschläuche angeschnitten, jedoch war der Porsche für P nicht frei zugänglich, sodass diese Handlung allein noch nicht ausreichen würde. In Verbindung mit der Überredung des P zur Autofahrt mit den manipulierten Bremsen hatte R jedoch alles aus seiner Sicht Erforderliche getan, um den Tatbestand zu verwirklichen. Während der Autofahrt bestand eine konkrete Gefährdung für P.

3. Rechtswidrigkeit/4. Schuld

R handelte rechtswidrig und schuldhaft.

5. Kein Rücktritt, da der Versuch fehlgeschlagen ist.

III. Ergebnis

R hat sich gem. §§ 315b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 Alt. 1 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB wegen eines versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar gemacht.

I. Strafbarkeit des R wegen Sachbeschädigung, § 303 Abs. 1. Alt. 2 StGB

Der Porsche stand im Eigentum des R, sodass eine Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 Alt. 2 StGB ausscheidet.

J. Strafbarkeit des R wegen Versicherungsmissbrauch, § 265 Abs. 1 StGB

Ein Versicherungsmissbrauch gem. § 265 Abs. 1 StGB umfasst als Tatobjekt nicht das Leben, sondern nur eine Sache. Die Lebensversicherung versichert jedoch das Leben, sodass sich R nicht wegen eines Versicherungsmissbrauchs gem. § 265 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben kann.

K. Strafbarkeit des R wegen eines versuchten Betrugs ggü. und zu Lasten der Lebensversicherung gem. §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB

R könnte sich wegen eines versuchten Betrugs in mittelbarer Täterschaft gegenüber und zu Lasten der Lebensversicherung gem. §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er einen Unfall inszenierte, durch den die Versicherung keinen Anlass haben würde, die eingezahlten Beiträge nicht an seine Ehefrau Manuela auszuzahlen.

I. Vorprüfung

Der Betrug hat nicht stattgefunden. Ein Versuch dessen ist aber nach § 263 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar.

II. Tatbestand
1. Tatentschluss

R hat die Manipulation der Bremsschläuche absichtlich hervorgerufen. Zudem hat er absichtlich den P fahren lassen, damit der geplante Tod wie ein Unfall aussehen sollte. R ging davon aus, dass seine Ehefrau M den Unfall bei der Lebensversicherung melden und das Geld ausgezahlt bekommen würde. Deshalb handelte R weiterhin auch absichtlich hinsichtlich der Herbeiführung einer Täuschung der Versicherung und hinsichtlich des Eintritts eines Vermögensschadens bei dieser. M hatte von den Plänen ihres Mannes keine Ahnung, sodass sie vorsatzlos ganhdelt hätte und von R lediglich als Werkzeug benutzt worden wäre. Deshalb liegt hier ein Fall der mittelbaren Täterschaft vor. Der Tatentschluss ist gegeben.

2. Unmittelbares Ansetzen

Fraglich ist aber, ob auch das unmittelbare Ansetzten zur Tat begründet werden kann. Durch das Anschneiden der Bremsschläuche und das anschließende Fahren mit dem Porsche hat R eine Kausalkette in Gang gesetzt, auf die er keinen Einfluss mehr hatte. Allerdings hing der Betrug noch von zu vielen weiteren Faktoren ab. Es war nicht klar, ob R bei dem geplanten Unfall auch tatsächlich sterben würde, zudem war nicht garantiert, dass M von der Lebensversicherung ihres Mannes Kenntnis hatte und den Unfall der Versicherung melden würde. Die eigentliche Vermögensgefährdung lag damit in viel zu weiter Ferne. Auch wenn man aufgrund der Lebenswahrscheinlichkeit  davon ausgehen kann, dass M die Geldsumme bei der Versicherung eingefordert hätte, konnte sich R bei Fahrtantritt hierüber nicht sicher sein.

Im Ergebnis muss man feststellen, dass die Verwirklichung eines Versicherungsbetruges viel zu ungewiss war, sodass ein unmittelbares Ansetzen hierzu nicht bejaht werden kann.

III. Ergebnis

R hat sich dementsprechend nicht wegen eines versuchten Betruges in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1, Alt. 2 StGB strafbar gemacht.

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Klausur § 315 b StGB und Tötungsdelikte auf unserer Website Jura Individuell.

Klausur Untreue und Unterschlagung

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Die folgende Klausur beschäftigt sich mit der Untreue, dem Betrug, der Unterschlagung, der veruntreuenden Unterschlagung und soll damit eine Übersicht darüber geben, wie diese Delikte in einem Klausurgutachten zu prüfen sind. Weitere möglicherweise einschlägige Delikte finden zum Zwecke der Übersichtlichkeit hier keine Ausführungen.

Sachverhalt: Die idealen Gedanken des Auszubildenden Hermes

Als der Autohändler Lange auf seinem Verkaufshof herumschlenderte, ärgerte er sich, dass dort immer noch die bereits vor einem halben Jahr auf Vorrat bestellte Audi A 6 Limousine i. W. v. 37.000 € herumstand. Weil Herr Lange bisher jedem Interessenten mitteilte, dass der Wagen ein „Montagswagen“ sei und einen Defekt an einer Zylinderkopfdichtung aufweise, entschieden sich alle Kaufinteressenten für ein anderes Modell.

Gerade als Herr Lange sich so ärgerte, kam Dolores zum Autohaus. Diese hatte von den Vorteilen der Abwrackprämie gehört und wollte sich schnellstmöglich einen Neuwagen kaufen. Der im Autohaus Lange angestellte Verkäufer Schwanitz kannte Dolores bereits aus früheren Zeiten und verstand, sie zu begeistern. Er zeigte ihr den Audi A 6 und machte deutlich, dass es sich bei dem Wagen um einen Neuwagen handele, der einen sehr guten Fahrkomfort besäße. Von dem Defekt an der Zylinderkopfdichtung erwähnte er nichts. Dolores gefiel der Wagen eigentlich sehr gut. Angesichts des nicht unbeträchtlichen Preises zögerte sie jedoch noch mit der Kaufentscheidung. Als „Motivationshilfe“ bot Schwanitz ihr an, ein Navigationsgerät der Firma Becker i. W. v. 2.500 € kostenlos beizufügen und einzubauen. Dabei war ihm bewusst, dass er mit seiner so wertvollen Zugabe seine Kompetenzen überschreitet. Angesichts der schwierigen Zeiten in der Autobranche hatte ihm Autohändler Lange lediglich gestattet, im Rahmen der Verkäufe von Fahrzeugen Zugaben lediglich bis zu einer Wertgrenze von 1.500 € zu geben. Über den Vorschlag war Dolores begeistert, weil sie erst vor kurzem den Weg zu ihrer Freundin nicht gefunden hatte, und schloss den Kaufvertrag ab. Da das Gerät erst am Nachmittag eingebaut werden könne, bot Schwanitz Dolores an, das Fahrzeug am späten Nachmittag von dem Azubi Hermes vorbeibringen zu lassen. Mit diesen Vorschlägen einverstanden, bezahlte Dolores die anstehenden Kosten i. H. v. 37.500 € für den Audi und begab sich zufrieden nach Hause.

Der Azubi Hermes machte sich am späten Nachmittag auf den Weg zu Dolores. Als er jedoch ein wenig umhergefahren war, bemerkte er das hochwertige Navigationsgerät. Da er selbst schon immer ein solches Gerät haben wollte, entschied er sich, das Navigationsgerät für seinen eigenen Gebrauch zu nutzen. Das Gerät war allerdings fest montiert und ließ sich nicht ohne Weiteres ablösen. Deshalb hielt er nach geeignetem Werkzeug Ausschau und bemerkte dabei die auf dem Rücksitz stehende Werkzeugkiste, die Herr Schwanitz beim Einbauen des Navigationsgeräts dort vergessen hatte. Hermes zögerte nicht lange und demontierte das Gerät. Wegen der besonderen Hochwertigkeit und Brauchbarkeit des Werkzeugs entschied sich Hermes, dieses ebenfalls für Privatzwecke zu behalten. Als er mit allem fertig war, brachte er seine neuen Errungenschaften sicher in seine Wohnung.

Da Hermes ohnehin mit seinem Ausbildungsplatz nicht zufrieden war und er, seiner Ansicht nach, zu viel für sein Geld arbeiten musste, fasste er den Gedanken schneller und einfacher zu Geld zu kommen. Er erinnerte sich, dass vor kurzer Zeit der Kunde Herr Bremer beim Autohaus war und Interesse an dem Audi A 6 bekundet hatte. Nachdem ihm Herr Lange jedoch über den Defekt informierte, sich gleichzeitig aber nicht auf einen Handel einlassen wollte, sondern an dem Neupreis von 37.500 € festhielt, verzichtete er auf seinen Traum vom Audi. Hermes wollte ihm nun ein schnelles Geschäft anbieten. Er fuhr daher mit dem Auto zu Herrn Bremers Haus und bot diesem das Fahrzeug an. Er sagte, dass er sich das Auto vor einiger Zeit selbst gekauft habe, er nun aber kein Interesse mehr daran habe, sondern vielmehr einen Porsche kaufen wolle. Herr Bremer erkannte Hermes und wusste, dass dieser bei Herrn Lange arbeitet und stets Pleite ist. Er war sich daher sicher, dass das Auto nicht ihm gehören konnte. Um sich aber dennoch den Traum vom eigenen Audi zu erfüllen, ging er auf das Angebot von Hermes ein und bezahlte am Ende 5.000 € weniger als Herr Lange dafür verlangte. Mit dem Geld in der Tasche verschwand Hermes nach Hause.

Wie haben sich S und H strafbar gemacht?

Bearbeitervermerk: Gegebenenfalls für erforderlich gehaltene Strafanträge gelten als gestellt.

 

1. Teil – Das Geschehen im Autohaus Olymp

A. Strafbarkeit des Herrn Schwanitz (S) wegen Betruges zum Nachteil Dolores (D)

S könnte sich wegen Betruges gem. § 263 Abs. 1 StGB gegenüber und zum Nachteil von D und zu Gunsten des Herrn Lange (L) strafbar gemacht haben, indem er D vormachte, dass es sich bei dem Audi um einen einwandfreien Neuwagen handele, dabei aber den Defekt an der Zylinderkopfdichtung verschwieg.

I. Objektiver Tatbestand

Dazu müsste zunächst der objektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB vorliegen.

1. Täuschung

Insofern ist erforderlich, dass eine Täuschungshandlung gegeben ist. Eine Täuschungshandlung im Sinne von § 263 StGB ist das Vorspiegeln falscher Tatsachen oder die Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Tatsachen im Sinne des § 263 StGB sind konkrete Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind. S hat D lediglich darüber informiert, dass es sich bei dem Audi um einen Neuwagen handele. Durch das Verschweigen, dass der Audi ein Montagswagen sei, spiegelte er D konkludent vor, dass es sich um ein einwandfreies Modell handele. Insofern ist eine konkludente Täuschungshandlung einschlägig.

2. Irrtum

Zudem müsste S bei D durch seine Täuschung ein Irrtum erregt haben. Ein Irrtum im Sinne von § 263 StGB ist jede unrichtige, der Wirklichkeit nicht entsprechende Vorstellung über Tatsachen. D ließ sich zum Kauf des Audis für den Neuwert hinreißen, da sie nicht von einem mangelbehafteten, sondern von einem einwandfreien Neuwagen ausging. Ein Irrtum liegt damit vor.

3. Vermögensverfügung

Weiterhin ist erforderlich, dass eine Vermögensverfügung vorhanden ist. Eine Vermögensverfügung im Sinne von § 263 StGB umfasst jedes freiwillige tatsächliche Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten, dass bei diesem selbst oder bei einem Dritten unmittelbar zu einer Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinne führt. Indem D den Neupreis des Wagens bezahlte, verfügte sie unmittelbar über ihr Vermögen, das im Anschluss daran um 37.500 € gemindert war. Folglich ist eine Vermögensverfügung vorhanden.

4. Vermögensschaden

Darüber hinaus muss ein Vermögensschaden vorliegen. Ein Vermögensschaden im Sinne von § 263 StGB bezeichnet eine nachteilige Vermögensdifferenz, die nicht durch ein unmittelbar aus der Verfügung fließendes Äquivalent wirtschaftlich voll ausgeglichen wird. Der Audi hatte aufgrund seiner Fehlereigenschaft lediglich einen Marktwert von 37.000 €. Indem D für das Auto den grundsätzlich geltenden Neupreis in Höhe von 37.500 € bezahlte, erlitt sie eine Vermögenseinbuße in Höhe von 500 €. Damit liegt auch ein Vermögensschaden vor.

5. Kausalität

Erforderlich ist überdies, dass der Vermögensschaden kausal durch den täuschungsbedingten Irrtum eingetreten ist. Kausal im Sinne des Strafrechts und im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel ist jede Bedingung für einen Erfolg, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Hätte D von der Mangelhaftigkeit und des dadurch bedingten geringen tatsächlichen Wertes gewusst, so hätte sie nicht den angesetzten Neupreis bezahlt. Insofern ist eine Kausalität zwischen der Täuschung und der Vermögensverfügung vorhanden und die Voraussetzungen des objektiven Tatbestandes sind sämtlich erfüllt.

II. Subjektiver Tatbestand

Weiterhin müsste der subjektive Tatbestand vorliegen.

1. Vorsatz

Dazu ist zunächst erforderlich, dass S hinsichtlich des täuschungsbedingten Vermögensschadens bei D vorsätzlich gehandelt hat. Vorsatz im Sinne des § 16 StGB ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände bzw. verkürzt: Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. S wusste, dass der Audi aufgrund des Mangels keinen Neuwert besaß und er wollte D bewusst und zweckgerichtet dazu bringen, durch sein Schweigen den Neupreis zu bezahlen. Damit handelte S hinsichtlich des täuschungsbedingten Vermögensschadens bei D vorsätzlich.

2. Bereicherungsabsicht

Für den Betrug ist darüber hinaus allerdings erforderlich, dass S mit Bereicherungsabsicht gehandelt hat. Die Bereicherungsabsicht im Sinne von § 263 StGB ist gegeben, wenn es den Täter auf die Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils ankommt; mag dieser Vorteil von ihm auch nur als Mittel zu einem anderweitigen Zweck und damit als Zwischenziel erstrebt werden. S wollte für L einen Vermögensvorteil erlangen, indem er endlich den Audi verkaufen würde, er hatte also Drittbereicherungsabsicht. Wegen des Wissens, dass der Audi den geforderten Preis nicht Wert sei, er der D diese Tatsache jedoch verschwieg, handelte S letztlich mit Bereicherungsabsicht.

III. Rechtswidrigkeit/Schuld

S handelte sowohl rechtswidrig, als auch schuldhaft.

IV. Ergebnis

S hat sich damit wegen Betruges gem. § 263 Abs. 1 StGB ggü. und zum Nachteil von D und zu Gunsten des Herrn Lange (L) strafbar gemacht haben, indem er D vormachte, dass es sich bei dem Audi um einen einwandfreien Neuwagen handele, dabei aber den Defekt an der Zylinderkopfdichtung verschwieg.

B. Strafbarkeit des S wegen Untreue

S könnte sich wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1, 1. Alt. StGB strafbar gemacht haben, indem er D ein Navigationsgerät i. W. v. 2.500 € schenkte, obwohl ihm bekannt war, dass er Autozubehör nur  i. H. v. 1.500 € veräußern durfte.

I. Objektiver Tatbestand

1. Tathandlung

Dafür müsste zunächst eine Tathandlung vorliegen. Diese könnte hier in dem Missbrauch der erteilten Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis liegen, wenn S seine ihm rechtswirksam durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen, missbraucht und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Nachteil zugefügt haben.

a) Verfügungs-/Verpflichtungsbefugnis

Dann müsste dem S eine Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis eingeräumt worden sein. Eine Verfügungsbefugnis im Sinne von § 266 Abs. 1, Alt. 1 StGB ist eine Rechtsstellung, die den Täter nach außen in den Stand setzt, Vermögensrechte eines anderen wirksam zu ändern, zu übertragen oder aufzuheben. Eine Verpflichtungsbefugnis im Sinne von § 266 Abs. 1, Alt. 1 StGB hingegen ist eine Rechtsstellung, die den Täter nach außen in den Stand setzt einen anderen mit Verbindlichkeiten zu belasten. S war durch den mit L geschlossenen Arbeitsvertrag zum Verkauf von Autos befugt. Ihm war hierüber hinaus erlaubt, Autozubehör zu veräußern, so lange dies keinen höheren Wert als 1.500 € aufwies. Insofern war S durch seinen Arbeitsvertrag befugt, über das Vermögen des L zu verfügen. Eine Tathandlung in Form der Verfügungsbefugnis ist damit vorhanden.

b) Missbrauch

Zudem müsste ein Missbrauch der Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis vorliegen. Eine Missbrauchshandlung im Sinne von § 266 Abs. 1, Alt. 1 StGB ist gegeben, wenn der Täter im Rahmen seines rechtsverbindlichen Könnens die Grenzen des im Innenverhältnis einzuhaltenden rechtlichen Dürfens bewusst überschreitet. Wegen des § 56 HGB war S im Außenverhältnis befugt, die für ein Autohaus üblichen Geschäfte auszuführen. Das Verschenken eines Navigationsgeräts im Rahmen eines Autoverkaufs eines Händlers entspricht dabei den allgemeinen Grundsätzen. Dieses rechtliche Können wurde im Innenverhältnis von Herrn Lange aber dahingehend eingeschränkt, dass S nur solche Geschäfte bis maximal 1.500 € durchführen durfte. Durch das Verschenken des Navigationsgeräts im Wert von 2.500 € verstieß S gegen diese arbeitsvertraglich geregelte Vereinbarung. Folglich verstieß er gegen die Grenzen des rechtlichen Dürfens, sodass ein Missbrauch zu bejahen ist.

2. Vermögensbetreuungspflicht

Zu klären bleibt weiterhin, ob bei der hier einschlägigen Missbrauchsalternative zu der vorhandenen Verfügungsbefugnis eine Vermögensbetreuungspflicht hinzutreten muss. Die Beantwortung dieser Frage ist jedoch umstritten.

  • 1. Ansicht:

Eine Ansicht nimmt an, dass sich die Missbrauchs– und die Treuebruchsalternative als selbstständige Tatbestände gegenüberstehen und demnach eine Vermögensbetreuungspflicht lediglich für die Treuebruchs-, nicht aber für die Missbrauchsalternative erforderlich sei. Hierfür spräche auch der Gesetzeswortlaut, der ein über das Merkmal des Missbrauchs hinausgehendes Erfordernis nicht beinhaltet.

  • 2. Ansicht:

Eine andere Ansicht fordert hingegen zwar eine Vermögensbetreuungspflicht, nimmt diese aber bereits dann an, wenn dem Täter die Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis im Interesse des Vermögensinhabers übertragen worden ist. Die erforderliche Eingrenzung werde nämlich bereits durch das Merkmal des Missbrauchs erreicht.

  • 3. Ansicht (h. L. und Rspr.):

Die h. L. und die Rspr. sind der Ansicht, dass der Missbrauchstatbestand nur ein spezieller Fall der Treuebruchstatbestandsalternative sei. Folge dieser Ansicht wäre dann, dass der Missbrauchstatbestand ebenfalls eine Vermögensbetreuungspflicht wie die Begehungsform des Treuebruchs verlangt.

  • 4. Stellungnahme:

Betrachtet man den im Gesetz vorhandenen Relativsatz „dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat“ genauer, so wird deutlich, dass sich dieser auf beide Begehungsformen bezieht. Hinzukommt, dass einer Ausuferung des § 266 StGB vorgebeugt werden soll und damit eine restriktive Auslegung zu erfolgen hat. Im Ergebnis ist daher mit der Ansicht der h. L. und Rspr. eine Vermögensbetreuungspflicht zu fordern.

Zu prüfen ist damit, ob in dem hier vorliegenden Fall eine Vermögensbetreuungspflicht angenommen werden kann. Eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB ist die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen, welche den typischen und wesentlichen Inhalt des rechtlich begründeten oder faktisch bestehenden Treueverhältnisses bildet, also dessen Hauptgegenstand und nicht eine bloße Nebenpflicht ist. S hatte die Aufgabe im Namen des L Autos zu verkaufen, sowie zugehöriges Autozubehör im Wert von bis zu 1.500 €. Insoweit besaß S einen gewissen Handlungsspielraum, in dem er selbstständig Entscheidungen treffen konnte. Dadurch, dass er jedoch ein Navigationsgerät mit einem wesentlichen höheren Wert an D aushändigte, überschritt er den ihm zugeteilten Handlungsspielraum. Folglich ist die Vermögensbetreuungspflicht durch S verletzt worden.

3. Taterfolg: Vermögensnachteil

Die Folge des pflichtwidrigen Handelns des S muss die Zufügung eines Nachteils zulasten des L sein. S hat das Navigationsgerät aus dem Warenbestand des L herausgenommen und an D verschenkt. Insofern könnte man zunächst annehmen, dass dem L ein Schaden i. H. v. 2.500 € entstanden ist. Andererseits muss man betrachten, dass das von S verkaufte Auto defekt war und statt der von D bezahlten 37.500 € lediglich 37.000 € Wert war. Insofern hat der L durch den Verkauf des Autos einen Gewinn i. H. v. 500 € erzielt. Dieser muss nun von dem  Wert des Navigationsgerätes abgezogen werden. Im Ergebnis hat L also einen Vermögensnachteil i. H. v. 2.000 € erlitten.

II. Subjektiver Tatbestand

S wusste, dass er dass Navigationsgerät nicht hätte verschenken dürfen, was er aber dennoch tat, sodass er vorsätzlich handelte und den subjektiven Tatbestand damit erfüllte.

III. Rechtswidrigkeit/IV. Schuld

Auch wenn S aus Mitleid gehandelt haben sollte, überschritt er die ihm durch Vertrag eingeräumten Grenzen. Da außerdem keine Rechtfertigungs-, noch Schuldausschließungsgründe ersichtlich sind, handelte S im Ergebnis sowohl rechtswidrig als auch schuldhaft.

V. Ergebnis

S hat sich wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1, 1. Alt. StGB strafbar gemacht, indem er D ein Navigationsgerät im Wert von 2.500 € schenkte, obwohl ihm bekannt war, dass er Autozubehör nur in einer Höhe von bis zu 1.500 € veräußern durfte.

2. Teil – Das preiswerte Navigationsgerät

A. Strafbarkeit des H wegen Untreue

H könnte sich wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1, 1, 2. Alt. StGB strafbar gemacht haben, indem er das Navigationsgerät aus dem Auto der D entfernte und zu sich nach Hause schaffte.

I. Objektiver Tatbestand

Dazu müsste zunächst der objektive Tatbestand vorliegen.

1. Tathandlung:

a) Missbrauchstatbestand, 1. Alt.

Zu klären ist dafür zunächst, welche Alternative des § 266 Abs. 1 StGB für die Tat in Betracht käme. Insofern ist zu betrachten, ob die vorrangig zu beurteilende Missbrauchstatbestandsalternative möglich erscheint. H handelte bei der Entfernung des Navigationsgeräts jedoch in seinem eigenen Interesse und wurde zu dieser Handlung in keinster Weise von seinem Chef L oder anderen Befugten angehalten. Demnach gelangt man, ganz gleich, welcher Ansicht man sich hinsichtlich des Erfordernisses einer Vermögensbetreuungspflicht anschließt, zu dem Ergebnis, dass die erste Alternative schon wegen des Fehlens eines rechtsgeschäftlichen Handelns auszuschließen ist. Die Missbrauchstatbestandsalternative liegt folglich nicht vor.

b) Treuebruchstatbestand, 2. Alt.

Zu klären bleibt demnach, ob die 2. Alternative in Form des Treuebruchstatbestandes eingreift. Allerdings sollte H lediglich den Audi bei der D abliefern und nicht das Navigationsgerät aus dem Fahrzeug ausbauen. Betrachtet man die Anweisung an H genauer, so lässt sich erkennen, dass H lediglich als Bote einzuordnen ist und damit keinen nötigen Handlungsspielraum besitzt. H sollte nur das ausführen, was ihm aufgetragen wird. Hier liegt der Auftrag im Abliefern des Audis mit Navigationsgerät an D. Auch wenn sich H gegen diese Anordnung widersetzt, kann daraus keine Verfügungsbefugnis abgeleitet werden.

2. Zwischenergebnis

Folglich liegen weder die Missbrauchs-, noch die Treuebruchstatbestandsalternative des § 266 Abs. 1 StGB vor.

II. Ergebnis

H hat sich also nicht wegen Untreue gem. § 266 StGB strafbar gemacht, als er das Navigationsgerät aus dem Fahrzeug der D demontierte und dieses anschließend zu sich nach Hause schaffte.

B. Strafbarkeit des H wegen veruntreuender Unterschlagung

H könnte sich allerdings wegen veruntreuender Unterschlagung gem. § 246 Abs. 1, 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er das Navigationsgerät demontierte und zu sich nach Hause schaffte.

I. Objektiver Tatbestand

Dann müsste zunächst der objektive Tatbestand vorliegen.

1. Navigationsgerät

Erforderlich ist demnach, dass es sich bei dem Navigationsgerät um eine fremde, bewegliche Sache handelt. Sachen sind alle körperlichen Gegenstände ohne Rücksicht auf ihren wirtschaftlichen Wert. Sie sind fremd, wenn sie im (Allein-, Mit-, oder Gesamthands-) Eigentum eines anderen stehen, also weder herrenlos im Sinne der §§ 985 ff. BGB sind, noch ausschließlich dem Täter selbst gehören. Ferner sind sie beweglich, wenn sie sich tatsächlich fortbewegen lassen. Bei einem Navigationsgerät handelt es sich um einen körperlichen Gegenstand, der sich tatsächlich fortbewegen lässt und der im Eigentum der D – jedenfalls aber des L – stand und damit für den H fremd war. Das Navigationsgerät ist damit eine fremde, bewegliche Sache.

2. Tathandlung

Darüber hinaus muss eine taugliche Tathandlung, also eine Zueignung, vorliegen. Zueignung in diesem Sinne ist ein Verhalten, das für einen gedachten, mit den Gesamtumständen vertrauten, objektiven Beobachter den sicheren Schluss darauf zulässt, dass der Täter die Sache oder ihren Sachwert unter dauerhaften Ausschluss des Eigentümers seinem Vermögen oder dem eines Dritten einverleiben will (enge Manifestationslehre). H hat durch das Ausbauen des Navigationsgeräts aus dem Auto und dem anschließenden Wegschaffen dieses in seine Wohnung zum Ausdruck gebracht, dass er das Navigationsgerät nicht der Eigentümerin D zukommen lassen will.

3. Rechtswidrige Zueignung

Weiterhin müsste diese Zueignung rechtswidrig gewesen sein. Die Zueignungsabsicht ist die Absicht, sich oder einem Dritten die fremde Sache oder den in ihr verkörperten Sachwert anzueignen, gepaart mit dem Vorsatz, den Eigentümer zu enteignen. Rechtswidrig ist diese Zueignung, wenn der Täter auf die Sache keinen fälligen und einredefreien Anspruch hat. Das Navigationsgerät gehörte nicht dem H und er hatte auch keinen fälligen und einredefreien Anspruch auf die Übereignung des Navigationsgeräts. Vielmehr wollte er das Navigationsgerät zu seinen eigenen Zwecken ohne die Kenntnis der D nutzen. Damit liegt eine rechtswidrige Zueignung vor.

4. Qualifikation, § 246 Abs. 2 StGB

Zu prüfen ist weiterhin, ob vorliegend die Qualifikation zu einer veruntreuenden Unterschlagung gem. § 246 Abs. 2 StGB in Betracht kommt. Dafür müsste ihm das Navigationsgerät anvertraut worden sein. Anvertraut ist eine Sache, die der Täter vom Eigentümer oder einem Dritten mit der Verpflichtung erlangt hat, sie zu einem bestimmten Zweck zu verwenden, aufzubewahren oder auch nur zurückzugeben. H bekam von S den Auftrag den Audi samt Navigationsgerät bei D abzuliefern. Insofern wurde ihm zu diesem Zwecke das Navigationsgerät anvertraut. Ein Anvertrautsein und damit eine Qualifikation des Tatbestandes im Sinne des § 246 Abs. 2 StGB ist damit gegeben.

II. Subjektiver Tatbestand

H wusste, dass er nicht befugt war, das ihm anvertraute Navigationsgerät für seine eigenen Zwecke zu gebrauchen, sodass er hinsichtlich der rechtswidrigen Zueignung einer fremden, beweglichen Sache vorsätzlich handelte.

III. Rechtswidrigkeit

Das Verhalten des H ist rechtswidrig und nicht durch Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt.

IV. Schuld

Überdies kommen keine Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe in Betracht, sodass H schuldhaft handelte.

V. Ergebnis

Indem H das Navigationsgerät aus dem Fahrzeug der D demontierte und es anschließend zu sich nach Hause schaffte, hat sich H wegen veruntreuender Unterschlagung gem. § 246 Abs. 1, 2 StGB strafbar gemacht.

C. Strafbarkeit des H wegen Unterschlagung des Werkzeugs

Indem H das sich im Auto befindliche Werkzeug des L in seine Wohnung brachte, könnte er sich wegen Unterschlagung gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.

I. Objektiver Tatbestand

1. Werkzeug

Bei dem Werkzeugkoffer und dem darin befindlichen Werkzeug handelt es sich um eine für H fremde, bewegliche Sache.

2. Tathandlung

Das Werkzeug wurde zwar zuvor von dem S zum Einbau des Navigationsgeräts in das Fahrzeug der D benutzt, gehörte jedoch zum Eigentum des L. Auf dieses Werkzeug hatte H zudem keinen fälligen und einredefreien Anspruch, sodass in dem Ausbau und Nachhauseschaffen des Navigationsgeräts eine rechtswidrige Zueignung zu sehen ist.

3. Qualifikation, § 246 Abs. 2 StGB

Weiterhin könnte eine Qualifikation gem. § 246 Abs. 2 StGB in Betracht kommen, wenn dem H das Werkzeug anvertraut wurde. Allerdings hatte der S das Werkzeug lediglich in dem Auto vergessen. Es war daher gar nicht von ihm beabsichtigt, dass sich das Werkzeug weiterhin im Auto befindet. Überdies hat er es auch nicht dem H übergeben. Damit wurde dem H die Werkzeugkiste nicht anvertraut und eine Qualifikation im Sinne des § 246 Abs. 2 StGB ist nicht einschlägig.

II. Subjektiver Tatbestand

H handelte hinsichtlich der rechtswidrigen Zueignung der fremden Werkzeugkiste mit Wissen und Wollen, sodass der Vorsatz und damit auch der subjektive Tatbestand erfüllt sind.

III. Rechtswidrigkeit

Das Verhalten des H ist rechtswidrig und nicht durch Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt.

IV. Schuld

H begann seine Handlungen in einem schuldfähigen Zustand, die weder durch Entschuldigungs-, noch durch Schuldausschließungsgründe entschuldigt wären.

V. Ergebnis

H hat sich wegen Unterschlagung gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er das Werkzeug zu sich nach Hause brachte und es für private Zwecke nutzen wollte.

 

3. Teil – Die Audi A6 Limousine

A. Strafbarkeit des H wegen Untreue

Durch den Verkauf des Audis an B könnte sich H wegen einer Untreue gem. § 266 Abs. 1, 2 StGB strafbar gemacht haben. Da H jedoch lediglich als Bote zur Ablieferung des Autos an D eingesetzt wurde, kam ihm hinsichtlich des Fahrzeugs kein eigener Handlungsspielraum zu. Auch wenn er sich als Eigentümer des Fahrzeugs aufführte, ändert dies nichts am Fehlen sowohl der Missbrauchs-, als auch der Treuebruchstatbestandsalternative des § 266 Abs. 1 StGB. Damit hat sich H durch den Verkauf des Audis an B aber auch nicht wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1, 2 StGB strafbar gemacht.

B. Strafbarkeit des H wegen veruntreuender Unterschlagung

H könnte sich allerdings wegen veruntreuender Unterschlagung gem. § 246 Abs. 1, 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er den Audi nicht wie von S aufgetragen bei D ablieferte, sondern diesen statt dessen an B verkaufte.

Bei dem Audi handelt es sich um eine fremde, bewegliche Sache. H war zudem nicht daran interessiert den Audi an D abzuliefern, sondern stattdessen schnell und einfach zu Geld zu kommen. Insofern liegt auch eine rechtswidrige Zueignung vor. H handelte vorsätzlich, rechtswidrig sowie schuldhaft. Da dem H das Auto zur Auslieferung an D anvertraut war, verwirklichte er zusätzlich die Qualifikation des Abs. 2. Insofern hat sich H durch den Verkauf des Audis an B wegen veruntreuender Unterschlagung gem. § 246 Abs. 1, 2 StGB strafbar gemacht.

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Klausur Untreue und Unterschlagung auf unserer Website Jura Individuell.

Das erfolgsqualifizierte Delikt

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Die erfolgsqualifizierten Delikte stellen in Klausuren häufig ein Problem dar. Zunächst ist es für viele schwierig zu entscheiden, an welcher Stelle diese Delikte geprüft werden. Zum anderen ergeben sich in der Prüfung selbst Kausalitäts- und Zurechnungsfragen, welche für viele verwirrend erscheinen (Stichwort: „Unmittelbarkeitszusammenhang“).

Dieses Schema soll dabei helfen, das erfolgsqualifizierte Delikt richtig in die Klausur einzuordnen und sauber zu prüfen.

A. Grundlegendes

Die Besonderheit der erfolgsqualifizierten Delikte liegt darin, dass durch die Begehung des Grunddeliktes eine besondere Tatfolge herbeigeführt wird. Somit wird also der als Vorsatzdelikt strafbare Grundtatbestand durch die schwere Folge qualifiziert. Eine geläufige Bezeichnung für die erfolgsqualifizierten Delikte ist auch Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination. Dies folgt aus § 18 StGB, wo es heißt: „Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwere Strafe, so trifft sie den Täter oder Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt.

Merke: Ein erfolgsqualifiziertes Delikt ist immer ein vorsätzlich begangenes Grunddelikt mit einer mindestens fahrlässig herbeigeführten besonderen Tatfolge.

Beispiel: D hält dem Passanten O seine Pistole vor und nimmt ihm den Rucksack ab mit der Drohung, ihn bei dem geringsten Widerstand zu erschießen. Aus Furcht und Schreck über die Geschehnisse erleidet O einen Herzinfarkt und verstirbt noch vor Ort.

Das Grunddelikt wäre hier § 249 StGB (Raub), welchen D vorsätzlich verwirklicht hat. Den Tod des O hatte D jedoch nicht gewollt, dieser ist eine unbeabsichtigte besondere Folge seiner Tat. Hierbei trifft ihn nur der Vorwurf der Fahrlässigkeit. Somit ist hier eine Kombination aus § 249 StGB mit einer leichtfertig herbeigeführten schweren Folge, die in § 251 StGB unter Strafe gestellt ist, gegeben.

Wie man am obigen Beispiel sieht, kann es durchaus vorkommen, dass sowohl ein erfolgsqualifiziertes Delikt, als auch eine Qualifikation zu prüfen sind (im Beispiel würde auch die Raubqualifikation gemäß § 250 I Nr. 1 a, II Nr. 1 StGB greifen).

In welcher Reihenfolge Grunddelikt, Qualifikation und erfolgsqualifiziertes Delikt zu prüfen sind und wann die Prüfung eines Deliktes entbehrlich ist, kann man sich wie folgt merken:

1. Das Grunddelikt ist offensichtlich nicht gegeben

Liegt es auf der Hand, dass das Grunddelikt nicht gegeben ist (beispielsweise weil der Tatbestand nicht erfüllt ist oder keine Rechtswidrigkeit gegeben ist), so ist das Grunddelikt zu prüfen. Die Prüfung von Qualifikation oder Erfolgsqualifikation ist dann entbehrlich.

2. Das Grunddelikt und die Qualifikation sind offensichtlich erfüllt

In diesem Falle sollten aus klausurtaktischen Gründen das Grunddelikt und die Qualifikation zusammen geprüft werden, die Erörterung des erfolgsqualifizierten Delikts folgt im Anschluss gesondert.

3. Das Grunddelikt ist offensichtlich erfüllt, die Qualifikation hingegen nicht

Das Grunddelikt ist hier zu prüfen. Die Prüfung der Qualifikation ist allerdings überflüssig. Sehr wohl ist aber im Anschluss das erfolgsqualifizierende Delikt zu erörtern.

4. Grunddelikt und Qualifikation sind problematisch

Ist sowohl die Erfüllung des Grunddeliktes als auch der Qualifikation problematisch, so sollten beide getrennt geprüft werden. Ist das Grunddelikt dann gegeben, erfolgt die Prüfung der Erfolgsqualifikation im Anschluss.

B. Kurzes Prüfungsschema

I. Tatbestandsmäßigkeit

1. Verwirklichung des Grunddeliktes

2. Schwere Folge

a. Eintritt des qualifizierenden Erfolges
b. Kausalzusammenhang zwischen Grunddelikt und Erfolg
c. Objektive Zurechnung des qualifizierenden Erfolges

3. Unmittelbarkeitszusammenhang

4. Fahrlässigkeit hinsichtlich der schweren Folge (sofern Fahrlässigkeit vorliegt)

a. Objektive Voraussehbarkeit des Erfolges
b. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

1. Vorsatzschuld in Bezug auf das Grunddelikt

(nur falls problematisch)

2. Fahrlässigkeitsschuld hinsichtlich der schweren Folge

(sofern Fahrlässigkeit vorliegt)

a. Subjektive Vorhersehbarkeit des qualifizierenden Erfolges

(sofern Fahrlässigkeit vorliegt)

b. Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung

(sofern Fahrlässigkeit vorliegt)

C. Prüfungsschema mit Erläuterungen

I. Tatbestandsmäßigkeit

1. Verwirklichung des Grunddeliktes

Nach bereits gesonderter Prüfung des Grunddeliktes sollten hier Wiederholungen vermieden werden. An dieser Stelle kann in der Klausur einfach nach oben verwiesen werden.

2. Schwere Folge

Der Prüfungspunkt „schwere Folge“ setzt sich aus 3 Unterpunkten zusammen:

a. Eintritt des qualifizierenden Erfolges

An dieser Stelle genügt es, den tatbestandlich vorausgesetzten Erfolg einfach festzustellen.

b. Kausalzusammenhang zwischen Grunddelikt und Erfolg

Der Kausalzusammenhang zwischen dem Grunddelikt und dem Erfolg der schweren Folge wird nach der Äquivalenztheorie ergänzt durch die conditio-sine-qua-non Formel ermittelt. (liegt so gut wie immer vor)

c. Objektive Zurechnung des qualifizierenden Erfolges

Auch der objektive Zurechnungszusammenhang wird nach den allgemeinen Regeln ermittelt. Danach ist der qualifizierende Erfolg objektiv zurechenbar, wenn der Täter durch das Grunddelikt eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, welche sich in der konkret eingetretenen schweren Folge realisiert hat.

3. Unmittelbarkeitszusammenhang

Der Unmittelbarkeitszusammenhang ist ein zusätzliches objektives Zurechnungskriterium, das die von dem Grunddelikt ausgehende Gefahr mit dem eingetretenen besonderen Taterfolg verknüpft. Es muss sich hierbei eine dem Grunddelikt anhaftende spezifische Gefahr gerade in dem konkret eingetretenen Erfolg niedergeschlagen haben. Das bedeutet, dass nur die Gefährlichkeit des Grunddeliktes selbst, nicht aber andere Gefährdungsmomente,  den Erfolg verursacht haben dürfen. Die Feststellung des Unmittelbarkeitszusammenhangs erfolgt in zwei Schritten:

  • Feststellen der tatbestandsspezifischen Gefahr

Für die Feststellung der tatbestandsspezifischen Gefahr gibt es zwei verschiedene Herangehensweisen:

  • Ein Teil der Lehre verlangt für den Unmittelbarkeitszusammenhang, dass die besondere Folge gerade durch Art und Schwere des Handlungserfolges verursacht worden ist. Ein Argument dafür sei der Wortsinn (z. B. § 227 StGB). Danach sei nicht von Köperverletzungshandlung die Rede, sondern von der vorsätzlich vollendeten Köperverletzung. Für diese sei aber der tatbestandsmäßige Erfolg maßgeblich. Somit müsse der Tod eine Folge der vorsätzlichen Körperverletzung an sich sein und die erforderliche tatbestandsmäßige Gefahr muss daher aus der Gefährlichkeit der herbeigeführten Körperverletzung resultieren.
  • Nach der Gegenmeinung (ständige Rechtsprehung des BGH) umfasst die Erfolgsqualifikation nicht nur die jeweils eingetretenen Verletzungserfolge, sondern auch das Handeln des Täters, das zu dem Handlungserfolg geführt hat. Auch hier wird der Wortlaut des § 227 StGB herangezogen. Als Körperverletzung i. S. d. § 227 StGB sei nicht nur der Verletzungserfolg gemeint, vielmehr umfasse der Begriff auch die Tathandlung. Es genüge schon, dass dieser das Risiko eines tödlichen Ausgangs anhafte und das sich dann dieses dem Handeln des Täters eigentümliche Risiko im Eintritt des Todes verwirklicht. Daher sei der Unmittelbarkeitszusammenhang auch in diesen Fällen gegeben, in denen der Handlungserfolg für sich gesehen nicht mit dem Risiko eines tödlichen Ausgangs behaftet erscheint und der Tod des Opfers erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände herbeigeführt wird.

Beispiel: T will O mit einer Pistole bewusstlos schlagen um ihn zu verletzen. Während des Zuschlagens löst sich ein Schuss aus der Pistole, trifft den O und dieser verstirbt.

  • Streitentscheid: In dem oben genannten Beispiel erkennt man, dass der Körperverletzungserfolg (das Zuschlagen mit der Pistole) für sich genommen nicht tödlich ist. Der Tathandlung haftet ein solches tödliches Risiko allerdings an. Die Verknüpfung mit dem Taterfolg würde die erfolgsqualifizierten Delikte ungemein einschränken und Fälle außer Acht lassen, in denen der Täter sein Opfer durch sein Handeln in Lebensgefahr bringt. Die Zurechnung über den Unmittelbarkeitszusammenhang muss daher zwischen Handlung und Taterfolg erfolgen. Der zweiten Meinung ist regelmäßig in der Klausur zu folgen.
  • Feststellen der Unmittelbarkeit

Unmittelbarkeit ist gegeben, wenn zwischen der tatbestandsspezifischen Gefahr und dem Eintritt der schweren Folge keine wesentlichen Zwischenschritte liegen.

Hierbei sind zwei Fälle äußerst klausurrelevant und daher gut zu kennen:

  • Das Verhalten des Opfers selbst

Beispiel: Der gewalttätige Ehemann M prügelt seine Frau F. Diese kennt die Wutausbrüche ihres Mannes schon und flüchtet aus Angst auf den Balkon. Aus ihrer eigenen Unachtsamkeit heraus lehnt sich F zu weit über die Brüstung und stürzt aus dem 4. Stock in den Tod.

In diesem Fall ist der Eintritt des qualifizierenden Erfolges auf das eigenverantwortliche Verhalten der F zurückzuführen. Der Unmittelbarkeitszusammenhang ist hierbei zu verneinen.

Anders wäre der Fall gelagert, wenn F durch die Schläge ihres Mannes schon so benommen gewesen wäre, dass sie orientierungslos auf dem Balkon herumschwanken würde und aufgrund dessen stürzen würde. Hierbei handelte F nicht eigenverantwortlich. Ihre Benommenheit ist eine Ursache der zahlreichen Schläge, somit wäre hier der Unmittelbarkeitszusammenhang zu bejahen.

  • Das Dazwischentreten Dritter

Das Eingreifen eines Dritten schließt den Unmittelbarkeitszusammenhang aus, wenn dieser in zurechenbarer Weise eine Ursache für den besonderen Taterfolg gesetzt hat.

Beispiel: Nachbar N ist von den andauernden Streitigkeiten von M und F genervt. Also geht N zu der Wohnung der beiden, klopft und verlangt von M und F ihre Streitigkeiten ruhiger zu klären. F die mittlerweile von dem Streit unheimlich geladen ist, rennt wutentbrannt zur Tür, reißt diese auf schlägt auf N ein und schubst ihn die Treppe runter. Dieser stürzt und zieht sich dabei einen leichten Schädelbruch zu. M findet das ganze amüsant und tritt noch mehrmals auf den bewusstlosen N ein, woraufhin dieser verstirbt. Ob der Sturz allein für N schon tödlich ausgegangen wäre, ist im Nachhinein nicht mehr zu klären.

Hier ist zu Gunsten der F davon auszugehen, dass N nach dem Sturz allein am Leben geblieben wäre. Somit ist der Todeserfolg durch das Eingreifen eines Dritten (M) hervorgerufen worden, so dass der Schlag von F in diesem Zusammenhang unerheblich ist.

4. Fahrlässigkeit hinsichtlich der schweren Folge

Gemäß § 18 StGB muss den Täter bezogen auf die schwere Folge mindestens der Vorwurf der Fahrlässigkeit treffen. Daher sind an dieser Stelle die objektiven Fahrlässigkeitsvoraussetzungen zu prüfen, sofern Fahrlässigkeit vorliegt (der Täter kann auch bezüglich der schweren Folge mit Vorsatz handeln):

  • Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolges und
  • Objektive Sorgfaltspflichtverletzung

II. Rechtswidrigkeit

Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit wird diese (wie so oft) durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Es gelten auch hier die allgemeinen Rechtfertigungsgründe.

III. Schuld

1. Vorsatzschuld in Bezug auf das Grunddelikt

Hier gilt es die Schuld für das vorsätzliche Begehungsdelikt zu erörtern.

2. Fahrlässigkeitsschuld hinsichtlich der schweren Folge (sofern der Täter hinsichtlich der schweren Folge fahrlässig gehandelt hat)

An dieser Stelle ist die subjektive Vorwerfbarkeit der Fahrlässigkeit zu prüfen, unterteilt in:

  • Subjektive Vorhersehbarkeit des qualifizierten Erfolges
  • Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung

Beachte: Es ist nicht möglich, ein und denselben Taterfolg einmal vorsätzlich und einmal fahrlässig zu begehen.

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Die Brandstiftungsdelikte

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Die Brandstiftungsdelikte nach §§ 306-306 f StGB werden zurecht als ein wichtiger, umfangreicher und äußerst relevanter Stoffbereich des Besonderen Teils gehandelt.
Hier sollte man im wahrsten Sinne des Wortes „nichts anbrennen lassen“. Der folgende Jura-Individuell Artikel behandelt nahezu alle wesentlichen Fragen, die man für eine gute Brandstiftungsklausur und damit den Examenserfolg benötigt. Es werden die relevanten Probleme mit den verschiedenen Ansichten und Beispielen vorgestellt.
(Anmerkung: Viele Problemdiskussionen basieren auf Hillenkamp- Probleme aus dem Strafrecht BT.)

 

I. Systematik

Erste Weichenstellung: es gibt drei Grunddelikte: §§ 306, 306 a I, 306 a II StGB

1. § 306 StGB = Spezialfall der Sachbeschädigung, qualifiziert § 303 StGB und § 305 StGB; dabei immer auch an § 123 StGB denken. Eigentumsdelikt: volle Einwilligung möglich
2. 306 a I StGB: Abstraktes Gefährdungsdelikt
3. § 306 a II StGB: Konkretes Gefährdungsdelikt : „Beinaheschaden“ reicht, aber Einwilligungsmöglichkeit der gefährdeten Person beachten!

Wichtig: Alle drei können durch § 306 b I StGB (besonders schwere Brandstiftung durch Gesundheitsschädigung) sowie § 306 c StGB (leichtfertige Todesfolge) qualifiziert werden. Der Strafrahmen wird dadurch signifikant höher.

Nur § 306 a I und II StGB werden durch § 306 b II StGB qualifiziert (ganz besonders schwere Brandstiftung- fünf Jahre Mindestfreiheitsstrafe)

Prüfungshinweise: zuerst das Sachbeschädigungsdelikt des § 306 StGB prüfen wegen der Konkurrenzen; danach abstraktes Gefährdungsdelikt § 306 a I StGB vor dem konkreten Gefährdungsdelikt des § 306 a II StGB. Dadurch gelingt der Einstieg in die Prüfung leichter.

Danach gilt es die Erfolgsqualifikationen  zu beachten: Zwecks Vereinfachung kann dann bei ihnen auf die Grunddelikte verwiesen werden, bevor ihre Qualifikationsmerkmale geprüft werden.

Nicht vergessen: es gibt eine fakultative Strafmilderung nach § 306 e StGB (Tätige Reue) für die Grunddelikte und § 306 b StGB.

Auch ist ein Strafausschluss der fahrlässigen Brandstiftung (§ 306 d StGB) nach § 306 e II StGB möglich.

Allgemein gilt: es gibt für die Delikte hohe Strafrahmen, es sind daher immer Verbrechen nach § 12 I StGB (außer § 306 d StGB)

Folgen für die Klausur:
a) es ist der Versuch stets strafbar wegen § 23 I StGB
b) Die versuchte Anstiftung ist strafbar nach § 30 StGB.
c) § 306 f StGB: harte Strafe, schon konkrete Brandgefahr genügt
d) Weite Vorverlagerung der Strafbarkeit: „In Brand setzen“ = schnell vollendet,
aber als Ausgleich für Verlust des Rücktritts hat der Gesetzgeber § 306 e StGB geschaffen

II. Hintergrund der Reform der Brandstiftungsdelikte

Vereinfachung, Erweiterung um Tathandlung „durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstören“, da technischer Fortschritt dazu nötigte.
Angesichts hoher Strafrahmen wurden teils abstrakte Gefährdungsdelikte in konkrete umgewandelt.

III. Tatbestände (Definitionen, Probleme, Querverbindungen)

1. Brandstiftung, § 306 StGB

Tatobjekte:

„fremde (Sachen)“ : Weder im Alleineigentum noch herrenlos

„Gebäude“: Bauwerke mit Wand und Dach, die mit dem Erdboden fest verbunden sind und dem Aufenthalt von Menschen dienen: Muss nicht unbedingt zum Wohnen sein: Container, Rohbauten, nicht: Wohnwagen

„Hütte“: Hier sind die Anforderungen an Größe, Festigkeit und Dauerhaftigkeit geringer als beim Gebäude: Bauwagen, Jahrmarktbuden, nicht: Telefonhaus

„Betriebsstätten/ technische Einrichtungen, namentlich Maschinen, Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge“ : jeweils nicht ganz unerheblichen Ausmaßes/ unbedeutenden Wertes

„Warenlager oder -vorräte, Wälder, Heiden, Moore, land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse“

Problem: Teleologische Reduktion des Wortlauts

Fall: A setzt das Luxus-Schlauchboot (Wert 1500 €) seines Feindes B in Brand

Der § 306 StGB ist ein Sondertatbestand der Sachbeschädigung mit gemeingefährlichem Einschlag und erfasst zahlreiche Tatobjekte. Eine Tüte Cornflakes fiele demnach bei wortlautgetreuer Auslegung bereits unter „landwirtschaftliche Erzeugnisse“. Bis zu 10 Jahre wollte der Gesetzgeber das aber sicher nicht bestrafen.

Lösung: Analog zu § 315 c StGB wird der Tatbestand erweitert um das Merkmal „bedeutender Wert“ (ca. 750- 1000 €).

Arg.: Argumentum ad absurdum; Ein Durchlöchern des Bootes oder das Anzünden würden zu max. 2 Jahren Strafe (§ 303 StGB) führen, § 306 StGB andererseits ein bis zehn Jahre. Das kann nicht sein.
Kumulativ: Nachweis einer Gemeingefahr für andere Rechtsgüter? Hier sicher nicht.

Erg.: A ist nicht strafbar nach § 306. A.A. aber vertretbar.

Tathandlung:

„Inbrandsetzen“: Wenn zumindest Teile, die für dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlich sind, derart vom Feuer erfasst werden, dass das Feuer auch nach Entfernen oder Erlöschen des Zündstoffs selbständig weiterbrennen kann.

Problem: Sind bestimmte in Brand gesetzte Teile eines Tatobjekts wesentlich für das Tatobjekt?

Hintergrund: Feste Verbindung mit einem Tatobjekt ist nötig. Testfrage: Wird das Gebäude nach Trennung in seiner Substanz beeinträchtigt? Beispiel : Nicht erfasst nach Rspr. bei Gebäuden: Fußbodensockelleiste, wandgenageltes Regal, Tapete, Holztrennwand eines Kellerverschlages. Erfasst: Tür, Fensterrahmen, Zimmerwand, Flurtreppe, Zimmerfußboden.

Problem:
„In Brand setzen“ durch Intensivierung des Brandes (Öl ins Feuer)?
„In Brand setzen“ eines bereits brennenden Tatobjekts?

Fall 1: A zündet das Haus des B an der Nordseite an. C schüttet später noch einen Kanister Öl in die Flammen.
Fall 2: wie Fall 1, C setzt später an der Südseite des Hauses ein Zimmer in Brand.

MM: auch (+) beim klassischen Öl- Nachgießen
Arg.: nicht bereits voll vernichtetes Tatobjekt, sog. „neue Qualität“ des Brandes!

HM: (+) nur bei Schaffung eines neuen Brandherdes (immer) möglich, nicht bei Nachgießen.
Arg.: Wortlaut (nur einmal „Inbrandsetzen“), Telos ist nicht Perpetuierung!
Hier kommt nur Versuch und Beihilfe in Betracht; es muss aber dann eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat gegeben haben (ein Blitzeinschlag mit Brandfolge reicht nicht hierfür)

Lösung Fall 1: C hat sich gemäß §§ 306 a I Nr. 1, 27 StGB strafbar gemacht.
Fall 2: C hat sich gemäß § 306 a I Nr. 1 StGB strafbar gemacht.

Problem: „In Brand setzen“ durch Unterlassen? Alle Varianten

(1) noch nichts brennt

(+), 1. bei Garantenstellung und solange das Objekt noch nicht in Brand gesetzt ist:
Bsp: A entzündet fahrlässig Altpapier. Sieht er danach dem Übergreifen der Flammen auf ein geschütztes fremdes Objekt tatenlos zu, verwirklicht er die §§ 306 I 1. Var., 13 StGB (Ingerenz!).

(2) es brennt bereits zum Unterlassungszeitpunkt

MM: schon dann (+), wenn jemand Neues hinzutritt.
Arg.: „neue Qualität“ des Brandes (aber zweifelhaft)

(3) Garantenstellung: verkehrssicherungspflichtige Überwachergaranten (Hauseigentümer, Hausmeister, Feuerwehr, Sicherungsbeauftragte)

Beschützergaranten: Eltern gegenüber ihren Kindern angesichts eines Brandes. Nicht bei Bestehen eines Feuerversicherungsvertrags.
Arg.: Dieser hat nur vermögensrechtliche Bedeutung und keine für Lebensrettungsmaßnahmen (da Allgemeinheit betroffen), wie sie im Rahmen der Brandstiftungsdelikte zu erwarten sind.

hM (+) aber nur wenn der Täter das Entstehen eines neuen Brandherdes nicht verhindert.
Arg.: Wortlaut Inbrandsetzung

„Durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstören“: Vernichten oder bestimmungsgemäße Brauchbarkeit völlig entziehen von gesamtem Tatobjekt („ganz“) oder eines wesentlichen Teils fürs wesentliche Zeit („teilweise“) durch Folgen der Brandlegung.
Brandlegung: Jede Handlung, die sich auf das Verursachen eines Brandes richtet.

Problem: „Zerstören durch Brandlegung“ bei Schäden durch Brandbekämpfung?

Beispiel: A will nachts ein Bürogebäude in Brand setzen. Wegen der feuerfesten Materialien schafft er dies jedoch nicht. Der sensibel eingestellte Feuermelder löst aber die Sprinkleranlage aus. Durch das Löschwasser werden alle Computer im Gebäude zerstört.
Die Strafrechtsreform wollte eine Modernisierung: Vergleichbare Schäden, die früher nicht erfasst wurden, da es zu keinem Brand kam, sollten auch zu vollendeter Brandstiftung führen.

Beispiel : Explosion eines Gebäudes (Querverbindung: § 308 StGB beachten!)
Unbewohnbarkeit wegen Giftbelastung nach Einsatz eines toxischen Brandbeschleunigers. Hier: Ist der Tatbestand dadurch erfüllt? Ist „durch die Brandlegung“ der Schaden entstanden?

hM : Alle Erfolge müssen erfasst sein, in denen sich die durch die Brandlegung die geschaffene Gefahr realisiert. Es ist ein Problem der objektiven Zurechnung!
Arg.: Ratio legis, Im Ergebnis ist immer diese Variante zu bejahen.

Contra: Grenze des Wortlauts ist dadurch erreicht.
Aber: Der Gesetzgeber formulierte einfach schlecht. Diese Erfolge müssen daher auch erfasst sein.

Subjektiver Tatbestand: Vorsatz nötig, wenn er fehlt greift § 306 d I 1. Var. StGB

Problem: Verhältnis des Vorsatzes für beide Tathandlungen

Bsp.: A nimmt sich fest vor, das Holzwohnhaus des B „abzufackeln“. Zu diesem Zweck schüttet er einen hochgiftigen, aber schwer entflammbaren Brandbeschleuniger in die Räume des Hauses. A entzündet zwar den Brandbeschleuniger; dieser erlischt jedoch wieder. Durch die giftigen Dämpfe ist das Holzhaus aber auf viele Jahre hinaus kontaminiert und unbewohnbar.

Fraglich ist das Verhältnis des Vorsatzes zu Zerstörung durch Brandlegung im Verhältnis zur Brandstiftung. Aber: Wer ein Wohnhaus in Brand setzen will, will es immerhin auch durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstören: argumentum a maiore ad minus.

Rechtswidrigkeit : Immer Einwilligung möglich

Schuld

(Evt. tätige Reue, § 306 e StGB)

2. Die schwere Brandstiftung, § 306 a StGB

Definitionen und Probleme

a) Allgemeines

Abstraktes Gefährdungsdelikt: bestraft wird die besondere Gefährdung von Menschen.

Die Eigentumsverhältnisse sind unerheblich (wenn etwa eigene Wohnung angezündet wird): Gemeingefährliches Delikt (s.o.)
Die Norm hat zwei Absätze: Beginnen sollte man in der Klausur mit dem ersten.
Schutzgut der Norm: Räumlichkeiten, in denen Menschen wohnen oder sich jedenfalls zeitweilig aufzuhalten pflegen.

b) Tatobjekte

„Gebäude, Schiff, Hütte oder andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient“:

Damit sind auch solche Wohnungen erfasst, die kein „Gebäude“ sind, wohl aber wie etwa ein Wohnwagen, Künstlerwagen, zu Wohnzwecken umgebaute und ausrangierte Eisenbahnwaggons/Omnibusse oder Schlafkojen von LKWs mindestens vorübergehend als Wohnung dienen.
Maßgeblich ist tatsächlicher Wohnzweck: die Räumlichkeit muss schon (also nicht unbewohnter Rohbau) oder noch (also nicht bei Auszug eines Alleinbewohners) zur Wohnung von mindestens einem Menschen dienen: Reale Widmung entscheidend!

„Wohnen“: Mehr als ein nur sich Aufhalten, arg: ex § 306 a I Nr. 3 StGB: mindestens vorübergehend räumlicher Mittelpunkt des Lebens:

Bsp: „besetzte“ Häuser, illegal bewohnte Rohbauten, Bau- oder Marktbuden, in denen Obdachlose schlafen.

Problem: Entwidmung von Wohnräumen?

Dies ist ausdrücklich oder konkludent möglich.
Rechtsfolge: es gibt kein taugliches Tatobjekt mehr im Sinne des § 306 a StGB.

Bsp: Tod des Wohnungsinhabers (auch durch Ermordung): konkludente Entwidmung

Voraussetzung: Jeder tatsächliche Bewohner, auch ein Mieter als Fremdbesitzer muss entwidmen (Hier wird in der Klausur gerne oft noch eine Person eingebaut, die eben nicht zustimmt und damit den Tatbestand zu Fall bringen kann):
Ausdrücklich: durch Zustimmung
Konkludent: durch Anzünden

Auffangtatbestand: § 306 a II StGB, sofern dadurch die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung entstanden ist.

Problem: Inbrandsetzen von gemischt genutzten Gebäuden

Fall: A will seinen Chef B schädigen und legt nachts Feuer in dessen Büroräumen, die sich im Erdgeschoss eines zweigeschossigen Hauses befinden und regelmäßig ab 17 Uhr nicht mehr besetzt sind. Im Stockwerk darüber lebt aber C und befindet sich auch in seiner Wohnung, wie A weiß. Die von Passanten herbeigerufene Feuerwehr kann den Brand aber noch in den Büroräumen löschen, ohne dass das Feuer auf die Wohnung des C übergegriffen hat.

Liegt ein Fall des § 306 a I Nr. 1 StGB trotz der in der Nachtzeit leeren Büroräume vor, so dass § 306 a I Nr. 3 StGB ausscheidet?

Tipp für die Klausur: Prüfung trennen in Büroraum und Wohnung!

MM: Nur (+), wenn ein wesentlicher Bestandteil der eigentlich dem Wohnen dienenden Räumlichkeit (etwa die Wohnungstür) tatsächlich vom Feuer erfasst ist
Arg.: restriktive Auslegung

HM (BGH): (+) auch bei gemischt genutzten Gebäuden, sofern auch nur ein gänzlich untergeordneter Gebäudeteil Wohnzwecken dient. Voraussetzung ist ein einheitlich zusammenhängendes Gebäude (nach natürlicher Auffassung), Kriterium: etwa ein Treppenhaus.
Arg.: Ratio legis
Arg.: hohes Gefährdungspotenzial der inkriminierten Handlung: Eine Feuerentwicklung lässt sich selbst von Sachkundigen kaum zuverlässig vorausberechnen. Auch etwaige Rauchgasvergiftung und Einstürze von Gebäudeteilen rechtfertigen dies.
Klassikerproblem“: Ist § 306 a I Nr. 1 StGB auch dann anwendbar, wenn sich der Täter vor der Tat vergewissert, dass sich niemand im Gebäude aufhält?

Beispiel: T steckt ein dreistöckiges Hotelgebäude mit Gastwirtschaft und Gästezimmern in Brand, nachdem er sich durch einen Rundgang vergewissert hat, dass sich niemand außer ihm im Hotel aufhält.

Hat sich T nach § 306 a I Nr. 1 StGB strafbar gemacht?
Lösung: § 306 a I StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das bestimmte menschliche Wohn- und Aufenthaltsstätten gegen Brandstiftung schon wegen der generellen Gefahr, dass dabei Menschen zu Schaden kommen, schützt. Zu einer konkreten Gefahr muss es daher unbestritten nicht gekommen sein. Umgekehrt scheint daraus zu folgen, dass auch der Ausschluss einer konkreten Gefahr die Erfüllung des Tatbestandes nicht hindern kann. Ob einer solchen logischen nicht die teleologische Überlegung vorzuziehen ist, dass sich das an sich sinnvolle Verbot abstrakter Gefährdung beim Ausschluss jeder Gefahr in ein von diesem Sinn entleertes Verbot verkehrt, ist strittig.
Entschärft wurde der Streit durch den neuen § 306 a III StGB, weil Situationen, in denen sich der Täter vor dem Inbrandsetzen über die Abwesenheit von Menschen vergewissert hat, milder beurteilt werden können.

„Theorie der abstrakten Gefährdung“:
These: § 306 I Nr. 1 StGB ist auch dann erfüllt, wenn nachweisbar ist, dass im konketen Fall für niemand eine Gefahr bestanden hat.

Arg.: Die Vorschrift ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, bei dem der Umstand, ob sich zur Tatzeit Menschen in dem Gebäude aufhalten oder nicht, ebenso bedeutungslos ist wie der im Einzelfall denkbare Nachweis, dass Gefahr für Dritte nicht bestanden habe: dass dies einmal zufällig so ist, nimmt der Handlung nicht ihre generelle Gefährlichkeit.
Arg.: Gesetzgeberischer Wille: durch ein abstraktes Gefährdungsdelikt wollte man eine auf empirischen Erfahrungen beruhende Regelung über die großen Gefahren in Brandstiftungsfällen treffen, ohne auf statistisch unbedeutende, atypische Einzelfälle Rücksicht zu nehmen.
Arg.: Das Risiko einer fehlgehenden Prognose würde allein das Opfer tragen. Dieses Risiko ist aber vollumfänglich dem Täter, der ja die Gefährdungslage durch sein sorgfaltswidriges Handeln (Brandverursacher) schafft, aufzubürden.
„Theorie der sorgfaltswidrigen Gefährdung“:
These: War nach der objektiven Sachlage eine Gefährdung ausgeschlossen und hat sich der Täter vor der Tat hiervon unter Anwendung der erforderlichen Sorgfalt Gewissheit verschafft, ist § 306 a I Nr. 1 StGB nicht gegeben.

Arg.: Anders als die Straßenverkehrsvorschriften, die ein bestimmtes kollektives Verhalten unabhängig von seiner Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit im Einzelfall sicherstellen sollen, dient § 306 a I Nr. 1 StGB dem Verbot der pflichtwidrigen Gefährdung von Menschenleben durch Brandstiftung. Diesem individuellen Gefährdungsverbot trägt nicht nur Rechnung, wer die Brandstiftung unterlässt, sondern auch, wer sich Gewissheit verschafft, dass er niemand verletzen kann.
Arg.: Abstrakte Gefährdungsdelikte beurteilen bestimmte Handlungen nach generellen Maßstäben als gefährlich und stellen sie deshalb unter Strafe. Erweist sich das generelle Gefahrenurteil aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall als falsch, wäre eine Verurteilung jedenfalls dann ungerecht, wenn feststeht, dass die vom Gesetz gemeinte Gefahr gar nicht eintreten konnte.
Arg.: Bleibt eine Gefährdung objektiv aus und hat sich der Täter hierüber vorher Gewissheit verschafft, fehlt es nicht nur an einem objektiven Erfolgsunwert, sondern auch an einem Handlungsunwert, weil der Wille des Täters auf Vermeidung des Erfolges zielt.
„Einraumtheorie“ (BGH):
These: Voraussetzung für Nichtanwendung der Vorschrift wäre, dass eine Gefährdung von Menschenleben nach tatsächlichen Lage absolut ausgeschlossen ist. Der Täter muss sich also durch absolut zuverlässige lückenlose Maßnahmen vergewissert haben, dass die verbotene Gefährdung mit Sicherheit nicht eintreten kann. Das ist aber nur möglich bei einräumigen Hütten oder Häuschen, bei denen auf einen Blick übersehbar ist, dass sich Menschen dort nicht aufhalten können.

„Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude“:
Hier reicht schon die formale, allein durch den Rechtsakt der Widmung zum Ausdruck kommende Zweckbestimmung des Gebäudes (nicht kleinere Räumlichkeiten!!) zu gottesdienstlichen Versammlungen aus. Auch hier müssen zur Tatzeit selbstverständlich keine Menschen im Raum sein. Strafzweck ist vermutlich der Tabubruch so etwas anzuzünden!

„Räumlichkeiten, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dienen“ aber nur „zu einer Tatzeit, in der sich Menschen dort aufzuhalten pflegen“.

„Räumlichkeiten“: Allseits begrenzte, d.h. kubisch abgeschlossene Räume; offene Boote fallen ebenso wenig darunter wie etwa Schulhöfe oder nach einer Seite offene Wartehäuschen bei einer Bushaltestelle. Sie müssen alle zum Betreten durch Menschen geeignet sein.
Beispiele: Fabrik- oder Lagerhallen, Bürogebäude, Schulgebäude, Kaufhäuser, Kinos, Theater, Festzelte, Konzertsäle, Autobusse/Eisenbahnwagen, Flugzeuge.
„Zu einer Zeit, in der sich Menschen dort aufzuhalten pflegen“: Achtung Klausurfalle: Menschen müssen dort zur Tatzeit nicht anwesend sein! Ausschlaggebend ist allein die für die entsprechende Räumlichkeit nach ihrer tatsächlichen Zweckverwendung typische Aufenthaltszeit. Allerdings ist dabei eine gewisse Regelmäßigkeit der Nutzung unabdingbar. Maßgeblich ist nicht die Zeit, wann der zum Brand führende Ursachenverlauf in Gang gesetzt wird, sondern wann die Räumlichkeit nach der Tätervorstellung brennen wird.

c) Tathandlung

Siehe oben!

d) Restliche Punkte:

(Subjektiver Tatbestand)

Rechtswidrigkeit: Merke für die Klausur: Die Einwilligung des Eigentümers ist
unbeachtlich (Grund: abstraktes Gefährdungsdelikt). Hier kann also eine Falle
im Sachverhalt lauern!

(Schuld)

Tätige Reue (§ 306 e StGB)

3. § 306 a II StGB, schwere Brandstiftung

a) Allgemeines

Konkretes Gefährdungsdelikt: Der eingetretene Gefahrerfolg bringt die Gefährlichkeit zum Ausdruck. Für die Klausur: Der Vorsatz muss sich auf die Herbeiführung einer konkreten Gefahr beziehen !! Sonst greift § 306 d StGB: bei fahrlässiger Verursachung der Gefahr.
Erfolgsdelikt: Erfolg ist Eintritt einer konkreten Gefahr!
Gefahrverwirklichungszusammenhang („und dadurch“)

b) Definitionen

„Gefahr einer Gesundheitsschädigung„: Wenn das geschützte Rechtsgut in eine kritische Situation geraten ist und es nur vom Zufall abhängt, ob eine Gesundheitsschädigung eintritt oder nicht. Wichtiger „Gag“: das Merkmal ist erst recht erfüllt, wenn tatsächlich eine Gesundheitsschädigung eintrat! Der Gedanke dürfte auch aus dem Polizei- und Sicherheitsrecht bekannt sein.

„Gesundheitsschädigung“: Wie bei der Körperverletzung definiert.

Problem: Verweis auch auf die „Fremdheit“ der Tatobjekte?

Beispiel: A setzt sein eigenes Haus in Brand, in dem auch noch B wohnt. B bleibt
durch Zufall unversehrt; es bestand aber für ihn die Gefahr einer leichten Rauchvergiftung.

Fraglich ist, ob „eine in § 306 I Nr. 1 bis 6 StGB bezeichnete Sache“ den Begriff der Fremdheit mit umschließt. Folge wäre, dass das Anzünden der Tatobjekte, die im Eigentum des Täters stehen, nicht unter § 306 a II StGB fiele. Nach Ansicht des BGH ist dies jedoch nicht der Fall, da sonst  ganz auf § 306 I StGB verwiesen worden wäre.

Erg.: A hat sich demnach gem. § 306 a strafbar gemacht.

Problem: (Mit-) Täter oder Komplizen vom Schutzbereich erfasst?
Bsp 1: A und B wollen gemeinsam das Haus des im Urlaub befindlichen D anzünden. Sie schütten Benzin im Gebäude aus. Unmittelbar vor dem Haus steht C für 20 € „Schmiere“. Als A verabredungsgemäß den Brandbeschleuniger anzündet, kommt es zunächst zu einer Verpuffung, die das obere Stockwerk erheblich beschädigt und in deren Folge sich ein kleiner Dachziegelbrocken löst und unweit von C auf den Boden fällt. Danach brennt das Gebäude nieder. B rettet sich mit etwas Mühe ins Freie.
Bsp 2.: Wie in 1, aber C ist zwölf Jahre alt, was A und B wissen.

Kann sich der Haupttäter seinen Komplizen gegenüber strafbar machen?
Nach hM sind Mittäter nicht erfasst, da sie nicht als „anderer“ Mensch im Sinne des Gesetzes erfasst werden können, obwohl sie aus der Perspektive des anderen Mittäters ein „anderer“ Mensch bleiben.

Arg.: Wortlaut

Arg.: Komplizengefährdung: „andere“ Menschen sind sie zwar zweifelsfrei, aber problematisch ist die hohe Strafandrohung: Restriktive Auslegung daher auch hier geboten.
Arg.: Wille des Gesetzgebers: Strafbarkeit dient nur Schutz vor der Gefährdung unbeteiligter Dritter.
Arg.: Beteiligte setzen sich eigenverantwortlich der Gefahr aus und bedürfen insofern keines Schutzes: Da es ein konkretes Gefährdungsdelikt ist, kann rechtfertigend eingewilligt werden, anders als beim gleichgelagerten Problem bei § 315 c StGB.

Allerdings nicht vorschnell sein in der Klausur: Der Komplize ist nur dann kein taugliches Tatobjekt, wenn er wirklich vollverantwortlich das vom Täter begangene Unrecht unterstützt. Geht der Komplize von einer gänzlich anderen Tat aus, hat er – bei aller Verwerflichkeit des Komplizenhandelns- das konkrete Tatunrecht nicht unterstützt. Dann muss er geschützt sein und der Täter darf nicht privilegiert werden. Gleiches gilt, wenn der Komplize zwar den Sachverhalt erfasst, aber wegen Schuldunfähigkeit nicht in der Lage ist, das materielle Unrecht der Tat einzusehen.

Erg. zu Bsp. 1: A hat sich nicht gem. § 306 a II StGB strafbar gemacht.

Erg. zu Bsp. 2: A und B haben sich gem. §§ 306 a II, 25 II StGB strafbar gemacht

4. § 306 b StGB – Besonders schwere Brandstiftung

Aufbauratschlag in der Klausur: § 306 a II StGB vor § 306 b StGB prüfen: Man sollte „klein anfangen“, um damit im Aufbau nicht durcheinanderzukommen.

1. § 306 b I StGB

a) Allgemeines

Erfolgsqualifiziertes Delikt in einer Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination (es gilt § 18 StGB für jeden einzelnen Beteiligten: Die Voraussehbarkeit der schweren Folge genügt. Sofern zulässig, sollte diese Vorschrift daher zur Erinnerung an den Rand kommentiert werden)
2 Jahre Mindeststrafe.
Arg.: Wortlaut „ verursacht“.

Merke nochmal zur Wiederholung: Die Grunddelikte sind § 306 StGB oder § 306 a StGB, die durch Eintritt des brandtypischen Erfolges verschärft werden.

Taterschwerende Erfolge:
„schwere Gesundheitsschädigung bei einem anderen Menschen“
„einfache Gesundheitsschädigung bei einer großen Zahl von Menschen“

Gefahrverwirklichungszusammenhang: Ein tatbestandstypisches Brandstiftungsrisiko (gerade durch den Brand) muss sich im tatbestandlichen Erfolg realisieren (etwa Erfolge wie Rauchvergiftung, herabstürzende Gegenstände, rettender gefährlicher Sprung aus dem Fenster). Wichtig für die Klausur: Es muss also nicht unbedingt durch den Brand/Feuer selbst der Erfolg eintreten!

b) Definitionen und  Probleme

„Schwere Gesundheitsschädigung“: Faustformel für die Klausur: Sie ist mehr als eine einfache Körperverletzung, aber weniger als eine schwere (§ 226 StGB):
Gesundheitsbeeinträchtigungen, die die Gefahr einer langwierigen, ernsten Krankheit, einer nicht unerheblichen Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit oder vergleichbare schwere Folgen auslösen.
Vergleichbare Vorschriften: §§ 221 I, II Nr. 2, 330 II Nr. 1 StGB.

Bsp: A zündet das Wohnhaus des B in der irrigen Annahme an, B sei im Urlaub. B erleidet erhebliche Verbrennungen an seinen Beinen, die einen langwierigen Heilungsprozess (vier Monate) nach sich ziehen. Während dieser Zeit ist B arbeitsunfähig.

Erg.: A hat sich gem. §§ 306 a I Nr. 1 StGB (bezüglich des Wohnhauses) und 306 b I StGB (wegen schwerer Gesundheitsschädigung) strafbar gemacht.

Problem: Wann liegt eine „große Zahl von Menschen“ vor?

Bsp: A zündet ein dreigeschossiges Wohnhaus mit acht Mietparteien an. Sieben Menschen erleiden eine leichte Rauchvergiftung.

Das Merkmal ist auslegungsbedürftig, was Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes hervorruft. Jedoch ist das Merkmal erfahrungsgemäß schnell erfüllt.
Erforderlich ist eine systematische und teleologische Auslegung.

BGH: Mehr als 3 Personen sind nötig.
Arg.: Aus einem Umkehrschluss zu § 309 StGB (unübersehbare Zahl von Menschen) ergibt sich die Obergrenze.
Meist wird der beginnende zweistellige Bereich als Maßstab angeboten (zehn bis 20 Personen). Der BGH wählt willkürlich 14 Personen.

Erg.: A hat sich demnach nicht gem. §§ 306 a I Nr. 1 StGB (strafbares Grunddelikt), 306 b I StGB strafbar gemacht.

Problem für § 306 a II StGB i.V.m. § 306 d I Var. 3 StGB, § 306 b I StGB, § 306 b II 1 StGB, § 306 c StGB , §§ 222, 230 StGB als erfolgsqualifizierte Delikte: Wahrung des Unmittelbarkeitszusammenhangs (= spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang) zwischen Grunddelikt und schwerer Folge als dritte Stufe nach Kausalität und objektiver Zurechnung bei eigenverantwortlichen Selbstgefährdungen (Bsp: Opfer stirbt bei Rettungsversuch, Retter erleidet einen Schaden)
Oder anders formuliert: Inwieweit sind dem Täter einer Brandstiftung Verletzungen zuzurechnen, die hinzueilende private oder berufliche Retter erleiden?

Für die Klausur: Die Leistung besteht darin, durch überzeugende Argumentation zwischen typischerweise zu erwartenden oder nicht zu erwartenden (= grob pflicht – und sachwidriges Verhalten) Retterschäden zu unterscheiden. Wird also der Unmittelbarkeitszusammenhang durch das Eigenverantwortungsprinzip durchbrochen oder nicht? Bei nicht voll verantwortlich handelnden Personen (vor allem also bei Kindern) ist aber eine Ausnahme zu machen und eine Zurechnung im Regelfall angezeigt.

Meinungsspektrum für die Argumentation in der Klausur:

MM: Generelle Zurechnung aller Retterschäden.

Teile Literatur/Rspr: Abstellen auf die Art der Rettungshandlung und den Grad der rechtlichen- bzw. moralischen Pflicht zum Eingreifen. War die Rettungshandlung für Außenstehende nachvollziehbar und vernünftig?

Wohl hL: Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs, wenn der Erfolg auf eine freiverantwortliche Selbstgefährdung des Opfers zurückzuführen ist. Hinsichtlich der „Freiwilligkeit“ findet ein Anknüpfen an rechtliche Kriterien statt. Es fehlt an der „Freiwilligkeit“ (was eine Zurechnung zur Folge hat), wenn
a) für private Retter eine Hilfspflicht aus § 35 StGB bestand
b) eine strafbewehrte Eingriffspflicht aus § 13 StGB oder § 323 c StGB besteht
c) berufliche Retterpflichten bestehen

Kommentarliteratur: Wie oben, aber es sind Einschränkungen bei berufsmäßigen Rettern zu machen: Gefährdungen und Verletzungen seien im Zuge einer restriktiven Interpretation auszuklammern. Es handele sich um die Realisierung typischer, bewusst eingegangener Risiken. Andernfalls müssten bei nahezu jedem Brand §§ 306 a II i.V.m. § 306 d II bzw. § 306 b I StGB angenommen werden.
Beispiele nach Wrage (in JuS 2003, S. 985 ff):

1. A zündet ein mehrstöckiges Wohnhaus an. Mieter B ist in der dritten Etage vom Fluchtweg abgeschnitten und springt in Panik aus dem Fenster. Durch den Aufprall wird B so schwer verletzt, dass er für den Rest seines Lebens ab der Hüfte querschnittsgelähmt bleibt.

Lösung Bsp. 1: A hat sich gem. §§ 306 a I Nr. 1, 306 b I StGB strafbar gemacht.

2. Wie in Bsp. 1, aber: B’s Sturz wird von einem Baum abgefangen, so dass der Mieter nur eine leichte Verletzung am Bein davonträgt. Auf dem Weg ins Krankenhaus verunglückt der Krankenwagen. B verblutet an der Unfallstelle.

Lösung Bsp. 2: A hat sich nicht gem. §§ 306 a I Nr. 1, 306 c StGB strafbar gemacht.

3. A zündet das Wohnhaus von B, C und D an. Als die Feuerwehr kommt, befindet sich D noch schlafend in der Wohnung. Feuerwehrmann F läuft ins brennende Haus und rettet D. Dabei erleidet F eine Rauchvergiftung, an der er kurze Zeit später stirbt.

Lösung Bsp. 3: A hat sich gem. §§ 306 a I Nr. 1, 306 c StGB strafbar gemacht.

4. A zündet ein Wohnhaus in der irrigen Annahme an, der 80 – jährige Mieter B sei nicht da. B erleidet durch den Brand einen Schock, der zu einem Herzinfarkt und schließlich noch in der Wohnung zum Tod führt.

Lösung: A hat sich nicht gem. §§ 306 a I Nr. 1, 306 c StGB strafbar gemacht. Grund: Schäden, die aus einer generell schwachen Konstitution des Opfers herrühren, gehören zum allgemeinen Lebensrisiko und sind nicht Folgen typischer Brandgefahren, so dass etwa beim Herzinfarkttod wegen des Schocks über ein Feuer § 306 c StGB nicht greift, möglicherweise aber § 222 StGB.

5. A zündet das Haus des B in dessen Abwesenheit an. Als B dazukommt, steht das Haus bereits in Flammen. Trotzdem rennt B hinein, um Fotos seiner verstorbenen Frau zu retten, an denen er sehr hängt. B wird von einem herabstürzenden Balken erschlagen.

Lösung: A hat sich nicht gem. §§ 306 a I Nr. 1, 306 c StGB strafbar gemacht.
Grund: Reines Affektionsinteresse, es handelt sich um keine erwartbare Handlung.

6. A zündet das Wohnhaus von M, F und J in deren Abwesenheit an. Als der sechsjährige J von der Schule nach Hause kommt, will er noch seinen heißgeliebten Teddybären „retten“. Dabei kommt er ums Leben.

Lösung: A hat sich gem. §§ 306 a I Nr. 1, 306 c StGB strafbar gemacht.

2. § 306 b II StGB : Ganz besonders schwere Brandstiftung

a) Allgemeines

Keine Erfolgsqualifikation, qualifiziert wird nur § 306 a I StGB oder § 306 a II StGB.
Der Vorsatz muss sich daher auf die Qualifikationsmerkmale erstrecken, so dass Fahrlässigkeit i.S.d. § 18 StGB nicht ausreicht.
Sehr hohe Mindeststrafe: Fünf Jahre.

Aufbauproblem in der Klausur: In der Fallbearbeitung kann die richtige Platzierung des § 306 b II Nr. 2 StGB namentlich in solchen Betrugsfällen Schwierigkeiten bereiten, bei denen das – ein Inbrandsetzen (usw.) voraussetzende- Regelbeispiel des § 263 III 2 Nr. 5 StGB einschlägig ist. Um eine Inzidenzprüfung zu vermeiden, sollte die beabsichtigte „andere Straftat“ vorher geprüft werden. Im Falle des § 263 III 2 Nr. 5 StGB führt dies zu der Empfehlung, § 306 b II Nr. 2 StGB nicht gemeinsam mit den anderen Brandstiftungsdelikten, sondern erst später im Anschluss insbesondere an die §§ 263,265 StGB zu erörtern.

b) Definitionen

„Gefahr des Todes durch die Tat“: Eine konkrete Gefahr setzt einen Zustand voraus, der auf einen unmittelbar bevorstehenden Unfall hindeutet und den Tod so wahrscheinlich macht, dass es nur vom Zufall abhängt, ob das Leben gerettet wird oder nicht.
Konkret genug ist die Gefährdung dann, wenn es beinahe zum Tode gekommen wäre.

Achtung: Eindeutig liegt ein konkreter Gefahrerfolg – als notwendige Zwischenstufe- immer dann vor, wenn ein entsprechender Todeserfolg eingetreten ist. Das gilt allgemein für konkrete Gefährdungsdelikte (s.o.)!

„Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken“:

aa) Verdeckungsabsicht: Der Brand muss das Mittel der Verdeckung einer Straftat sein und darf nicht nur eine Folge einer anderen Handlung darstellen: Verbergen der eigenen oder fremden Täterschaft durch die Tat.
bb) Ermöglichungsabsicht: Der Brand muss Mittel zur Ermöglichung einer Straftat sein und darf nicht nur eine Begleiterscheinung oder Folge des Vorgehens des Täters darstellen („notfalls über Leichen gehen“). Es reicht aus, dass die Tat aus Tätersicht schneller und leichter begangen werden kann.

Sehr problematisch ist die Reichweite der Ermöglichungsvariante:

Ist für § 306 b II Nr. 2 StGB eine allgemein funktionale Beziehung zwischen der Brandstiftung und der Straftat, die ermöglicht werden soll, ausreichend?

Beispiel: A setzt die in seinem Eigentum stehende und gegen Feuer versicherte Gaststätte in Brand, um den entstandenen Schaden der Versicherung gegenüber geltend zu machen. Die Gaststätte befindet sich im Erdeschoss eines Gebäudes, das auch zu Wohnzwecken dient. Hat sich A nach § 306 b II Nr. 2 StGB strafbar gemacht?

Wegen der hohen Strafdrohung ist Streit entbrannt, ob § 306 b II Nr. 2 StGB nicht einschränkend so ausgelegt bzw. teleologisch zu reduzieren ist, dass die Norm nur greift, wenn der Täter das Brandereignis mit seinen spezifischen Gefahren (etwa Panik und Verwirrung) als Mittel zur Begehung der anderen Straftaten einzusetzen beabsichtigt. Die alte Rechtslage hätte in Fällen wie im Beispiel nur ein Jahr Strafe verlangt, jetzt sind es fünf.

„Restriktionsmodell“
These: § 306 b II Nr. 2 StGB ist restriktiv dahingehend auszulegen, dass die zu ermöglichende Tat gerade durch die spezifischen Auswirkungen der (gemeingefährlichen) Brandstiftung (z.B. Panik, Verwirrung, Unübersichtlichkeit der Situation, Flucht aus Gebäuden unter Zurücklassung von Wertgegenständen) begünstigt wird. Hierfür muss zwischen der Brandsituation und der geplanten weiteren Tat ein naher zeitlicher, sachlicher und räumlicher Zusammenhang bestehen

Arg.: Dass der bloße Erfolg einer Brandstiftung vom Täter als Voraussetzung für die Begehung irgendeiner späteren Straftat eingesetzt werden soll, rechtfertigt nicht die Mindeststrafe von fünf Jahren. Eine allgemein funktionale Beziehung zwischen der Brandstiftung und der zu ermöglichenden Straftat ist deshalb zur Einschränkung zu verlangen.
Arg.: Der vermeintlich klare Wortlaut steht einer teleologischen Reduktion nicht entgegen, da nur durch sie der offensichtlich zu weit gefasste Gesetzestext sinngemäß eingeschränkt werden kann, der zur Voraussetzung des hohen Strafrahmens nicht allein ein gesteigertes Gesinnungsunrecht, sondern in erster Linie eine Steigerung des in der brandspezifischen Gemeingefahr liegenden Gefährdungsunrechts macht.
Arg.: Systematik: § 306 b II StGB qualifiziert die schwere Brandstiftung nach § 306 a Nr. 1 und Nr. 3 StGB für Fälle, in denen sich gerade die brandspezifischen Gefahren zur Todesgefahr für einen Menschen entwickeln oder durch den Täter durch Manipulationen gesteigert werden. Der systematische Zusammenhang der Nr. 2 mit den in Nr. 1 und Nr. 3 geregelten Fällen zwingt dazu, denselben Strafrahmen nur dann anzuwenden, wenn die beabsichtigte Tat gleichfalls in einem (funktionalen) Zusammenhang mit den brandspezifischen Gefahren steht und das Gefährdungsunrecht dadurch erhöht. Die Gegenmeinung mag deshalb zwar auf den ersten Blick den Wortlaut für sich haben, hat aber nicht die Systematik auf ihrer Seite (Regel: Ausnahmen sind eng auszulegen).

„Wortlautmodell“
These: Zur Bejahung des § 306 b II Nr. 2 StGB ist die spezifische Ausnutzung der durch die Brandstiftung hervorgerufenen (Gemein-) Gefahrenlage nicht notwendig. Es genügt jede Verknüpfung zwischen dem Handeln des Brandstifters oder dem Brandstiftungserfolg und dem vom Täter verfolgten Zweck der Ermöglichung einer Straftat.

Arg. : Wie der eindeutige Wortlaut und die Anknüpfung auch an den Abs. 2 des § 306 a StGB ergeben, setzt § 306 b II Nr. 2 eine Steigerung und Ausnutzung der brandbedingten Gemeingefahren nicht (mehr) voraus.
Arg. : Der Strafgrund liegt in dem gegenüber dem Grunddelikt gesteigerten Gesinnungsunwert. Dieser erhöhte Unwert liegt bei der Ermöglichungsabsicht im zielgerichteten Streben des Täters, die Brandstiftung zur Begehung weiteren Unrechts zu nutzen. Hierfür ist ein Ausnutzen des spezifischen Zusammenhangs nicht notwendig. Unrecht wird mit weiterem Unrecht verbunden.
Arg. : Es bliebe andernfalls nur ein sehr schmaler Anwendungsbereich, da regelmäßig ein enger Zusammenhang zwischen Brandstiftung und zu verdeckender Straftat fehlt.

Im Ausgangsfall ist problematisch, dass der Schaden der Versicherung nicht unter Ausnutzung der spezifischen Brandgefahr, sondern nur unter Bezug auf den mutwillig herbeigeführten Versicherungsfall geschah.

Der Bundesgerichtshof hat hat in seinem Beschl. v. 15.3.2016 4 StR 7/16 (LG Siegen) festgestellt:

„Die Voraussetzungen der besonders schweren Brandstiftung nach § 306 Abs. 2 Nr. 2 StGB sind auch dann gegeben, wenn die Brandlegung zur Ermöglichung eines Betrugs zum Nachteil der Versicherung begangen wird.

2. Zwar sieht § 306 b StGB eine Strafrahmenverschiebung in minder schweren Fällen nicht vor. Doch beruht dies auf einer von der Rechtsprechung hinzunehmenden Entscheidung des Gesetzgebers, der sich damit innerhalb des verfassungsrechtlich zulässigen gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums bewegt.

Dieser Ansicht sollte in der Klausur gefolgt werden.

Problem : Konkurrenzverhältnis des § 306 StGB zu §§ 306 a und § 306 b StGB

Beispiel: A setzt das Vier- Parteien Mietshaus des B in Brand. Mieter M und F werden gerettet; es bestand für sie aber Lebensgefahr.

Lösung: A hat sich wegen Brandstiftung gem. § 306 I Nr. 1 StGB, schwerer Brandstiftung gem. § 306 a I Nr. 1 StGB und besonders schwerer Brandstiftung gem. §§ 306 a I Nr. 1, II, 306 b II Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
Konkurrenzverhältnis?
Da § 306 StGB in erster Linie Sondereigentumsdelikt und die §§ 306 a und 306 b StGB als Gefährdungsdelikte zu verstehen sind, müsste § 306 StGB wegen der eigenständigen Schutzrichtung zu den andern beiden in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. Dafür spricht das Klarstellungsprinzip: Unrechtssteigernd wirkt die Fremdheit des Objekts.
Die Rspr. aber nimmt Gesetzeskonkurrenz an und lässt § 306 StGB hinter die anderen zurücktreten.
Als Argument wird das „Element der Gemeingefährlichkeit“ in § 306 StGB genannt.

5. Die Brandstiftung mit Todesfolge, § 306 c StGB

a) Allgemeines

Erfolgsqualifikation in Vorsatz- Leichtfertigkeits- Kombination.

Anknüpfen an §§ 306 bis 306 b StGB.

b) Definition

„Leichtfertig“ handelt, wer die gebotene Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt.
Erst recht erfasst ist die vorsätzliche Herbeiführung der tödlichen Folge.

Erfasst ist nicht nur der Flammentod, sondern auch Tod durch herabstürzende Gebäudeteile, explodierende Zündmittel oder missglückte Rettungsaktionen ohne realen Brand

6. Die fahrlässige Brandstiftung, § 306 d StGB

Vier Fahrlässigkeitsvarianten sind zu unterscheiden:

(1) Die (einzige strafbare) fahrlässige Sachbeschädigung: §§ 306 d Abs.1 Alt.1 i.V.m. 306 Abs. 1 StGB
Beispiel: Ein KFZ-Monteur käme demnach für fünf Jahre in das Gefängnis, wenn er bei Schweißarbeiten an einem KFZ dieses fahrlässigerweise in Brand gesetzt oder nur Teile davon zerstört hat (fragwürdiges Ergebnis)

(2) §§ 306 d Abs.1 Alt. 2 i.V.m. 306 a Abs. 1 StGB: fahrlässiges Inbrandsetzen eines im Katalog genannten Brandobjekts: gemeingefährliches Brandstiftungsdelikt.

(3) §§ 306 d Abs.1 Alt. 3 i.V.m. 306 a Abs.2 StGB: Gilt nach § 11 Abs.2 StGB als Vorsatztat (trotz der Vorsatz- Fahrlässigkeitskombination). Hier aufpassen in der Klausur.
Querverbindung:Die selbe Sachlage besteht bei § 315 c Abs.3 StGB.
Vorsätzliches Inbrandsetzen einer über den Verweis aus § 306 a Abs. 2 StGB in § 306 Abs.1 Nr. 1-6 StGB genannten Tatobjekte; dabei aber nur fahrlässig herbeigeführte „Gefahr einer Gesundheitsschädigung“.

(4) fahrlässige Inbrandsetzung bei § 306 a Abs.2 StGB, fahrlässig verursachte „Gefahr einer Gesundheitsschädigung“.

In der Klausur gilt: Fahrlässiges Handeln kommt bei Tatbestandsirrtümern etwa über die Wohnungseigenschaft im Sinne des § 306 a I Nr. 1 StGB in Betracht.
Noch typischer: Ungewollte Inbrandsetzungsakte beim nachlässigen Umgang mit feuergefährlichen Mitteln

Problem: Unmittelbarer Wechsel vom Fahrlässigkeits- zum Unterlassungsdelikt?

Bsp. 1: A schläft mit brennender Zigarette im Haus seiner Ehefrau E ein, das beide bewohnen. Als er aufwacht, steht bereits das halbe Bett in Flammen. A rettet sich aus dem Zimmer, unternimmt jedoch nichts zur Bekämpfung des Brandes. Während des Geschehens ist E nicht anwesend.
Bsp. 2 : Wie eben, aber: als A aufwacht, hat bereits der Holzfußboden Feuer gefangen.

Grundsatz: Brandstiftung durch einen Garanten kann auch durch Unterlassen begangen werden.
Es ist zu unterscheiden: Ist nach dem „Fahrlässigkeitsteil“ das Tatobjekt selbst
(Fußboden) schon in Brand gesetzt worden? Wenn ja, verhält es sich wie beim „Ölnachgießen“: Es wird durch das Unterlassen kein neuer Brandherd geschaffen. Anders ist es, wenn das Tatobjekt erst danach durch vorsätzliches Unterlassen des Garanten in Brand gesetzt wird.

Lösung Bsp.1: A hat sich gem. §§ 306 a I, 13 StGB strafbar gemacht.
Lösung Bsp. 2: A hat sich nur nach § 306 d I StGB strafbar gemacht, nicht aber gem. §§ 306 a I, 13 StGB.
Herbeiführen einer Brandgefahr, § 306 f

Strafzweck: Vorsätzliches konkretes Gefährden eines der genannten Objekte.
Eine Einwilligung ist also möglich.
Subsidiäre Vorschrift; im Vorfeld der normalen Delikte angesiedelt.
Abs.1: täterfremde Objekte
Abs. 2: tätereigene Objekte: doppelte Gefährdung, jeweils Vorsatz nötig
Abs.3: Fahrlässigkeitsregelung.

7. Tätige Reue, § 306 e

Eine dem Rücktritt angepasste Vorschrift. Angesichts der frühen Vollendung gibt es eine Strafmilderung oder Strafbefreiung. Keine Analogie zu § 306 f StGB möglich, da keine Lücke besteht.
Besonderheiten:
„Erheblicher Schaden“:
a) bei Personenschäden Körperverletzung mit erheblicher Verletzungsgefahr im Sinne des § 224 I Nr. 2 StGB.
b) bei Sachschäden: vgl. zu §§ 315 ff und 306 f II StGB: 750 – 1000 €. Wohngebäude: 2500 €

 

Abschließender Rat:

Jura Individuell Tipp: Die erörterten Aufbaufragen und Problempunkte sollten nun in drei bis fünf Originalklausuren trainiert werden. Wichtig ist vor allem, die Probleme aus dem Sachverhalt herausfiltern zu können. So sollte etwa der Alarm klingeln bei Begriffen und Schilderungen wie „Feuerwehrmann“ (Retterschäden), „er hatte sich vergewissert, dass niemand da war“ (Einraumrechtsprechung des BGH) und Schilderungen über die architektonische Zusammensetzung (gemischte Nutzung) des angezündeten Gebäudes.

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Die Brandstiftungsdelikte auf unserer Website Jura Individuell.


Straßenverkehrsdelikte §§ 315 -316, 142 StGB

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I. Einführung

Hier fassen wir noch einmal die wichtigsten Fragen der häufig geprüften Straßenverkehrsdelikte mit vielen relevanten Problemen für die Uni- und Examensklausuren zusammen. Die Probleme werden dabei an dem Punkt erörtert, an dem sie im Prüfungsaufbau üblicherweise erscheinen und diskutiert werden müssen.

1. Praktische Bedeutung

Diese Delikte machen 40 % der gesamten Strafrechtspraxis aus. In Prüfungen sind sie beliebt, da sie leicht mit AT-Fragen  zu verknüpfen sind:
Klassisch sind Kausalitätsprobleme, Zurechnungsfragen, Rechtswidrigkeits- und Schuldprobleme, die Rechtsfigur der „actio libera in causa“ (dazu weiter unten) und das Sanktionsrecht (Führerscheinentzug).

Dabei handelt es sich um Jedermannsdelikte.

2. Systematik

Der Kernbereich der Straßenverkehrsdelikte fällt unter §§ 315-316 StGB.
Verkehrsstraftaten sind solche nach §§ 315 b, 315 c StGB (speziell Straßenverkehr) und § 316 StGB.
§§ 315 und 315 a StGB dienen dem Schutz von Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr.
§ 316 StGB erstreckt sich laut gesetzlichem Verweis auf alle eben genannten Verkehrsarten.

§ 315 b und § 315 c StGB sind konkrete Gefährdungsdelikte (vgl. Wortlaut „und dadurch“): Hat der Täter im Einzelfall durch seine Handlung Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet?

§ 316 StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt: Sanktioniert wird die generelle Gefährlichkeit der Trunkenheit im Verkehr, ohne dass ein konkreter Gefährdungserfolg nötig ist.

Stellung der Straßenverkehrsdelikte im Strafgesetzbuch: 28. Abschnitt, Gemeingefährliche Straftaten.

Schutzgut: Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs, daneben bei §§ 315 b und c auch die Individualrechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und fremdes Eigentum.

Merke: § 316 a StGB („räuberischer Angriff auf Kraftfahrer“) wird wegen seines Standorts leicht übersehen. Er steht im Zusammenhang mit §§ 249, 252, 255 StGB, wenn der Täter ein Kfz führt. Er sollte nach diesen Delikten geprüft werden. Auf eine Erörterung wird hier verzichtet, da er mehr in Verbindung mit den Vermögensdelikten steht.

3. Allgemeine Hinweise und Definitionen

Klausurrelevanz: Der Normalfall einer „Straßenverkehrsklausur“ schildert eine Unfallsituation im Sinne des § 315 c StGB (und §§ 222, 229 StGB). Dieser Tatbestand bildet eine Zäsur zwischen dem vorangegangenen und dem nachfolgenden Geschehen. Er ist ferner Anknüpfungspunkt für folgende weitere Delikte, die gedanklich mitgeprüft werden sollten:
– Totschlag/Mord durch Unterlassen, §§ 212, 211, 13 StGB
– Aussetzung, § 221 StGB
– Unterlassene Hilfeleistung, § 323 c StGB
– Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, § 142 StGB
AT-Probleme: Zurechnungszusammenhang, Schuldunfähigkeit durch Alkohol, actio libera in causa

„Öffentlicher Verkehr“ im Sinne der §§ 315 bis 316 StGB:
Dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmete Straßen, Wege und Plätze , die – mit ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten – von der Allgemeinheit, d.h. von einem unbestimmten Personenkreis, tatsächlich benutzt werden.

Kasuistik: als öffentlich gelten beispielsweise:
Allgemein zugängliche Parkplätze/Parkhäuser, selbst wenn eine Benutzungsgebühr gezahlt werden muss. Ferner betriebsbereite Tankstellen und Waschanlagen; der Parkplatz einer Wirtschaft. Merke: selbst Schilder mit Texten wie „Nur für Gäste“, „Zutritt Unbefugten verboten“ o.ä. stehen der Öffentlichkeit nicht im Wege, wenn der „befugte“ Benutzerkreis nicht näher bestimmbar ist.

Nicht mehr öffentlich: Jener Verkehrsraum, der erkennbar nur für bestimmte oder jedenfalls individuell bestimmbare Benutzer zugelassen ist, die als solche entweder untereinander oder mit Verfügungsberechtigten durch persönliche oder sachliche Beziehung verbunden sind:
Bsp: Privatparkplatz einer Hausgemeinschaft, einer Firma oder eines Sportvereins, der nur den jeweiligen Hausbewohnern, Betriebsangehörigen oder Vereinsmitgliedern und ihren Besuchern, nicht aber Dritten offensteht; nur an bestimmte Benutzer vermietete Tiefgaragenplätze; Parkplatz eines Großmarktes, der nur Personen mit einem Kundenausweis offensteht und (!) dies auch kontrolliert wird.

„Straßenverkehr“ (allgemein): er wird in § 315 c und § 315 b StGB genannt.
Verkehr auf Wegen und Plätzen, die jedermann zur Verfügung stehen.
Irrelevant ist, ob eine allgemeine Nutzungsmöglichkeit aus wegerechtlicher Widmung oder (v.a. bei Privatwegen) aus faktischer Duldung besteht.
Im zweiten Fall bitte aufpassen: Ist der Weg mit solcher Regelmäßigkeit bzw. von so vielen Personen frequentiert, dass die für den Straßenverkehr typische Gefahrenlage gegeben ist?

I. § 315 c Gefährdung des Straßenverkehrs – Definitionen und Probleme

1. Allgemeines:

a) Konkretes Gefährdungsdelikt:

Tathandlung (abstrakt gefährlich)
Abs. 1 Nr. 1: Verkehrsteilnahme trotz Fahruntüchtigkeit oder
Abs. 1 Nr. 2: „sieben Todsünden“
Und in der Folge:
Konkrete Gefahr für
Leib/Leben eines Menschen
Fremde Sachen von bedeutendem Wert (Schlagwort: neben Erfolg genügt auch ein beinahe eingetretener Schaden, „Beinahe-Unfall“)

b) Der Versuch ist normiert in Absatz 2:
Er betrifft nur Abs. 1 in der Vorsatz-Vorsatz Kombination: der Täter müsste dann auch hinsichtlich des Gefährdungsteils Vorsatz haben.

Vorsatz-Vorsatz Kombination: Nur Abs. 1, 2; hier ist an § 15 StGB denken.

Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination: Abs. 3 Nr. 1: an § 11 II StGB denken: gilt als Vorsatztat.
Aufbau in der Klausur:
a) fahrlässige Folge in die Prüfung einbauen
b) aber nur Vorsatz bezüglich der Handlung prüfen

Weitere Folge: eine strafbare Teilnahme ist möglich, aber dann ist zu bedenken:
Der Anstifter/Gehilfe muss auch Vorsatz bezüglich der Handlung haben (Führen eines Fahrzeugs durch den Täter in fahruntüchtigem Zustand) und bei konkreter Gefahr muss er selbst fahrlässig gehandelt haben : § 18 StGB.
Fahrlässigkeit-Fahrlässigkeit-Kombination: dort gibt es keine Teilnahme.

Hinweis für das zweite Staatsexamen: In den Klausuren muss bei diesem Delikt in der Anklageschrift, im Urteil und im Plädoyer immer die Form des Verschuldens dazugeschrieben werden, da es entweder vorsätzlich oder fahrlässig verwirklicht werden kann. Bsp: „Der Angeschuldigte hat sich daher einer vorsätzlichen/fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c BGB schuldig gemacht.“

2. Definitionen und Probleme

a) Fahrzeug

Kasuistik:
(+) Nicht nur Kraftfahrzeuge, sondern z.B. auch Fahrräder, Fuhrwerke, fahrbare Krankenstühle werden erfasst (hM).

Nicht: Inlineskates (wegen § 24 StVO seit 1. 9. 2009 nicht mehr erfasst, sie werden nicht als Fahrzeuge iS der StVO eingestuft), Kinderwagen, Schubkarren (arg.: werden nur „mit sich geführt“), Fußgänger, Rodelschlitten.

Entscheidend sind dabei nämlich das Gefahrenpotenzial und insbesondere die Geschwindigkeit als gefahrenbegründendes Kriterium.

b) Führen

Lenkend in Bewegung setzen; nur Bewegungsvorgänge sind erfasst.

Nicht: Motor anlassen, anschnallen, Abblendlicht anmachen oder Motor nur deshalb anlassen, um dadurch Heizung anzustellen. Erst mit Anfahren wird der Tatbestand erfüllt.
Arg.: etwas „Statisches“ kann nicht geführt werden.

Hinweis zu § 316 a StGB: In Klausuren ist es schon vorgekommen, dass einem Taxifahrer eine Pistole an die Schläfe gehalten wurde, nachdem dieser den Motor ausgeschalten und die Handbremse gezogen hatte, um abzurechnen. Der Staatsanwalt klagte u.a. wegen § 316 a StGB an. Hier galt es aber zu erkennen, dass keine Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs mehr vorlag, da der Angriff nicht mehr während des Führens des Kfz erfolgt ist. Der Fahrer muss also stets noch Betriebs- oder Verkehrsvorgänge bewältigen.

c) Führer eines Fahrzeugs

„Wer sich selbst aller oder wenigstens eines Teils der wesentlichen technischen Einrichtungen eines Fahrzeugs bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind.“
Negativ: Ohne sein Verhalten darf eine zielgerichtete Fortbewegung des Fahrzeugs nicht möglich sein.
Folge: Auch der Lenker eines mit einem Seil abgeschleppten Fahrzeugs ist „Führer“.

d) Fahrunsicherheit

Standardmäßige Klausurformulierung:
Wenn die „Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers namentlich infolge von Enthemmung sowie geistig seelischer oder körperlicher Leistungsausfälle so weit herabgesetzt ist, dass er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Verkehr eine längere Strecke, und zwar auch bei plötzlichem Auftreten schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern“.
Beispiele: Geisteskrankheit oder starke Müdigkeit, es sei denn, ein Ausgleich durch geeignete Hilfsmittel erfolgt (Hörgerät). Ferner Verletzungen und Behinderungen.

aa) § 315 c I Nr. 1 a) (§ 316 StGB automatisch miterfüllt)
Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit:

Es findet eine Einteilung in eine absolute und relative Fahruntüchtigkeit statt.
1,1 ‰ ist die absolute Grenze, ab der die Fahruntüchtigkeit unwiderleglich vermutet wird. Ein Gegenbeweis, dass der Täter noch fahrtüchtig gewesen sei, ist dann unzulässig; für sonstige Fahrzeuge (v.a. Fahrradfahrer) gilt derzeit noch 1,6 ‰; die relative Fahruntüchtigkeit beginnt bei 0, 3 ‰, dann müssen alkoholbedingte Ausfallerscheinungen (Schlangenlinien) hinzutreten.

Die Tatzeit BAK (Blutalkoholkonzentration) auf Tatbestandsebene muss manchmal in den Klausuren auch durch Rückrechnung ermittelt werden. Auf der Tatbestandsebene muss dabei ein möglichst niedrigerer Wert errechnet werden, weil dieser tätergünstig ist. Es ist von einem stündlichen Abbauwert von 0,1 ‰ auszugehen. Um bei längerer Resorptionsdauer (der Zeit, bis zu der der Alkohol über den Darm in das Blut gelangt) jede Benachteiligung des Täter auszuschließen, sind die ersten 2 Stunden nach Trinkende bei normalem Trinkverlauf grundsätzlich von der Rückrechnung auszunehmen.

Bsp:
Trinkende: 20.00 Uhr
Tatzeit: 21.00 Uhr
Blutprobe erfolgt um 23.00 Uhr und ergibt eine BAK von 0,9 ‰
Ergebnis: Die maßgebliche Tatzeit BAK muss demnach 1,0 ‰ betragen haben.

Klausurtipp: Die BAK Rückrechnung ist auf der Tatbestandsebene und auf der Schuldebene relevant. Sie erfolgt aber auf jeder Ebene unterschiedlich.

Schuldebene: Ab einem BAK-Wert von 2 ‰ ist an Unzurechungsfähigkeit im Sinne von §§ 20 f. StGB zu denken. In den Klausuren ist hier sowohl mit den BAK-Werten als auch den sog. „psychodiagnostischen Kriterien“ zu arbeiten. Es müssen also die Blutalkoholwerte ohne schematische Beurteilung mit diesen Kriterien geprüft werden, um von einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgehen zu können. Es gelten zunächst folgende Richtwerte:

Ab 2 ‰: § 21 StGB liegt nahe
Ab 3 ‰ § 20 StGB liegt nahe.

Dann erfolgt eine Prüfung der psychodiagnostischen Kriterien. Das können etwa Alkoholgewöhnung, Erinnerungsvermögen, Feinmotorik oder fehlende Ausfallerscheinungen sein.

Bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit wird die Tatzeit-BAK durch Rückrechnung ermittelt. Hier muss man sich merken, dass möglichst hohe BAK-Werte herauskommen müssen, da dies tätergünstig ist. Er kommt dadurch schneller in den relevanten Bereich der §§ 20 f. StGB. Dazu muss in den Klausuren leider manchmal gerechnet werden: Man geht vom maximalen stündlichen Abbauwert von 0,2 ‰ und einem einmaligen Sicherheitszuschlag von 0,2 ‰ aus, wobei man auch die ersten beiden Stunden nach Trinkende miteinbezieht.

Bsp:
Trinkende: 20.00 Uhr
Tatzeit: 21.00 Uhr
Blutprobe erfolgt um 23.00 Uhr, BAK Wert dort 2,0 ‰.
Ergebnis: Die maßgebliche BAK zur Tatzeit muss demnach 2,6 ‰ betragen haben.

Exkurs: Actio libera in causa

Gerade in der Klausur fragt man sich, wie man mit dieser Rechtsfigur möglichst sicher umgehen soll. Sie erfasst all jene Fallgestaltungen, bei denen jemand – sei es vorsätzlich oder nur fahrlässig – in verantwortlichem Zustand einen Geschehensablauf in Gang setzt, der im Zustand der Schuldunfähigkeit zu einem tatbestandlichen Erfolg führt. Greift die „actio libera in causa“ (zu deutsch: eine Handlung, die ihrem Grund nach eigentlich frei war) nicht, bleibt nur § 323 a StGB (ein abstraktes Gefährdungsdelikt, hM).

Prüfungsaufbau: Es sind maximal fünf Prüfungsschritte.

1) Ein Delikt, etwa eine Körperverletzung nach § 223 StGB, wird geprüft, § 20 StGB wird aber bejaht, weil der Täter volltrunken war; Schuldunfähigkeit eigentlich (+)

2) Dann ist das Ausnahmemodell zu prüfen:
Gibt es eine Ausnahme zu § 20 StGB, wenn sich der Täter selbst in schuldunfähigen Zustand versetzt hat? Könnte man dadurch also doch noch eine Strafbarkeit herbeiführen?

Man sollte also erst einmal bei § 20 StGB bleiben und untechnisch gesprochen im Gutachten an dieser Norm „biegen“ aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten.
Dann zeigt man aber Vernunft und verweist darauf, dass dies rechtswidrig ist und begründet dies mit dem Koinzidenzprinzip, wonach die Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt vorgelegen haben muss. Eine andere Auslegung der Norm verstößt nämlich gegen Art. 103 II GG, § 1 StGB.
Man lehnt das Delikt also erst einmal ab.

3) Sodann setzt man eine neue Prüfung des Deliktes an mit den Grundsätzen der sogenannten vorsätzlichen actio libera in causa (Tatbestandsmodell)

These dieses Modells: Eine Strafbarkeit der sog. alic ist mit § 20 StGB vereinbar. Die tatbestandsmäßige Handlung beginnt bereits mit der defektbegründenden Handlung (Sichbetrinken). Zu diesem Zeitpunkt handelte der Täter schuldfähig.

Arg.: Mit dem Betrinken beginnt das Versuchsstadium, welches zur „Tat“ im Sinne des § 20 zählt.
Arg.: Parallele zur mittelbaren Täterschaft: Täter macht sich selbst zu seinem eigenen Werkzeug.

Nun bietet es sich für das erste Examen an, dieses Modell abzulehnen mit folgenden Argumenten:
§ 25 I 2. Fall StGB verlangt einen „anderen“, der hier nicht vorliegt; das Modell versagt zudem bei eigenhändigen Delikten (schlichte Handlungsdelikte, also keine Erfolgsdelikte)
– Art. 103 II GG: aus einer straflosen Vorbereitung würde eine strafbare Handlung werden.

Im zweiten Examen muss allerdings der Rechtsprechung des BGH gefolgt werden, wenn ein Erfolgsdelikt gegeben ist. Dieser vertritt insoweit das Tatbestandsmodell und hält (noch) an der Rechtsfigur fest.

Nötig hierfür ist dann das Vorliegen eines Doppelvorsatzes:
Der Täter muss also zu einem Zeitpunkt, als er noch voll schuldfähig war, diesen Zustand mindestens bedingt vorsätzlich herbeigeführt haben und zudem wissen/damit rechnen/einverstanden sein, dass er eine bestimmte Tat verursachen wird/will.

Schließlich erfolgt eine Subsumtion.
4) Sollte der Doppelvorsatz nicht vorliegen: Prüfung der Fahrlässigkeitsvariante des Deliktes nach den Grundsätzen der fahrlässigen actio libera in causa.

Hier sollte der Einfachheit halber aber gleich diese Figur abgelehnt werden, da auch der BGH sie nicht mehr vertritt.

Ihre Aussage: Fahrlässige actio libera in causa liegt vor, wenn der Täter den Zustand der Schuldunfähigkeit vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hat und fahrlässig dabei nicht bedacht hat, er werde in diesem Zustand eine bestimmte Tat begehen oder darauf vertraut hat, es werde nicht zu einer solchen Tat kommen. Bei Trinken in Fahrbereitschaft liegt nach hM die Annahme von Fahrlässigkeit zum Beispiel nahe.

Achtung: Nach hM braucht es die Grundsätze der fahrlässigen alic aber gar nicht, um die Fahrlässigkeit zu begründen, wenn die Defektherbeiführung zugleich die rechtsgutgefährdende Handlung darstellt und der gesetzlichen Tatbestandsbeschreibung entspricht.

5) Dann: § 323 a StGB prüfen (durch Betrinken)

Exkurs Ende

bb) §315 c I Nr. 1 a) Var. 2

– andere berauschende Mittel: Drogen und Medikamente. Dieser Punkt wird nach den Regeln der relativen Fahruntüchtigkeit beurteilt.

cc) § 315 c I Nr. 1 b)

– geistige und körperliche Mängel: erfasst sind dauerhafte, aber auch nur vorübergehende Mängel.

Bsp.: Anfallsleiden, Übermüdung, altersbedingte psychofunktionale Leistungsdefizite

dd) § 315 c I Nr. 2

– „7 Todsünden“: Sie haben tatbestandliche Sperrwirkung und bilden einen abschließenden Katalog. Alles andere sind nur Ordnungswidrigkeiten.

Für die Klausur ist Folgendes wissenswert:
Nr. 2 a) – die Vorfahrt nicht beachtet – Es gilt ein „erweiterter Vorfahrtsbegriff“ (hM): sämtliche Verkehrsvorgänge, bei denen die Fahrlinien verschiedener Verkehrsteilnehmer aufeinandertreffen oder einander gefährlich nahekommen würden (auch Vorrang an Engstellen und beim Linksabbiegen erfasst).

Arg.: laienhaftes Verständnis

Nr. 2 b) – falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt – Die Norm gilt auch bei Standspuren und Grünstreifen (weiter als StVO).

Nr. 2 f) – auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht – Der Versuch steht einer Vollendung gleich: Einlegen des Rückwartsganges reicht, doch nicht Bremsen zu diesem Zweck.
Anforderungen an die konkrete Gefahr:
Durch eine Gefährdungshandlung (oder Gefahrverwirklichung) muss eine konkrete Gefahr für Leib und Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert eintreten sein.

Konkrete Gefahr: Eintritt oder Ausbleiben des Schadenseintritts hängt hier allein vom Zufall ab. Es kommt zu einer kritischen Situation, einem  „Beinahe-Unfall“: eine andere Person oder fremde Sache gerät in die unmittelbare Gefahrenzone und dort in eine riskante/kritische Verkehrssituation.

Beispiele
(1) Alkoholbedingtes riskantes Überholen: dadurch konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und deren Fahrzeuge, etwa wenn entgegenkommende Fahrzeuge nur knapp einem Zusammenstoß entgehen können.
(2) Mitfahrer sind weder durch das bloße Mitfahren noch allein dadurch konkret gefährdet, dass der betrunkene Fahrer in der Mitte der Fahrbahn Schlangenlinien fährt, ohne dass eine kritische Begegnung mit anderen Fahrzeugen stattgefunden hat.

– Leib oder Leben eines anderen Menschen: nicht jede Gefahr geringfügiger Verletzung soll genügen. Auch sind Menschen geschützt, die nicht am Verkehr teilnehmen.

– Beifahrerprobleme: Diese sind in Straßenverkehrsklausuren sehr beliebt und sollen deshalb an dieser Stelle beleuchtet werden.

Problem 1: Gehören Tatbeteiligte zu den geschützten anderen? Achtung: Aufbauproblematik

Beispiel: G sitzt als Beifahrer des volltrunkenen Fahrers T in dessen Wagen und feuert ihn an, noch schneller zu fahren. Hier leistet G psychische Beihilfe. Kommt es nun zu einem „Beinahe-Unfall“, ist es für die Strafbarkeit des T nach § 315 c StGB entscheidend, ob G ein „anderer“ Mensch iS § 315 c ist.

Bejahende Meinung (MM):
These: Auch ein unterstützender Insasse oder Autosurfer ist ein anderer.
Arg.: Die Strafrechtsordnung gilt auch zwischen Straftätern
Arg.: Wortlaut

Folge: § 315 c StGB ist im Tatbestand erfüllt, da jeder Teilnehmer ein anderer Mensch ist.
Folgeproblem: Wirksame Einwilligung des Beifahreres in seine Gefährdung (siehe unten)

hL/BGH: teilnehmende Beifahrer sind keine anderen Menschen im Sinne der Vorschrift.
Empfehlung für die Klausur: Dieser Ansicht ist zu folgen, es sei denn, eine Einwilligung kommt in Betracht, da dann klausurtaktisch weitergeprüft werden kann.
These: Derjenige, der selbst einen Beitrag zur (abstrakten) Gefahr für die Allgemeinheit geschaffen hat (durch Tatbeteiligung an der Trunkenheitsfahrt), steht auf Täterseite und kann damit nicht Schutzobjekt eines die allgemeine Verkehrssicherheit schützenden Tatbestandes sein.

Arg.: die Gefährdung ist auch Tat des Teilnehmers (siehe These).
Arg: Schutzzweck

Contra: Normalerweise fördert der Teilnehmer nur eine fremde Tat

Folge:
Aufbauproblem: Eine Inzidentprüfung wird unvermeidbar: denn es gäbe keine konkrete Gefahr, wenn kein taugliches Gefährdungsobjekt vorläge. Also ist zu prüfen, ob eine Tatbeteiligung vorliegt:
Vorgehensweise im Klausurgutachten: Man prüft inzident die Beteiligung des Beifahrers an (einem möglichen) § 315 c I StGB und unterstellt für die hypothetische Prüfung das Vorliegen des § 315 c I StGB als Haupttat des Fahrzeugsführers. Nachdem die Prüfung des Fahrzeugführers beendet ist, setzt man erneut zur Prüfung des Beifahrers als Teilnehmer an, wobei freilich weitgehend nach oben verwiesen werden kann.

Problem 2: Schließt die Einwilligung eines allein gefährdeten Mitfahrers in seine Gefährdung eine Bestrafung nach § 315 c StGB aus?

Beispiel: O nimmt das Angebot des T, ihn nach einer Betriebsfeier nach Hause zu fahren, an, obwohl er erkennt, dass T nicht mehr fahrtüchtig ist. Unterwegs fährt T infolge der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit in den Straßengraben. O kann sich gerade noch so abstützen, dass ihm nichts passiert. Hat sich T gem. § 315 c I Nr. 1 a, III StGB strafbar gemacht?

Ausgangspunkt: Sieht man in der Tatsache, dass O T’s Angebot im Bewusstsein der Gefährdung durch einen fahruntüchtigen Fahrer annimmt, eine konkludente Einwilligung in diese Gefährdung, stellt sich die Frage, ob eine solche Einwilligung bei einem Delikt, das (möglicherweise) mit der Sicherheit des Straßenverkehrs (auch) ein Rechtsgut der Allgemeinheit schützt, unrechtsausschließend wirken kann.
Die Frage stellt sich, weil der Fahrer Tatherrschaft innehat und es somit um einen Fall der einverständlichen Fremdgefährdung geht.

I. Indisponibilitätstheorie (Rspr)
These: Die Einwilligung des Gefährdeten berührt die Strafbarkeit des Täters aus § 315 c StGB nicht.

Arg.: In erster Linie ist die allgemeine Verkehrssicherheit das geschützte Rechtsgut, das für den Einzelnen nicht disponibel ist.
Arg.: Schutz des Einzelnen ist nur eine Nebenwirkung von untergeordneter Bedeutung: Das reicht nicht zur Entschärfung des Gesamttatbestandes.
Arg.: Die Gegenmeinung kann nicht erklären, warum ein nur teilweiser Unrechtsausschluss die Strafbarkeit insgesamt zu Fall bringen soll.

II. Disponibilitätstheorie (Lit.)
These: Die Einwilligung des Gefährdeten schließt § 315 c StGB stets aus.

Arg.: Die konkrete Gefährdung bildet den Unrechtsschwerpunkt und begründet erst die Strafbarkeit.
Arg.: Ohne Einwilligung wird die doppelte Schutzrichtung der Norm verleugnet.
Arg.: Der Zurechnungszusammenhang wird unterbrochen von dem, der in voller Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände an einer Fahrt teilnimmt.

III. Differenzierende Theorie (MM)
These: Die Einwilligung des Gefährdeten schließt eine Bestrafung nach § 315 c StGB nur insoweit aus, als durch andere Vorschriften das Rechtsgut der allgemeinen Sicherheit ausreichend geschützt bleibt. Das ist bei § 315 c StGB wegen § 316 StGB der Fall.

Arg.: Beide Rechtsgüter werden geschützt, beide sind gleichrangig. Eine Einwilligung ist aber nur in die Individualgefährdung möglich ist.
Arg.: Die strenge Lösung der Rspr. ist ungerecht, wenn die Einwilligung irrelevant sein sollte. Gerechtfertigt werden kann dies nur, wenn für die allgemeine Sicherheit kein Auffangtatbestand erfüllt wäre. (Anmerkung: Ein solcher fehlt aber bei § 315 c I Nr. 1 b und Nr. 2 StGB.)
– Fremde Sache von bedeutendem Wert: laut BGH derzeit bei 750 €, nach Literatur derzeit bei ca. 1300 €
Für die Feststellung sind aber zwei Prüfungsschritte notwendig: Zunächst ist zu prüfen, ob die Gefährdung eine Sache von bedeutendem Wert trifft; sodann, ob der Sache ein Schaden von bedeutendem Ausmaß droht.

Problem: Tatfahrzeug, das nicht dem Täter gehört; Fällt es unter den Schutzbereich des § 315 c StGB?

MM: Ja
Arg.: Auch Individualgüter werden geschützt, also auch fremdes Eigentum.

hM: nein.
Arg.: Das Fahrzeug ist notwendiges Tatmittel, das nicht gleichzeitig das geschützte Objekt sein kann.
Arg.: Strafbarkeit hinge sonst von Zufällen ab.
– Zurechnungszusammenhang: Bei der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit muss der Alkoholgenuss Ursache für die konkrete Gefährdung sein.
Also: In dubio pro reo Grundsatz beachten. Im Zweifel muss man hier argumentieren.
Im Anschluss nicht die Prüfung des subjektiven Tatbestandes übersehen, der für jede „Todsünde“ gilt:

-„Grob verkehrswidrig“: (wird teils auch eher dem objektiven Tatbestand zugeordnet, str.):
Ein objektiv besonders schwerwiegender, gefährlicher Verstoß gegen tatbestandsrelevante Vorschriften.
Beachte: besondere Unfallträchtigkeit darf nicht aus der Schwere der Unfallfolgen allein geschlossen werden.

Beispiele: Doppelt so schnell wie erlaubt fahren, „blinder“ Überholvorgang, mind. 90 km/h bei Starknebel

-„Rücksichtslosigkeit“:
Wer sich im Straßenverkehr aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit von vornherein keine Bedenken gegen sein Verhalten aufkommen lässt.
Nicht erfasst: Fehlreaktionen wegen Bestürzung oder Erschrecken.

§ 315 b StGB – Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr

1. Allgemeines:

Dies ist ein konkretes Gefährdungsdelikt wie § 315 c StGB. Der Unterschied hierzu: § 315 b StGB erfasst nur die Abwehr von von außen kommenden verkehrsfremden Eingriffen.

Verhältnis zu § 315 c StGB: Im Normalfall ist es ausgeschlossen, dass sich die Anwendungsbereiche berühren.     § 315 b I StGB verdrängt § 315 c StGB regelmäßig. Ausnahmsweise ist ein Zusammenfallen denkbar.
Bsp.: Gezieltes Rammen bei Überholvorgang; Geisterfahrer, der vorsätzlich einen Unfall herbeiführt: es besteht dann Idealkonkurrenz, wenn und weil einzelne Teilakte nur den Tatbestand des § 315 c StGB betreffen, nicht aber den des § 315 b StGB verwirklichen.

2. Aufbau und Probleme:

I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
2. a) verkehrsfremder Eingriff (Nr. 1-3)

Grundsätzlich sind das nur Eingriffe von außen in den Straßenverkehr.

Bsp: Herabgießen von Farbe oder Herabwerfen von Steinen und Gullydeckeln von einer Autobahnbrücke; die Abgabe von Schüssen auf vorbeifahrende Fahrzeuge; das Durchtrennen von Bremsschläuchen; das Spannen eines Stahlseils über die Fahrbahn oder die Errichtung einer Straßensperre.

– Anlagen: Alle dem Verkehr dienenden Einrichtungen wie Verkehrszeichen, Ampeln und Absperrungen. Auch Straßen selbst mir ihrem Zubehör.

Nr. 1: Beschädigen von Fahrzeugen: siehe Beispiele von eben. Allerdings muss die Beschädigung die Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs begründen („dadurch beeinträchtigt“) und dann das Mittel der zeitlich (Sekundenbruchteile reichen) nachfolgenden (vgl. „und dadurch“) konkreten Gefährdung sein. Eine bloße Beschädigung als solche reicht nicht.
Grund: Es kann nicht anders sein, da sonst jede schuldhafte Fahrzeugbeschädigung schon eine Straftat nach § 315 b StGB wäre.

Merke also: Die Beschädigung muss den Erfolg bewirken, darf also nicht mit diesem zusammenfallen.

Beachte ferner:
Die Tathandlungen des § 315 b I Nr. 2 und Nr. 3 StGB sind auch bei raschem Ablauf vom eingetretenen Erfolg zu trennen, weswegen sich der Eingriff nicht in sich selbst erschöpft. Es braucht also eine zeitliche Differenz zwischen Eingriff und Gefahrerfolg.

Arg.: Wenn nämlich die Tathandlung einen Erfolg bewirkt, muss sie diesem zeitlich vorausgegangen sein, und es liegt auch keine Unmittelbarkeit vor in dem Sinne, dass Eingriff, abstrakte Gefahr und Gefahrerfolg uno acta zusammenfallen.

Formulierungsvorschlag für den Obersatz in der Klausur: „Problematisch ist hiernach, dass der verkehrsfremde Eingriff und die konkrete Gefährdung zeitlich zusammenfallen und es deshalb an dem erforderlichen verkehrsspezifischen Gefahrzusammenhang fehlen könnte“.

– Hindernis bereiten:
Jede Einwirkung auf den Verkehrsraum, die geeignet ist, den reibungslosen Verkehrsablauf zu hemmen oder zu verzögern.

Bsp.: Straßensperren mit Hilfe von Bäumen, Felsen, Seilen werden errichtet; das Legen von Steinbrocken auf die Fahrbahn, Abseilen von Gegenständen von Autobahnbrücken bis auf Fahrzeughöhe, Tiere auf Verkehrsstraßen treiben, sich auf eine Person, die am Boden liegt, setzen.

– Ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff: Wenn der (die Verkehrssicherheit jedenfalls generell beeinträchtigende) Eingriff nach Bedeutung und Gewicht den Nr. 1 und 2 in etwa gleichkommt.

Problem: bewusste Zweckentfremdung eines KFZ in verkehrsfeindlicher Gesinnung, sog. Verkehrsfeindlicher Inneneingriff: „ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff“, wenn Täter selbst Verkehrsteilnehmer ist?

Die Frage ist relevant für Nr. 2 und Nr. 3: Zerstörungs-, Beschädigungs- oder Beseitigungsakte sind nur dann tatbestandsmäßig, wenn es sich um „verkehrsfremde“, d.h. gewissermaßen von außen kommende und in  „verkehrsfeindlicher Absicht“ vorgenommene Eingriffe handelt und nicht § 315 c StGB unterfallen. Ein fahrlässiges Umfahren eines Verkehrsschildes erfüllt den Tatbestand also nicht.

Dem verkehrsfremden Außeneingriff gleichgestellt ist der zweckentfremdete Einsatz eines KFZ in verkehrsfeindlicher Einstellung („pervertierter Fahrzeuggebrauch“, PKW als Waffe).

Zur Wahrung der Sperrwirkung des § 315 c StGB (nochmal: diese Norm regelt nur den Inneneingriff) muss
(a) es sich um eine grobe Verkehrswidrigkeit von einigem Gewicht handeln (objektives Element)
(b) Pervertierungsabsicht vorliegen: Missbrauch des Fahrzeugs mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz (nur Gefährdungsvorsatz: § 315 c)

Bsp: scharfes Abbremsen zwecks Behinderung, Abschneiden des Weges, Fußgänger springt auf Motorhaube eines fahrenden PKW, aber meist mangelt es am Schädigungsvorsatz, außerdem ist § 315 c StGB nicht einschlägig; liegt Schädigungsvorsatz vor, ist fraglich, ob ein Eingriff von grobem Gewicht vorlag.

Problem: objektiv verkehrsgerechtes Verhalten mit Schädigungsabsicht

laut BGH soll § 315 b StGB sogar bei objektiv verkehrsgerechtem Verhalten erfüllt sein.
arg.: Absicht, einen Unfall herbeizuführen strafwürdig.

Lit.: Tatbestand ist in diesen Fällen nicht erfüllt.
Arg.: nur die auf ein Fehlverhalten Dritter einkalkulierende Absicht des Fahrers abzustellen ist nicht überzeugend.

Problem: Zufahren auf einen Polizeibeamten

Diese Konstellation betrifft die Hauptfallgruppe des ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriffs durch verkehrsfeindlichen Inneneingriff:

Bsp: Motorisierter Täter will sich durch gefährliche Handlung einer Polizeikontrolle entziehen.

Merkposten für die Klausur:
(1) „besonderes Gewicht“: das Fluchtmittel Fahrzeug zu nutzen allein reicht nicht, auch eine Nötigung muss erkennbar sein.
(2) „Zweckentfremdung zu verkehrsfremden Eingriff“: Der Täter muss nicht nur fliehen wollen, sondern auch „auf Teufel komm raus“ freie Fahrt haben, was selbst dann reichen soll, wenn er im letzten Moment auszuweichen bereit ist.

b) dadurch Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs

c) dadurch konkrete Gefahr für (vgl. auch oben)

– Leib oder Leben eines anderen Menschen
Problem: Insassen des Täterfahrzeugs, Teilnehmer an der Tat (siehe oben)

– oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert
Ca. 750 € bis 1300 €
Problem: Tatfahrzeug, das nicht dem Täter gehört (siehe oben)

 

2. Subjektiver Tatbestand

Merke: Schädigungsvorsatz beim verkehrsfeindlichen Eingriff nicht vergessen!
Dieser ist aber nur in der Vorsatz-Vorsatz Kombination des § 315 b I StGB denkbar. § 315 b IV und V StGB scheiden aus.
Nur ein Gefährdungsvorsatz reicht also nicht.

II. (Rechtswidrigkeit)
III. (Schuld)
IV. Qualifikation: § 315 b III iVm § 315 III StGB

– Betrifft nur die Vorsatz-Vorsatz Kombination. Dem Täter muss es hier auf Schadensherbeiführung ankommen (bei Nr. 1 a)
– Nr. 1 b: wer nur fliehen oder sich der Festnahme entziehen will, handelt nicht mit Verdeckungsabsicht
– Nr. 2: erfolgsqualifiziertes Delikt

V. Tätige Reue: § 320 II Nr. 2, III Nr. 1 b StGB (in der Klausur eher nicht zu erwarten)

Grundsätzliches zu § 142 StGB – Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

Geschütztes Rechtsgut: Zivilrechtliche Interessen der Unfallbeteiligten

I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
a) Unfall im Straßenverkehr

Def.: Plötzliches Ereignis im öffentlichen Straßenverkehr (weit zu verstehen: allgemein zugänglicher Verkehrsraum), in welchem sich ein verkehrstypisches Schadensrisiko realisiert und unmittelbar zu einem nicht gänzlich unerheblichen Personen- oder Sachschaden führt ( Wertgrenze 25€)

Problem: Vorsätzliches Herbeiführen des Schadensereignisses

Der Begriff „plötzlich“ erscheint fraglich:
Der BGH löst das Problem so: Der Bejahung eines „plötzlichen Ereignisses“ steht die vorsätzliche Schadensverursachung nicht entgegen, falls das Ereignis zumindest für einen anderen Betroffenen ungewollt war.
Entscheidend ist allein, dass der Schadenseintritt in unmittelbarem Zusammenhang mit den im Straßenverkehr typischen Gefahren steht. Dies ist nicht der Fall, wenn die Benutzung des KFZ nur zu deliktischen Zwecken erfolgt.
In Problemfällen sollte man eine wertende Argumentation vornehmen, was überwiegt.

b) Unfallbeteiligter: Legaldefinition in § 142 V StGB: Jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann. Erfasst sind nur Personen, die am Unfallort zur Unfallzeit anwesen waren – sonst ist nämlich kein „Entfernen“ möglich.
Es muss eine nicht ganz unbegründete Möglichkeit der (Mit-) Verursachung nach dem äußeren Anschein gegeben sein.

Problem: Kommt ein Beifahrer als Unfallbeteiligter in Betracht?
Vorschlag: ja, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sein Verhalten in der Unfallsituation den Unfall (mit-)verursacht hat. Bloßes Mitfahren genügt nicht.

c) Vom Unfallort sich entfernen
Unfallort: Stelle, wo sich der Unfall ereignet hat nebst unmittelbarer Umgebung.
Konkret ist damit der Ort gemeint, wo der Unfallbeteiligte seine Pflichten erfüllen kann und wo feststellungsbereite Personen einen Wartepflichtigen vermuten würden.

– Entfernen: Ein Verlassen des Unfallortes so weit, dass eine feststellungsbereite Person den Wartepflichtigen nicht mehr dort vermuten oder ermitteln würde.
Sich zu verstecken reicht nicht. Es ist ein willensgetragendes Verhalten nötig. Ein Entferntwerden reicht nicht aus.
aa) ohne bestimmte Feststellungen zu ermöglichen (Abs. 1 Nr. 1)
es besteht eine Feststellungsduldungs- und Vorstellungspflicht; aber keine generelle Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht.

Problem: es werden falsche Angaben durch den Unfallbeteiligten gemacht. Infolgedessen wird ihm gestattet, weiterzufahren:

Lösungsvorschlag: eine Feststellungsduldungspflicht entfällt an sich, aber bei Erschleichen einer Einwilligung soll nach hM. ein Willensmangel vorliegen.

bb) ohne eine angemessene Zeit zu warten (Abs. 1 Nr. 2)
Dauer und Umfang der Wartepflicht richten sich insbesondere nach Schwere des Unfalls. Grenzen ergeben sich aus der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit.
Diskutiert werden 30 bis 60 Minuten Wartezeit. Ganz wichtig: eine „Visitenkarte“ entbindet nicht von der Wartepflicht! Vielmehr muss, weil es das Gesetz so verlangt, stets eine den Umständen nach angemessene Zeit gewartet werden, sonst ist der Tatbestand erfüllt.

cc) subsidiär: oder nach gestattetem Entfernen ohne die Feststellungen unverzüglich nachträglich zu ermöglichen (Abs. 2) Nachholpflicht.
Problem: unvorsätzliches Entfernen vom Unfallort § 142 II Nr. 2 StGB?

Beispiel: Autofahrer A streift nachts den Radfahrer R hart an, der verletzt auf der Straße liegenbleibt. Das scheppernde Geräusch, das durch den Aufprall des Rades an A’s PKW verursacht wurde, führt A auf einen Defekt am Wagen zurück. Als A seinen PKW wenig später zu Hause einparkt, bemerkt er frische Blutspuren am Kotflügel und erinnert sich an das Geräusch. Da er Alkohol getrunken hat, lässt er aber die Sache auf sich beruhen.

Streitig ist ob eine Rückkehrpflicht bei erst späteren Erfahren möglicher Beteiligung am Unfall besteht oder ob der unvorsätzlich Handelnde nach neuer Gesetzesfassung zu denen zu zählen ist, die berechtigt oder entschuldigt den Unfallort verlassen.

I. Lehre vom extensiven Entschuldigungsbegriff (MM, BGH)- strenge Ansicht
These: § 142 II Nr. 2 StGB ist auch dann anwendbar, wenn sich der Täter zunächst unvorsätzlich vom Unfallort entfernt, dann aber noch innerhalb eines zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs mit dem Unfallgeschehen seine Unfallbeteiligung erkennt.

Arg. „Entschuldigt“ wurde jeher weiter verstanden als seine systematische Bedeutung. Hier ist eine eigenständige Auslegung nötig.

II. Lehre vom restriktiven Entschuldigungsbegriff (BVerfG, hM)
These: Wer sich unvorsätzlich vom Unfallort entfernt, unterfällt grundsätzlich nicht der Strafdrohung des § 142 II Nr. 2 StGB. Nimmt der Täter allerdings irrtümlich einen Rechtfertigungsgrund an, der ihn nur zum Verlassen des Unfallorts berechtigen (oder dies entschuldigen) würde, muss er auch dann die Feststellungen nachträglich ermöglichen, wenn durch seinen Irrtum der Vorsatz ausgeschlossen ist. Strafbar ist nur, wer noch im Bereich des Unfallorts Kenntnis erlangt.

Arg.: Klarer Wortlaut. Sowohl die Umgangssprache als auch die normative Bedeutung sprechen gegen ein solches Verständnis der Begriffe.

Arg.: System: § 142 II StGB verlangt mehr als Abs. 1 (nachträgliches Ermöglichen). Dies rechtfertige sich aus der Privilegierung desjenigen, der sich nach Ablauf der Wartefrist berechtigt oder entschuldigt entfernt habe. Wer aber den Unfall nicht bemerkt hat, kann nicht gleichermaßen verpflichtet werden, sich selbst belastende Handlungen vorzunehmen.

2. Subjektiver Tatbestand

(keine Besonderheiten)

III. Rechtswidrigkeit
v.a. Einwilligung, mutmaßliche Einwilligung, rechtfertigender Notstand sind zu prüfen.
Problem: durch Täuschung erschlichene Zustimmung zum Verlassen des Unfallorts (siehe oben, jedenfalls muss Beteiligung am Unfall als solche eingeräumt werden)
IV. Schuld
V. Tätige Reue, § 142 IV StGB

Konkurrenzen: zwischen §§ 222, 229, 315 c, 316 StGB und § 142 StGB besteht Tatmehrheit, da eine Unfallflucht auf neuem Tatentschluss beruht und eine Zäsur vorliegt.
§ 316 StGB hat nicht die Kraft zu einer Umklammerung der Delikte, da die Tat nicht so schwer wiegt wie die zu umklammernden.

Jura Individuell Tipp: Wir empfehlen abschließend die vorgestellten Vorschriften immer ganz genau zu lesen, Punkt für Punkt. Achten Sie vor allem auf den Kausalitätszusammenhang in § 315 b und § 315 c StGB, der zweimal durch das Wort „dadurch“ im Gesetzestext markiert wird!

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Straßenverkehrsdelikte §§ 315 -316, 142 StGB auf unserer Website Jura Individuell.

Diebstahl nach § 244 StGB – Qualifikation

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Das folgende Schema erläutert den Prüfungsaufbau und die wichtigsten Problemstände des § 244 StGB und ergänzt die Beiträge zu § 242 StGB und § 243 StGB. Siehe auch die Kategorien StGB und Strafrecht.

I) Rechtliche Einordnung des § 244 StGB

Bei dieser Norm handelt es sich um eine unselbständige Abwandlung tatbestandlicher Art zu § 242 StGB und zwar um eine Qualifikation. Um noch einmal ins Gedächtnis zu rufen besteht daher für einen Strafrichter nicht der Spielraum, den er bei Abwandlungen nichttatbestandlicher Art hat. Ist ein Qualifikationstatbestand erfüllt, so ist aus dieser Vorschrift auf Grund ihres abschließenden und zwingenden Charakters zu bestrafen. Weiterhin gibt es auch nicht die Möglichkeit für den Strafrichter einen unbenannten Fall der Qualifikation anzunehmen, wie es bei § 243 StGB der Fall ist.

II)Aufbau

Die Voraussetzungen einer Qualifikation kann man in 2 verschiedenen Varianten in die Prüfung einbauen. Entweder prüft man zunächst den Grundtatbestand, also hier § 242 StGB und § 244 StGB dann im Anschluss als Qualifikation. Geht man derartig vor, prüft man die Tatbestände komplett getrennt voneinander durch, das heißt erst § 242 in objektiver Hinsicht, dann § 242 in subjektiver Hinsicht, dann die Rechtswidrigkeit und die Schuld. Erst im Anschluss daran würde man § 244 prüfen und zwar erneut in objektiver Hinsicht, dann in subjektiver Hinsicht und im Anschluss erneut die Rechtswidrigkeit und die Schuld. Ein solches Vorgehen erscheint aber oft anfängerhaft und wenig sinnvoll, wenn zwar eine Qualifikation verwirklicht wurde oder problematisch ist, dann aber beispielsweise die Wegnahme scheitert. Hat man dann angefangen § 242 StGB isoliert vorab zu prüfen und fliegt in der Prüfung im Punkt Wegnahme raus, so verschenkt man eventuell wertvolle Punkte, die für Ausführungen oder Definitionen in Bezug auf den Tatbestand der Qualifikation vergeben worden wären. Daher erscheint es sinnvoller, sofern es die Übersichtlichkeit zulässt die objektiven Tatbestände von dem Grundtatbestand und der Qualifikation zusammen zu prüfen, dann die subjektiven Tatbestände von Grundtatbestand und Qualifikation zu prüfen und dann eine einheitliche Rechtfertigungs- und Schuldprüfung anzuschließen.

Die Prüfung des Grundtatbestandes des § 242 StGB wurde bereits in den Schemata zum objektiven Tatbestand des 242 StGB und dem subjektiven Tatbestand des § 242 StGB besprochen.

Das folgende Schema befasst sich daher nur noch mit den Punkten, die zusätzlich zum Grundtatbestand in einer Klausur noch zu prüfen wären, wenn die Verwirklichung von § 244 StGB im Raum steht.

III) Voraussetzungen

Weiterhin sollen nun die einzelnen Nummern der Vorschrift erläutert werden.

1) § 244 I Nr. 1

Die Vorschrift des § 243 I Nr. 1 beinhaltet zwei verschiedene Alternativen die hier getrennt behandelt werden sollen um eine möglichst ausführliche Darstellung zu ermöglichen.

a) §244 I Nr 1 a

Für die Verwirklichung dieser Qualifikation muss der Täter entweder eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug bei sich führen. Das erhöhte Strafmaß ist darin begründet, dass die Gefahr des Einsatzes der Waffe oder des gefährlichen Werkzeugs als abstrakt-objektiv gefährliches Nötigungsmittel besteht.

(aa) Waffe

Definition:

Eine Waffe ist ein Gegenstand, der objektiv gefährlich und seiner Art und Bestimmung nach generell dazu geeignet ist erhebliche Verletzungen herbeizuführen  (Waffe im technischen Sinne). Die Bestimmung hierzu kann sich sowohl aus der objektiven Verkehrsanschauung, als auch aus der Anfertigungsart ergeben.

Erläuterung:

Die Waffe muss von dem Täter entweder gebrauchs- und einsatzbereit mitgeführt werden oder ohne Weiteres funktionsbereit gemacht werden können. Eine nicht geladene Schusswaffe erfüllt daher den Tatbestand nicht, wenn die Munition nicht zumindest griffbereit ist. Wasserpistolen oder Waffen, die nicht mehr funktionieren fallen daher auch nicht hierunter. Bei Gas- oder Schreckschusspistolen wird weiterhin vorausgesetzt, dass der Gas bzw. Explosionsdruck nach vorne durch den Lauf austreten kann. Ob eine keine konkrete Gefahr besteht, etwa weil sich in der Bank in der der Täter etwas stehlen will kein Mensch aufhält oder weil sich die einzigen dort aufhaltenden Personen hinter einer schusssicheren Scheibe befinden spielt für die Verwirklichung des Tatbestandes keine Rolle. Waffen sind aber nicht lediglich Schusswaffen, sondern können auch sonstige Waffen im technischen Sinn sein.

Beispiele:

Beispiele für Waffen sind sicherlich zunächst einmal die Schusswaffe, aber auch Knüppel, Dolche, allgemein Hieb- und Stoßwaffen, Schlagringe, Stichwaffen, Granaten oder Molotowcocktails.

(bb) Anderes gefährliches Werkzeug

Die andere Alternative des § 244 I Nr. 1, das bei sich führen eines gefährlichen Werkzeuges hat es in sich und will verstanden werden.

Definition ist schwierig:

Schon im Rahmen der Definition machen die Studenten einen häufigen Fehler, der oft darauf beruht, dass sie das Gesetz nicht richtig lesen. Sie übernehmen die Definition aus § 224 StGB und behaupten dann in der Klausur es handle sich um einen Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Verwendung im Einzelfall dazu geeignet ist erhebliche Verletzungen bei einem Opfer hervorzurufen. Das kann hier aber nicht richtig sein. Bei einer Körperverletzung wird der Gegenstand ja konkret verwendet. Im Rahmen von § 244 muss der Gegenstand aber nur bei sich geführt werden. Wie bitte soll dann auf die konkrete Art der Verwendung im Einzelfall abgestellt werden?

Dass also eine andere Definition her muss zeigt sich deutlich. Wie aber nun der Begriff des gefährlichen Werkzeugs auszulegen ist, hat noch keine abschließende Klärung erfahren, weshalb diese Norm auch immer sehr gerne zu Prüfungsstoff gemacht wird, da von dem Studenten nicht nur erwartet wird, das Problem zu erkennen, sondern auch selber zu denken und nicht lediglich auswendig zu lernen und zu subsumieren.

Abstellen auf das gesetzliche Verbot?

Vertretbar könnte nun sein anzunehmen, dass nur solche Werkzeuge als gefährlich einzustufen wären, die auch gesetzlich verboten oder wegen ihrer Gefährlichkeit erlaubnispflichtig wären. Allerdings scheint der geringe Umfang an Strafschärfungen nicht angemessen, wenn man bedenkt, dass es diverse Werkzeuge gibt, die gesetzlich nicht verboten sind, aber im Prinzip dazu geeignet schwere Verletzungen oder den Tod des Opfers herbeizuführen. Dies würde zwar wegen der Begriffsbestimmtheit Klarheit schaffen, aber nur mäßig mit der aus dem Gesetzestext hervorgehenden Intention des Gesetzgebers einhergehen.

Abstellen auf die Verwendungs- oder Gebrauchsabsicht?

Man könnte aber auch annehmen man stellt auf die Verwendungsabsicht des Werkzeuges ab, also auf das subjektive Vorstellungsbild des Täters. Der Täter müsste sich dann zusätzlich zu ihrer Fähigkeit erhebliche Verletzungen herbeizuführen auch vorbehalten das Werkzeug in dieser Hinsicht zu verwenden. Das Problem ist dann sicherlich, dass Täter dann Schutzbehauptungen vor Gericht anführen werden. Dagegen spricht aber wohl auch, dass gerade § 244 I Nr.1 a StGB im Gegensatz zu § 244 I Nr.1 b StGB gerade nicht auf eine Verwendungsabsicht abstellt. Allein das Bei- sich- führen soll wohl nach Ansicht des Gesetzgebers genügen.

Abstellen auf die objektive waffenähnliche Gefährlichkeit?

Man kann aber auch auf eine Waffenähnlichkeit oder Waffenersatzfunktion abstellen und davon ausgehen, dass eine waffenähnliche objektive Gefährlichkeit bestehen müsste. Das wäre zum Beispiel bei Salzsäure, Baseballschlägern oder Eisenstangen der Fall. Allerdings fände dann der konkrete Einzelfall kaum Berücksichtigung.

Abstellen auf die objektive waffenähnliche Gefährlichkeit?

Weiterhin könnte man annehmen, dass zwar die objektive Gefährlichkeit entscheidet, allerdings dann zumindest sozialtypische Werkzeuge oder diebstahlstypische Werkzeuge auszuscheiden haben. Dann wäre also ein Schraubenzieher dann kein gefährliches Werkzeug, wenn er bei einem Einbruchsdiebstahl mitgeführt würde, aber bei einem Ladendiebstahl schon. Der Baseballspieler, der seinen Schläger im Supermarkt bei sich führt würde auch anders behandelt werden, wenn er etwas stiehlt, als gewöhnliche Personen, die diesen bei sich führen.

Stellungnahme:

Alle Ansätze werden mit teilweise gravierenden Ergänzungen vertreten. Fest steht zumindest, dass die Definition des § 224 nicht passt. Daher sollte der Streit um die Auslegung und die Problematik auch in einer Klausur dargestellt werden. Wie sich die Studenten dann letztlich entscheiden bleibt ihnen natürlich überlassen, sofern sie ihre Ansicht irgendwie begründen. Nach hier vertretener Ansicht erscheint es der gesetzgeberischen Intention und der Auslegung zufolge aus oben besagten Gründen am sinnvollsten, davon auszugehen, dass ein Werkzeug als gefährlich anzusehen ist, wenn es nicht nur abstrakt geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, sondern andererseits auch das Bei- sich- führen durch den Täter in der speziellen Situation aus der Sicht eines objektiven Betrachters  nicht anders verstanden werden kann, als dass es als Waffe eingesetzt werden soll. Sozialübliche Werkzeuge haben nach hier vertretener Ansicht daher auszuscheiden.

(cc) Bei sich führen

Der Täter muss die Waffe oder das gefährliche Werkzeug bei sich führen und zwar zwischen Versuchsbeginn und Vollendung des Diebstahls. Ob das Bei-sich-führen in der Beendigungsphase ausreicht ist nicht abschließend geklärt, da insoweit ein schon vollendetes Delikt und damit eine an sich schon begangene Tat noch qualifiziert werden würde. Auf keinen Fall reicht ein Bei-sich-führen vor dem Versuchsstadium. Auf eine Verwendung kommt es gerade nicht an. Der Gegenstand muss nur unmittelbar zur Verfügung stehen, soll heißen, der Täter muss ihn weder in der Hand, noch am Körper tragen um die Qualifikation zu verwirklichen. Der Zeitaufwand, den der Täter benötigt um sich des Werkzeuges zu bedienen darf aber nicht gravierend sein. Der Täter kann den Gegenstand auch am Tatort erst an sich nehmen oder anfinden, nicht nötig ist, dass er ihn mitbringt. Umstritten ist wieder, ob dem Täter ein Teilrücktritt von der Qualifikation zugesprochen werden kann, wenn er noch vor dem Versuchsbeginn die Waffe oder das Werkzeug wegwirft oder sich ihrer auf andere Art und Weise entledigt.

(dd) Subjektive Voraussetzung

Um die Qualifikation des § 244 I Nr. 1 a zu verwirklichen muss der Täter das Bewusstsein haben eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug bei sich zu führen. Auf ein solches kann insbesondere geschlossen werden, wenn der Täter diese Sache noch kurz vorher benutzt hat oder ähnliches. Nicht ausreichend ist, dass jemand dem Täter eine derartige Sache untergejubelt hat, beispielsweise indem er sie in dessen Rucksack verbarg. Je nachdem welcher Ansicht man im Rahmen der Definition des gefährlichen Werkzeuges folgt, benötigt der Täter auch noch eine Verwendungs- oder Gebrauchsabsicht oder nicht.

b) §244 I Nr 1 b

Im Folgenden soll die Vorschrift des § 244 I Nr. 1 b erörtert werden. Hier muss der Täter sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führen um den Widerstand einer Person durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu verhindern.

(aa) Definition sonst ein Mittel

Sonst ein Werkzeug oder Mittel ist ein Gegenstand, der nach seiner Art und seinem Verwendungszweck in der konkreten Situation dazu geeignet ist, Widerstand durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden.

(bb) Erläuterung

In Bezug auf diese Norm muss der Täter aber vorhaben das Objekt dazu zu verwenden den Widerstand einer Person zu brechen. Durch dieses zusätzliche subjektive Element, das neben den Tatbestandsvorsatz treten muss, wird die fehlende objektive Gefährlichkeit kompensiert, denn diese ist für Nr. 1b gerade nicht zwingend erforderlich. § 244 Abs. 1 Nr. 2 alte Fassung hatte die sonstigen Mittel noch im direkten Zusammenhang mit Waffen aufgelistet, weshalb man überwiegend davon ausging als sonstige Werkzeuge kämen nur objektiv gefährliche Gegenstände in Betracht. Die Rechtsprechung ging jedoch überwiegend schon damals einen anderen Weg und sah auch objektiv ungefährliche Gegenstände von der Norm erfasst, solange der Täter diese listig einzusetzen vorhatte. Mit der Änderung des § 244 Abs. 1 hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung zu § 244 Abs. 1 Nr. 2 alte Fassung ausdrücklich zum Maßstab der Qualifikation machen und insbesondere alle Scheinwaffen als Tatmittel im Sinne von § 244 I Nr. 1b erfassen wollen. Grund der Strafschärfung ist daher nicht die objektive Gefährlichkeit, sondern die Tauglichkeit und der Willen zum Einsatz des Mittels als Nötigungsmittel. Unter diese Norm fallen nun daher auch Scheinwaffen, allerdings sind Gegenstände auszunehmen, die nicht auf Grund eigener Anmutung ein Drohpotential besitzen, sondern erst durch eine Täuschung des Gegenübers. Dies ist zum Beispiel in dem bekannten Labellostift- Fall gegeben, in welchem der Täter einen Labello unter der Jacke verbarg und auf den Angestellten einer Bank richtete mit den Worten „Hände hoch oder ich schieße“. In diesem Fall überwiegt das Täuschungsmoment. Derartige Fälle wurden der Rechtsprechung nach schon zu § 244 Abs. 1 Nr. 2 aF. vom Anwendungsbereich ausgenommen. Labellostiftfall BGH NJW 1996, 2663, Plastikrohrfall  BGHSt 38, 116. Die Scheinwaffenproblematik war schon immer ein beliebtes Klausurthema und es ist damit zu rechnen, dass die Problematik trotz heutzutage eindeutiger Subsumtion unter § 244 I Nr. 1 b weiterhin Prüfungsstoff bleiben wird.

Zu einer Verwirklichung der Absicht des Täters das Mittel einzusetzen muss es nicht zwingendermaßen kommen. Die subjektive Komponente ist ausreichend. Ansonsten wäre zumeist ohnehin § 249 StGB verwirklicht. Als andere Person kommt nicht nur das Opfer selbst in Frage, sondern vielmehr auch andere dritte Personen.

(cc) Beispiele:

Beispiele für sonstige Werkzeuge oder Mittel sind die Scheinwaffe, Kabelstücke und Tücher die zum Würgen des Opfers benutzt werden sollen.

2)§ 244 I Nr. 2

Im Folgenden soll § 244 I Nr. 2 erläutert werden, der den Bandendiebstahl einer höheren Strafe unterwirft.

a)Definition Bande:

Eine Bande ist der Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich auf gewisse Dauer mit dem Willen verbunden haben, in Zukunft mehrere selbstständige, im Einzelnen möglicherweise noch ungewisse Straftaten (§ 242, 249) zu begehen. Nach anderer Ansicht genügen auch schon zwei Personen.

b) Erläuterung:

Bei der Bandenmitgliedschaft handelt es sich um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 II StGB. Ist also jemand nicht Mitglied der Bande, so kommt nur eine Bestrafung aus § 242 oder § 243 StGB in Betracht, entweder als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe. Es ist nicht erforderlich, dass diese Gruppierung hierarchisch organisiert ist. Weiterhin kann die Verbindung der Personen auch konkludent erfolgen. Aus diesem Grund braucht man nicht etwa eine Bandenabrede. Im Extremfall kann es sogar sein, dass sich die Bande untereinander gar nicht persönlich kennt, es muss nur eine Übereinkunft dahingehend vorliegen, zusammen vorzugehen.

Unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds

Es ist erforderlich, dass bei dem Diebstahl mindestens zwei Bandenmitglieder mitgewirkt haben. Andernfalls würde es sich gar nicht um eine Tat der Bande an sich handeln.

Wo muss zusammengewirkt werden?

Fraglich ist an welchem Ort zusammengewirkt werden muss. Früher war herrschende Ansicht, dass zwei Bandenmitglieder am Tatort anwesend sein müssen und dort zusammenwirken, damit das Merkmal erfüllt ist. Diese räumlich-zeitliche Nähe ist heute nicht mehr Voraussetzung, Insbesondere setzt der Wortlaut das auch nicht voraus. Der erhöhte Strafgrund liegt in der Gefährdung aufgrund der Arbeitsteilung und diese ist ebenso vorhanden, wenn die Bandenmitglieder nicht am Tatort zusammen agieren, sondern ein Zusammenwirken in der Vorbereitungsphase erfolgt oder nur tatbegleitend. Die Wegnahme kann im Extremfall sogar durch einen bandenfremden Täter vorgenommen werden, solange ein Bandenmitglied als Täter und ein anderes Bandenmitglied irgendwie zusammenwirken. Ein tatortbezogenes Zusammenwirken mehrerer Bandenmitglieder wird aber weitgehend überhaupt nicht mehr verlangt.  Warum ein Bandenmitglied aber zumindest als Täter mit einem anderen Bandenmitglied zusammenwirken muss wird sogleich geklärt. Insoweit sollte zunächst die örtlich- zeitliche Komponente geklärt werden.

Zu beachten ist, dass es weiterhin starke Stimmen in der Literatur gibt, die an einem zusammenwirken zweier Bandenmitglieder am Tatort festhalten, mit der Begründung, dass ansonsten die Gleichstellung mit dem Waffendiebstahl kaum zu rechtfertigen wäre. Hierzu sei vielmehr eine spezifische Ausführungsgefahr erforderlich, die nur dann gegeben ist, wenn eine räumlich- zeitliche Nähe zum Tatort gegeben ist.

Wie man sich in der Klausur entscheidet ist sicherlich wieder dem Einzelnen überlassen, sofern die Ansicht nur sauber begründet wird, ist wohl beides mit guten Argumenten vertretbar. Für die herrschende Ansicht spricht insbesondere das Argument, dass ein im Hintergrund agierender Bandenchef niemals nach § 244 I Nr.2 StGB zu bestrafen wäre, wenn man ein Zusammenwirken am Tatort voraussetzen würde. Dies erscheint aber so evident sinnwidrig, dass der Gesetzgeber es kaum so gewollt haben kann.

Wie muss zusammengewirkt werden?

Nun ist noch fraglich, in welcher Form zusammengewirkt werden muss. Nachdem nun geklärt ist, dass die überwiegende Ansicht der Literatur und Rechtsprechung eine räumlich-zeitliche Nähe zum Tatort nicht voraussetzen, ist noch nicht geklärt, in welcher Form die Bandenmitglieder zusammen wirken müssen. Kurz gesagt, es muss geklärt werden ob es nötig ist, dass ein Bandenmitglied als Täter agiert oder eventuell sogar alle Mittäter sein müssen, oder ob auch ein Gehilfenbeitrag einer oder gar aller Mitglieder ausreicht. Die Handlungsqualität soll nunmehr festgestellt werden. Ein Bandenmitglied muss in jedem Fall als Täter agieren. Die Mitwirkung erfordert aber keine Mittäterschaft, sondern kann auch in einer anderen Form der Beteiligung liegen. Wir merken uns daher: Zwei Bandenmitglieder müssen zusammenwirken, entweder als Mittäter, oder als Täter und Teilnehmer. Das Ganze muss nicht am Tatort geschehen. Im Einzelnen ist die Problematik aber nach wie vor recht umstritten.

c) Merkformel

Leicht zu merken ist die ganze Thematik mit einer sogenannten Ebay- Formel:

„3-2-1-Keins“: (3 Bandenmitglieder) (2 wirken zusammen) (1 ist Täter) (Keiner muss am Tatort sein).

3) § 244 I Nr. 3

Als letzte Qualifikation sieht § 244 I Nr. 3 StGB auch noch den Wohnungseinbruchsdiebstahl vor. Insoweit ist die Qualifikation nichts anderes als ein Spezialfall des Regelbeispiels in § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB, denn der Fall liegt ähnlich, nur dass der Diebstahl aus einer Wohnung heraus erfolgt. Die häusliche Privatsphäre ist hier zusätzlich zum Eigentum auch noch betroffen.

Fraglich ist, was eine Wohnung ist. Insofern erinnere ich mich noch an einen Kommentar meines Professors im Studium, der immer meinte „…Ihre Wohnung ist nicht gleichzusetzen mit ihrem Lebensmittelpunkt, denn das wird später ihre Kanzlei sein.“ Insofern bedarf die Definition der Wohnung der Festlegung von detaillierteren  Kriterien.

a) Wohnung

Eine Wohnung definiert man oft als den Inbegriff von Räumlichkeiten, die nicht nur vorübergehend der Unterkunft eines oder mehrerer Menschen dienen. Zu beachten ist aber die gewaltige Straferhöhung, die mit Verwirklichung des § 244 StGB einhergeht. Daher erscheint es sinnvoller den Begriff der Wohnung etwas enger zu fassen und damit nicht gleichzusetzen mit dem Begriff in § 123 StGB, indem man nur solche Räumlichkeiten hierunter fasst, die nicht nur zur Gewahrsamssphäre zählen, sondern Kernbereich des privaten Lebens und Wirkens sind, weil sie die Selbstentfaltung und intime Kommunikation in einer geschützten Umgebung gewähren. Dachböden, Keller und Garagen werden daher hierunter wohl weniger zu fassen sein, es sei denn, es handelt sich um einen speziellen Keller, der privat genutzt wird, etwa weil er im Rahmen eines Einfamilienhauses privat dauerhaft genutzt wird und ausnahmsweise unter oben besagte Definition zu fassen ist. Insoweit ist also eine Einzelfallbetrachtung entscheidend.

b) Ort des Diebstahls

Es ist nicht nötig, dass die Sache auch aus der Wohnung an sich entwendet wird. Vielmehr reicht es nach überwiegender Auffassung aus, dass der Täter in die Wohnung einbricht um sodann Zutritt zu einem anderen Raum zu haben, aus dem er eine Sache entwenden will, der aber wiederum nicht zur Wohnung gehört.

c) Vorgehensweisen:

Die Vorgehensweisen, die in § 244 I Nr. 3 StGB aufgezählt werden, entsprechen denen bei § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB. 

Achtung: Es handelt sich um eine Qualifikation. Das heißt der Versuch beginnt immer erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zum Grunddelikt. Ein Ansetzen etwa zum Einbrechen oder anderen Vorgehensweisen genügt nur dann, wenn darin auch schon das Ansetzen zum Grunddelikt gesehen werden kann.

IV) Konkurrenzen

Es soll abschließend darauf hingewiesen werden, dass § 244 StGB den § 242 StGB im wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt, weil ein Fall der Spezialität vorliegen würde. Der § 243 StGB geht in § 244 StGB als Strafzumessungsregel auf.

 V) Anmerkungen

Zur Ergänzung siehe auch die Kategorien StGB sowie Strafrecht und vor allem die Beiträge zu § 242 StGB und § 243 StGB.

siehe auch: mittlebare Täterschäft und Verbotsirrtum, Beihilfe, Diebstahl in mittelbarer Täterschaft, Error in persona und aberratio ictus, Aufbau ErlaubnistatbestandsirrtumPrüfschema Nötigung und Anstiftung

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Diebstahl nach § 244 StGB – Qualifikation auf unserer Website Jura Individuell.

Hehlerei § 259 StGB

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Im folgenden Artikel sollen gängige Fragen des wichtigsten Anschlussdelikts erörtert werden. Die Problempunkte mit widerstreitenden Argumenten (und dem überwiegenden Meinungsspektrum) werden dort dargestellt, wo sie in der Regel im Prüfungsaufbau zu erwarten sind. Die Hehlerei ist ein eher schwer zu verstehendes Delikt, das man sich in Ruhe noch einmal anschauen sollte. Grund ist die wenig gelungene gesetzliche Regelung. Am Ende folgen noch Hinweise zur Abgrenzung vom Geldwäscheparagraphen. Hinzuweisen ist darauf, dass es gerade bei diesem Tatbestand viele Streitfragen gibt. Hier ist vieles vertretbar, man sollte es aber begründen. Denn die „hM“ ersetzt nie eigene Argumentation und ist auch kein Dogma.
Hier noch einmal die gesetzliche Vorschrift:

§ 259 Hehlerei. (1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen hat oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft
(2) Die §§ 247 und 248 a gelten sinngemäß.
(3) Der Versuch ist strafbar.

I. Allgemeines zum Tatbestand der Hehlerei

Sie ist typisches Anschlussdelikt wie Begünstigung, Strafvereitelung oder Geldwäsche.

Sie ist ferner Vermögensdelikt: ihr „Unrecht“ nach der Perpetuierungstheorie ist die Aufrechterhaltung der durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen Vermögenslage durch einvernehmliches Zusammenwirken (was so nirgendwo im Gesetzestext steht) mit dem Vortäter.

Der Normalfall der Hehlerei ist das Weiterschieben der Deliktsbeute in die Verfügungsgewalt einer anderen Person.

Wichtige Hinweise für die Fallbearbeitung:

Das Hehlereiobjekt immer genau bezeichnen! Dies ist wichtig, um Gegenstände von der straflosen Ersatzhehlerei zu unterscheiden.

Ferner setzt Hehlerei als Anschlussdelikt die Begehung einer Vortat voraus, die gegen fremdes Vermögen gerichtet und zuvor selbständig erörtert sein muss!! Die Prüfung der Hehlerei folgt also chronologisch nach.

Auch gibt es ein eigenes besonderes subjektives Tatbestandsmerkmal: die eigen- oder fremdnützige Bereicherungsabsicht, die sehr gerne vergessen wird. Daher sollte das Wörtchen „um“ im Gesetzestext markiert werden, sofern dies vom jeweiligen Landesjustizprüfungsamt gestattet wird.

II. Aufbau, Definitionen und Probleme anhand des Prüfschemas

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

Rechtswidrige (gegen fremdes Vermögen gerichtete) Vortat eines anderen

Problem: Erfordernis einer bezüglich der Sacherlangung abgeschlossenen Vortat
(Fortbestehen der durch die Vortat begründeten rechtswidrigen Vermögenslage)

Bsp: B bietet dem eingeweihten T einen ihm vom O geliehenen Füller zum Kauf an. T kauft den Füller für 20 € und nimmt ihn mit. Hat T sich nach § 259 StGB strafbar gemacht?

hM: (Sukzessivitätstheorie): Die Hehlerei muss der Vortat zeitlich nachfolgen. Bei Zusammenfallen ist es nur Beteiligung an der Vortat, damit keine Hehlerei.

Arg.: Wortlaut „erlangt hat“
Arg.: Normzweck: Aufrechterhaltung setzt bereits eine solche aufrechtzuerhaltende Lage voraus
Arg.: Verwässerung zwischen Vortat und Nachtat soll vermieden werden: Anschlussdelikt!!

MM: (Gleichzeitigkeitstheorie): Vortat und Hehlerei können in einem Akt zusammenfallen.

Arg.: Zufällige Ergebnisse werden vermieden.
Um das nicht zu vergessen, hilft oft der abgedroschene Spruch: „Der Hehler ist nie der Stehler.“

Problem: Rückerwerb der Beute durch den Vor(mit)täter

Bsp: A stiehlt eine Flasche und verkauft sie an Hehler H; H schenkt die Flasche wieder A.

Lösung: An sich ist der Tatbestand erfüllt.
Hätte es aber den zwischenzeitlichen Erwerb des H nicht gegeben, wäre A unmöglich Täter des § 259 I StGB; A wäre strafbar einer Hehlerei an einer Sache, die er selbst gestohlen hat.

MM: es ist eine teleologische Reduktion nötig, wonach der Vortäter als Täter ausscheidet.

Arg.: Letztendlich würde nur die ursprüngliche rechtswidrige Vermögenslage wiederhergestellt: kein erneutes strafwürdiges Unrecht

hM: § 259 I StGB (+) bei Rückerwerb

Arg.: Perpetuierung der rechtswidrigen Vermögenslage durch ihre erneute Bekräftigung. Hehlereikette wird verlängert: es besteht also Realkonkurrenz!

Tatobjekt: eine durch die Vortat erlangte Sache

Problem: Unmittelbarkeitszusammenhang/Ersatzhehlerei

Bsp: D hat 500 € gestohlen. Beim gutgläubigen Juwelier kauft er ein Geschenk von dem Geld für seine Frau, die von allem weiß.

Ist das Ersatzhehlerei am Geschenk?
Contra: Wortlaut „Sache, die ein anderer … durch eine … Tat erlangt hat…“
Damit sind nur unmittelbar dieselben Gegenstände der Vortat gemeint.

Contra: Systematischer Vergleich zu § 261 I 1 StGB: dort ist vom „Gegenstand“, der „ herrührt“ die Rede: hier sind also explizit Surrogate genannt! Im Umkehrschluss, weil eine solche Formulierung bei der Hehlerei fehlt, gibt es das also nicht.
Achtung:

Man sollte noch darüber nachdenken, ob die „Ersatzsache“, die der Täter etwa durch Verkauf oder Umtausch erlangt hat, nicht auch ihrerseits durch ein Vermögensdelikt erlangt wurde (etwa durch Betrug- wenn also beispielsweise ein gestohlenes Gut an einen gutgläubigen Händler verkauft wird und der Vortäter dadurch Geld erhält, welches er weiterschenkt an den eingeweihten Täter)

a) Tathandlungen

aa) Sich oder einem Dritten verschaffen
bedeutet vom Vortäter unabhängige (Mit-)Verfügungsgewalt zu eigenen Zwecken zu erlangen.

Problem: Verzehr von Diebesgut

MM: (+), Hehlerei soll erfüllt sein:
Arg.: „Insichbringen“ durch Verzehr ist schärfste Form der Erlangung von Verfügungsgewalt.

hM: (-) keine Hehlerei:
Arg.: Mitgenuss allein verschafft Verzehrendem nicht die Macht, nach eigenem Belieben unabhängig vom Vortäter über den Hehlereigegenstand zu verfügen.
Problem: Erwerb der Auslösungsbefugnis für hinterlegte Sachen:
Verschafft sich die im Gewahrsam eines Pfandleihers befindliche Sache, wer den Pfandschein über die Sache erwirbt?

Bsp: A hat eine goldenes Amulett gestohlen und beim Pfandleiher P gegen Hingabe eines Darlehens versetzt. Den Pfandschein verkauft er günstig an Hehler H, der ihn verkaufen will. Ist H „Hehler“?

Problematisch ist hier, ob die Erlangung unmittelbaren Besitzes vorausgesetzt wird oder nicht.

hM: Potenziell rechtliche Verfügungsmacht soll reichen: wer einen Pfandschein erwirbt, verschafft sich dadurch bereits das Pfand.

Arg.: Mittelbarer Besitz begründet auch Einwirkungsmöglichkeiten.
Arg.: Dadurch entsteht faktische Unabhängigkeit vom Vortäter.

MM: Pfandschein verschafft noch nicht „Pfand selbst“.

Arg.: Keine tatsächliche Herrschaftsgewalt, da eben doch nur mittelbarer Besitz.

bb) Ankaufen (in der Klausur unproblematisch)

cc) Absetzen

Selbständige, weisungsunabhängige Verwertung im Interesse und mit Einverständnis des Vortäters

Bsp: Verkaufskommissionär

Abgrenzung vom „Absetzenhelfen“: Dieses ist nur unselbständig; man muss also im Lager des Täters stehen!
Problem: Entgeltlichkeit!

Ein Absetzen verlangt rechtsgeschäftliche Übertragung der Deliktsbeute im Wege entgeltlicher wirtschaftlicher Verwertung (Verkauf, Tausch, Verpfändung)
Schenken reicht nicht aus!

Problem: Rückveräußerung an den Eigentümer

hM: Tatbestand der Hehlerei ist bereits nicht erfüllt.
Arg.: Rechtmäßige Besitzposition wird wiederhergestellt, auch bei Täuschung!
Arg.: Keine Strafbarkeitslücken wegen Abdeckung durch §§ 253, 263 StGB

MM (Rspr): § 259 StGB (+)
Arg.: Der Eigentümer steht wirtschaftlich gesehen genauso schlecht da wie zuvor, wenn er für Erhalt der Sache zahlen muss.

Problem: Absatzerfolg

Ist der Tatbestand bereits vollendet, wenn es nicht zum Absatzerfolg kommt, die Absatzbemühungen also scheitern?

Übersicht über die wichtigsten Ansichten:

BGH (früher!): Vollendung ist auch ohne erfolgreichen Absatz anzunehmen:
These: Jede vom Absatzwillen getragene, vorbereitende, ausführende oder helfende Tätigkeit soll genügen. Diese muss die Eignung haben, den Vortäter bei seinen Bemühungen um wirtschaftliche Verwertung der bemakelten Sache zu unterstützen.

Arg.: Kriminalpolitik denn andernfalls drohen Strafbarkeitslücken.
Arg.: Wille des Gesetzgebers: Es war keine Einschränkung bei der Reform des Gesetzes gewollt.
Arg.: Absatz ist als Ausschauhalten in verschiedenen Kreisen zu verstehen: Absatztätigkeit ist also gefährlich, damit strafwürdig.

hM: Notwendigkeit eines Absatzerfolges. Merke: Der BGH hat sich dieser Ansicht 2013 nunmehr angeschlossen! Der Streit dürfte damit obsolet geworden sein. Nicht aber für die Klausur! Dort wird erwartet, dass das Problem diskutiert wird, da es sich um (relativ) frische Rechtsprechung handelt!

Arg.: Wortlaut (Art. 103 II GG).
Arg.: Schutzzweck. Sonst keine Vertiefung der rechtswidrigen Lage. Sinn und Zweck der Norm ist gerade Bestrafung der Erschwerung der Wiederbeschaffung der gestohlenen Sache.
Arg.: Systematik. Absetzen als Kehrseite des „Verschaffens“, was aber Verfügungsgewalt voraussetzt.
Arg.: Systematik. Versuchsstrafbarkeit würde sonst unterlaufen.
Arg.: Kriminalpolitik. Rücktrittsmöglichkeit würde beschnitten, wenn gleich Vollendung anzunehmen wäre.

Merkt euch aber für die Klausur folgendes:

Hat die Tat keine geeigneten Bemühungen gehabt, so kommt nur ein Versuch in Betracht und der Streit kann dahinstehen!!
dd) Absetzenhelfen
bedeutet: unselbständige Unterstützung der Absatzbemühungen des Vortäters (Bsp: ein Verkaufsgehilfe)

Problem: Erfolgsgeeignetheit der Hilfe

Wie auch beim Absetzen muss nach der Rspr. die Erfolgsgeeignetheit des Bemühens des Täters im konkreten Fall geprüft werden. Ungeeignet, die rechtswidrige Vermögenslage aufrechtzuerhalten ist danach ein Hilfe, die dem Vortäter bei dessen Versuch geleistet wird, die Sache an den Eigentümer rückzuveräußern oder an einen verdeckten Ermittler bzw. eine Vertrauensperson der Polizei. In jedem Fall wird dabei die rechtswidrige Vermögenslage nicht perpetuiert.
Auch hier wird eventuell wieder das Problem des Absatzerfolges relevant.
ee) Einverständliches Zusammenwirken mit dem Vortäter (steht nicht im Gesetz!)

Problem: Entzug der Sache durch Nötigung/Täuschung

Bsp: D hat E eine wertvolle Briefmarke gestohlen. H erlangt die Marke von D
a) durch Betrug, indem er, ohne dies je vorzuhaben, die Zahlung von 400 € verspricht, b) durch Erpressung, indem er mit einer Strafanzeige droht. Hehlerei?

MM: Ja, faktisches Zusammenwirken genügt. Kollusion ist nicht nötig.
Arg.: Die Sache wird immer noch mit dem Willen des Vorbesitzers (D) weiterverschoben.
hM: Nein, denn nicht nur Perpetuierung ist Unrecht,sondern auch die Gefährdung allgemeiner Sicherheitsinteressen.
Arg.: Abnahmebereitschaft des Hehlers schafft ständigen Anreiz zu Diebstählen. Aussicht, dann betrogen, erpresst oder vom Abnehmer genötigt zu werden schafft keinen Anreiz zu Vermögensstraftaten.
Arg.: Charakteristisch wäre „Hilfeleisten zugunsten des Vortäters“, wovon hier keine Rede sein kann.
Arg.: Es drohen auch keine Strafbarkeitslücken, da §§ 240, 253, 263 StGB greifen!

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz: Dolus eventualis bezüglich Vortat reicht aus
b) Eigennützige oder fremdnützige Bereicherungsabsicht (nicht übersehen!)

Der Täter muss die Absicht haben, sich oder einen Dritten zu bereichern.
Dolus directus 1. Grades auf einen geldwerten Vorteil reicht aus

Kein Erfordernis der Rechtswidrigkeit des erstrebten Vorteils!
Kein Erfordernis der Stoffgleichheit des erstrebten Vorteils!

Problem: Vortäter als Dritter

Bsp: A stellt R einen Dietrich für dessen Einbruch in der Villa des D zur
Verfügung. Als Gegenleistung fordert er die Überlassung des wertvollen
Tafelgestecks des D. Alles geschieht wie besprochen. Ist A Hehler?

Formulierung für Klausur:
„Fraglich ist, ob diese Tat als Tat eines anderen anzusehen ist,
da A zwar nicht Täter, aber doch Teilnehmer der Vortat war.“

BGH/ hL: Täter der Vortat kann nicht Täter iSd § 259 StGB sein,
Teilnehmereigenschaft an der Vortat steht dem aber nicht entgegen: Hiernach wäre A
tauglicher Täter.

Arg.: Wortlaut der §§ 26, 27 StGB. Die Tat eines anderen wird unterstützt.
MM: Strafbarkeit des Teilnehmers an der Vortat nach § 259 StGB ist nur dann möglich, wenn dieser durch die Teilnahme an der Vortat noch kein Anrecht auf die Beute erworben hat.

Zusammenfassend: Zum tauglichen Täterkreis des § 259 StGB zählen alle Personen außer dem Vortäter. Der Teilnehmer an der Vortat (Anstifter oder Gehilfe) kann nach hM den Tatbestand des § 259 StGB als Täter erfüllen.

 

II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld

IV. Privilegierungen (Strafantrag, § 259 II StGB iVm §§ 247, 248 a StGB)

Die Erfahrung lehrt, dass in den Klausuren oft die Geringwertigkeitsklauseln übersehen werden. Hier sollte man sich angewöhnen, jede Vorschrift zu Ende zu lesen, auch wenn sie schon vermeintlich bekannt ist.

Höhe der Geringwertigkeit:

Etwa bei Beträgen zwischen 25 € bis 50€.

V. Qualifikationen, §§ 260, 260 a StGB

Gewerbsmäßig handelt dabei, wer sich aus der wiederholten Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und einer gewissen Dauer verschaffen will.

 

Klausurrelevant ist noch Folgendes: Unterschiede des § 261 StGB („Geldwäsche“) gegenüber § 259 StGB

Tatgegenstand bei Geldwäsche:
Nicht nur „Sachen“, sondern sämtliche Vermögenswerte, auch Forderungen sind erfasst!

Herrühren“:
Erfasst sind grundsätzlich auch Ersatzgegenstände nach Verwertungshandlungen.
Vortäter als tauglicher Täter:
Auch der Vortäter handelt tatbestandsmäßig, ihm kommt lediglich ein persönlicher Strafausschließungsgrund zu ( § 261 IX 2 StGB).

Tathandlung:
Die Erlangung selbstständiger Verfügungsgewalt ist nicht erforderlich, Leihe und Verwahrung sind somit erfasst!

Leichtfertigkeit bzgl. der bemakelten Herkunft genügt, § 261 V StGB

Erhöhte Mindeststrafe von drei Monaten

Beschränkung der Vortat
Der Gegenstand muss aus einem Verbrechen oder einem Vergehen, welches in § 261 I Ziff. 2-5 aufgeführt ist, herrühren.

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Hehlerei § 259 StGB auf unserer Website Jura Individuell.

Betrug § 263 StGB

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Gegenstand des Beitrages ist ein Prüfschema zum Betrug, welches auf Verständnis aufgebaut ist.  Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Tatbestandsmerkmalen der „Vermögensverfügung“ sowie der „Bereicherungsabsicht“.

Prüfschema Betrug

A. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a.) Täuschungshandlung

Der Täter muss über Tatsachen getäuscht haben.

aa.) Tatsachen sind objektiv nachprüfbare Gegebenheiten. Damit unterscheiden sie sich von Werturteilen, welche einer objektiven Nachprüfbarkeit nicht zugänglich sind.

bb.) Die Täuschungshandlung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen oder kann in einem Unterlassen liegen. Liegt die Täuschungshandlung in einem Unterlassen, so kann sie dem Täter nur dann zugerechnet werden, wenn er eine Garantenstellung sowie eine Garantenpflicht in Bezug auf eine Aufklärung über die in Frage stehenden Tatsachen hatte.

cc.) Man kann falsche Tatsachen ausdrücklich oder konkludent vorspiegeln oder wahre Tatsachen durch ein Unterlassen der Aufklärung unterdrücken.

b.) Irrtumserregung

Durch die Täuschungshandlung (in Form des ausdrücklichen oder konkludenten Vorspiegelns falscher oder des Unterdrückens wahrer Tatsachen) muss beim Opfer ein Irrtum kausal erregt worden sein.

aa.) Irrtum ist die Fehlvorstellung über die wahren Tatsachen. Das Opfer muss sich eine Sachlage vorstellen, die von der wahren Sachlage abweicht.

(a) Dazu muss sich das Opfer Gedanken über die in Frage stehenden Tatsachen machen. Wenn sich das Opfer keine direkten Gedanken über die in Frage stehenden Tatsachen macht, so ist zu prüfen, ob diese Tatsachen vom gedanklichen Mitbewusstsein des Opfers umfaßt sind.

(b) Wurde festgestellt, dass sich das Opfer Gedanken über die in Frage stehenden Tatsachen macht, so muss die Vorstellung des Opfers über diese Tatsachen von der wahren Tatsachenlage abweichen. Diese von der wahren Tatsachenlage abweichende Vorstellung des Opfers muss durch das Vorspiegeln einer falschen Tatsachenlage oder das Unterdrücken der wahren Tatsachenlage durch den Täter ausgelöst worden sein. In diesem Fall ist ein Irrtum erregt oder unterhalten worden.

c.) Vermögensverfügung

Durch die Irrtumserregung bedingt muss das Opfer eine Vermögensverfügung vornehmen. Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen, welches sich unmittelbar Vermögensmindernd auswirkt.

aa.) Das Handeln, Dulden oder Unterlassen muss sich auf einen Vermögenswert beziehen. Da vom Straftatbestand des Betruges das Vermögen als solches geschützt ist, kann dieser Vermögenswert sowohl in Eigentum und Besitz begründet liegen, aber auch in relativen Rechten wie Forderungen. Der Schutzbereich des Betruges geht damit weiter wie beim Diebstahl, umfasst aber auch das vom Diebstahl geschützte Rechtsgut Eigentum. In den Klausuren ist damit Vordergründig zu prüfen, ob das Oper durch ein Handeln, Dulden oder Unterlassen über ein relatives Recht wie eine Forderung verfügt hat. Erst wenn ein relatives Recht nicht auszumachen ist, kann weitergeprüft werden, ob über ein absolutes Recht verfügt wurde. Diese Prüfreihenfolge ist wichtig, da man ansonsten eventuelle relative Rechte übersieht, über welche das Opfer verfügt haben könnte.

bb.) Das Handeln, Dulden oder Unterlassen des Opfers, durch welches es das relative oder absolute Recht verliert, muss freiwillig erfolgt sein. Damit muss das Opfer die Wahlfreiheit gehabt haben, ob es den Vermögenswert durch ein Handeln, Dulden oder Unterlassen verlieren will oder nicht. Durch das Element der Freiwilligkeit wird der Charakter des Betruges als ein Selbstschädigungsdelikt herausgestellt. Der Strafgrund des Betruges liegt darin, dass der Täter das Opfer dazu bringt, sich freiwillig eines Vermögenswertes zu begeben.

cc.) Damit unterscheidet sich die Vermögensverfügung von der Wegnahme beim Diebstahl. Dort wird der „Bruch“ fremden Gewahrsams bestraft und damit der unfreiwillige Verlust des Gewahrsams. Sobald aber ein Einverständnis des Gewahrsamsinhabers vorliegt, ist die Wegnahme vom Tatbestand her ausgeschlossen, da der Gewahrsamsinhaber freiwillig dem Verlust seines Gewahrsams zugestimmt hat. In diesem freiwilligen Zustimmen kann jetzt nur noch eine Vermögensverfügung nach § 263 StGB gesehen werden. Das erklärt auch, warum das durch Täuschung erlangte Einverständnis wirksam ist. Sobald jemand freiwillig auf seinen Vermögensschutz verzichtet, soll er nicht mehr dem Schutzbereich des § 242 StGB unterstehen und der Anwendungsbereich des § 263 StGB ist eröffnet, welcher die vom Täter veranlasste Selbstschädigung des Opfers unter Strafe stellt. Die hier aufgezeigte Abgrenzung zwischen Wegnahme und Vermögensverfügung ergibt sich nur in den Fällen, wo über Eigentum als Vermögenswert verfügt worden sein könnte.

Nur Eigentum ist als Vermögenswert gleichzeitig von § 242 StGB geschützt, sodass nur hier das Konkurrenzverhältnis zwischen Wegnahme und Vermögensverfügung entstehen kann. Wird über andere Vermögenswerte als Eigentum verfügt, entsteht das Problem der Abgrenzung nicht, da z.B. Forderungen außerhalb des Betruges nicht durch einen weiteren Straftatbestand geschützt sind.

dd.) Durch die Vermögensverfügung muss es zu einer Vermögensminderung kommen. Bei relativen Rechten kann dies konkret z.B. so aussehen, dass das Opfer es unterlässt, eine Forderung gegen den Täter geltend zu machen. Die Vermögensminderung unterscheidet sich vom Vermögensschaden dadurch, dass bei der Vermögensminderung noch nicht geprüft wird, ob die nicht geltend gemachte Forderung eventuell als gleichwertiges Äquivalent für einen anderen, durch eine zeitgleiche weitere Vermögensverfügung verlorenen Vermögenswert dem Vermögen des Opfers zugeflossen ist. So verfügt z.B. beim Tankstellenfall der Pächter über das Benzin aus der Zapfsäule, indem er es duldet, dass der Täter die Zapfanlage bedient. Dadurch bedingt entsteht durch den konkludenten Kaufvertrag eine Kaufpreisforderung für den Pächter gegen den Täter. Diese Kaufpreisforderung kann ein Äquivalent darstellen, welches den verfügungsbedingten Vermögensabfluss in Form der Eigentumsübertragung am Benzin ausgleichen kann. Dies wird bei dem Prüfpunkt „Vermögensverfügung“ aber nicht geprüft. Hier genügt es festzustellen, dass das freiwillige Handeln, Dulden oder Unterlassen des Opfers dazu geführt hat, dass eine Minderung an Vermögenswerten eingetreten ist unabhängig von der Frage, ob diese Vermögensminderung durch ein Äquivalent ausgeglichen worden ist. Beim Tanken eines Fahrzeuges ohne Zahlungsabsicht des Täters kann beispielsweise die Vermögensverfügung des Opfers darin bestehen, dass der Tankstellenpächter es duldet, dass der Täter seinen Benzinvorrat mindert, dass der Tankstellenpächter das Eigentum am Benzin auf den Täter überträgt oder dass der Tankstellenpächter es unterlässt, die durch den Tankvorgang entstandene Kaufpreisforderung geltend zu machen. In all diesen Fällen wird nicht weiter geprüft, ob diese, durch das Opfer freiwillig vorgenommene Vermögensminderung, durch ein Äquivalent ausgeglichen worden ist. Dies unterscheidet die Prüfung der Vermögensverfügung von der Prüfung des Vermögensschadens.

d.) Vermögensschaden

An dieser Stelle wird nun geprüft, ob der freiwillig vorgenommene Vermögensabfluss des Opfers durch ein gleichwertiges Äquivalent ersetzt worden ist.

aa.) Dabei ist strittig, wann von einem Vermögensschaden gesprochen werden kann. Vertreten wird der juristische, der wirtschaftliche und der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff. Dabei wird um die Frage gestritten, welche Vermögenswerte als vom Schutzbereich des § 263 StGB umfasst angesehen werden sollen. Nur die Verfügungen des Opfers über solche Vermögenswerte, welche dem Schutzbereich des § 263 StGB unterfallen, können auch zu einem Vermögensschaden und damit zu einer Strafbarkeit nach § 263 StGB führen. Die einzelnen Theorien zum Vermögensschaden streiten demnach um die Frage, welche Vermögenswerte, über die das Opfer verfügt, noch vom Schutzbereich des § 263 StGB umfasst sein sollen und welche nicht. Je nach vertretenem Vermögensbegriff können damit mehr oder auch weniger Vermögenswerte geschützt werden und damit die Strafbarkeit des § 263 StGB ausgedehnt oder eingeschränkt werden.

bb.) Weiterhin kann eine Vermögensgefährdung dem Schaden gleichgestellt werden. So mag im Tankstellenfall die Übertragung des Eigentums am Benzin in der Zapfsäule dazu geführt haben, dass der Pächter einen Zahlungsanspruch als Äquivalent für das verlorene Eigentum in sein Vermögen bekommen hat. Auf der anderen Seite ist die Durchsetzbarkeit des Anspruches praktisch schwierig. Allein, dass das Opfer das Prozessrisiko trägt rechtfertigt es, die Gefährdung des Zahlungsanspruches dem Vermögensschaden gleichzusetzten.

2. Subjektiver Tatbestand

a.) Vorsatz

Der Vorsatz des Täters muss sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen.

b.) Bereicherungsabsicht

Weiterhin muss der Täter Bereicherungsabsicht haben. Diese hat der Täter dann, wenn er wollte, dass die vom Opfer freiwillig vorgenommene Minderung seines Vermögens unmittelbar zu einem Zufluss seines, des Täters, Vermögens führen sollte. Der Täter muss gewollt haben, dass das Opfer einen Vermögenswert direkt und ohne Zwischenschritte von seinem Vermögen in das Vermögen des Täters überträgt. Diese Situation der unmittelbaren Vermögensverschiebung bezeichnet man mit „Stoffgleichheit“. Die Stoffgleichheit bezeichnet demnach die Situation, in welcher der Vermögensabfluss beim Opfer zu einem unmittelbaren Vermögenszufluss beim Täter führt. Das Erfordernis der Situation der Stoffgleichheit kennzeichnet den Betrug als ein „Vermögensverschiebungsdelikt“. Von der Strafbarkeit nach § 263 StGB ist nur umfasst, dass der Täter einen Vermögensvorteil erlangen will, welcher dadurch bedingt ist, dass das Opfer freiwillig einen Vermögensnachteil erleidet, welcher ohne weitere Zwischenschritte zu einem Vermögensvorteil beim Täter führt.

Ausgenommen von der Stoffgleichheit und damit der Bereicherungsabsicht sind die Fälle, in welchen der Täter den Vermögensvorteil nicht direkt aus dem Vermögen des Opfers, sondern aus dem Vermögen eines Dritten erlangen will. Dies zeigt sich bei den sog. Provisionsfällen: Der Abo-Abschluss des Opfers für eine für das Opfer nutzlose Zeitung führt dazu, dass der Vermögensnachteil des Opfers unmittelbar zu einem Vermögensvorteil des Verlages, nicht aber des Vertreters als Täter führt. Der Täter erlangt seinen Vermögensvorteil erst durch die vom Verlag gezahlte Abschlussprovision. Damit fehlt es an der Stoffgleichheit. Der Täter beabsichtigt auch nicht die Bereicherung eines Dritten in Form des Verlages, da es ihm letztlich darauf ankommt, sein eigenes Vermögen zu bereichern.

c.) Rechtswidrigkeit

Die vom Täter beabsichtigte Bereicherung ist dann nicht rechtswidrig, wenn er etwa einen schuldrechtlichen Anspruch auf den Vermögenswert hat.

B.) Rechtswidrigkeit

C.) Schuld

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Betrug § 263 StGB auf unserer Website Jura Individuell.

Diebstahl § 242 StGB – Objektiver Tatbestand

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Der Beitrag beschäftigt sich mit dem objektiven Tatbestand des Diebstahls. Der subjektive Tatbestand ist Gegenstand eines weiteren Beitrages. Weitere Aufsätze siehe unter den Kategorien StGB sowie Strafrecht.

Dieser Aufsatz soll sich einem der prüfungsrelevantesten Paragraphen des StGB widmen, dem Diebstahl § 242 StGB. Anhand des Prüfungsschemas sollen hier die einzelnen Tatbestandsmerkmale erläutert und anhand von Beispielen erklärt werden. In Bezug auf den Diebstahl sollten die Studenten in keinem Fall auf Lücke lernen.Nicht nur, weil diverse Paragraphen, die hohe Examensrelevanz haben auf dem Diebstahl aufbauen, so wie beispielsweise der Raub § 252 StGB, sondern auch weil der Diebstahl an sich schon beliebtes Prüfungsthema im Examen ist, insbesondere weil sich diverse Probleme um ihn ranken, die ein systematisches Grundverständnis dieser Norm vorrausetzen.

Prüfungsschema:

Natürlich folgt auch beim Diebstahl wieder dem dreigliedrigen Aufbau: Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld. Der Tatbestand teilt sich hierbei wie gewöhnlich in einen objektiven und einen subjektiven Teil. Für den § 242 sieht das Prüfungsschema sodann wie folgt aus:

I) Objektiver Tatbestand

1) Tatobjekt: Fremde bewegliche Sache

2) Tathandlung: Wegnahme

II) Subjektiver Tatbestand

1) Vorsatz in Bezug auf den objektiven Tatbestand

2) Absicht sich oder einem Dritten die Sache rechtswidrig zuzueignen

a) Gegenstand der Zueignung

b )Absicht auf vorübergehende Aneignung

c)Zumindest Dolus Eventualis in Bezug auf dauerhafte Enteignung

d)Rechtswidrigkeit der Zueignung

e)Vorsatz in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Zueignung

III) Rechtswidrigkeit

Wie üblich

III) Schuld

Wie üblich

IV) Strafzumessung

Eventuell ist ein Regelbeispiel einschlägig § 243 StGB.

 

Im Folgenden sollen nun die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 242 besprochen und erläutert werden. Es wird darauf hingewiesen, dass der subjektive Tatbestand des Diebstahls wesentlich mehr erfordert, als der objektive Tatbestand. Es handelt sich insofern um ein Delikt mit überschießender Innentendenz, da im subjektiven Tatbestand Merkmale zu prüfen sind, die im objektiven Tatbestand teilweise keine Entsprechung finden. Wie sich zeigen wird ist der Subjektive Tatbestand des Diebstahls zwar wesentlich umfangreicher als der objektive, dafür ist der objektive Tatbestand nicht viel unkomplizierter. Der Aufsatz soll wie immer dazu dienen, dass die Kandidaten ein Verständnis für die einzelnen Probleme entwickeln und nicht lediglich Fallgruppen auswendig lernen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass man in einer Klausur einen Fall antrifft, den man so bereits kennt ist äußerst gering, wenn nicht gar völlig unwahrscheinlich.

Beginnen werden wir in der folgenden Darstellung  wie in einer Klausur natürlich auch mit dem objektiven Tatbestand. Der Subjektive Tatbestand des Diebstahls wir in einem weiteren Aufsatz behandelt.

I) Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand des Diebstahls setzt die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache voraus. Mehr nicht. Das klingt noch relativ einfach, aber auch schon an dieser Stelle müssen Studenten bestimmte Problemfälle kennen um in der Klausur zu einer richtigen Lösung zu gelangen. Der objektive Tatbestand des Diebstahls hat es ganz schön in sich und will beherrscht werden. Fehler in diesem Bereich wiegen extrem schwer und sorgen für eine schlechte Benotung.

Wir beginnen einmal mit dem Tatobjekt: Der fremden beweglichen Sache:

Tatobjekt des Diebstahls ist eine fremde bewegliche Sache. Und schon hier müssen diverse Definitionen beherrscht werden um nicht gleich mit einem falschen Ansatz in die Klausur zu starten. Es stellen sich Fragen wie: Was ist eine Sache, wann ist sie beweglich, wann ist sie fremd, wie beurteilt man das und welche Probleme tauchen hierbei auf? Diese Fragen sollen im Folgenden beantwortet werden.

1) Der Sachbegriff:

a) Definition: Sachen sind nur körperliche Gegenstände § 90 BGB

Was eine Sache ist findet ihr im BGB und zwar in § 90. Hiernach sind Sachen nur körperliche Gegenstände wie beispielsweise ein Koffer, Ec Karte, Fernseher, Schlüssel, ein Buch etc., eben alles, was man fassen und beherrschen kann.

b) Aggregatzustand- Relevanz für den Sachbegriff

Auf den Aggregatzustand kommt es hierbei nicht an, solange die Sache von der Außenwelt abgrenzbar ist. Das heißt, dass auch Flüssigkeiten in einem Behältnis oder Gas in einer Flasche eine Sache darstellen kann, nicht jedoch fließendes Wasser oder freie Luft, da diese nicht im Raum abgrenzbar sind. Zu beachten ist, dass elektrischer Strom keine Sache ist, weshalb § 248 c die Entziehung elektrischer Energie gesondert unter Strafe stellt.

c) Problemfälle in Bezug auf den Sachbegriff

die sich um den Sachbegriff ranken sind in einer Klausur häufig Tiere oder Leichen. Dass Tiere Sachen im Sinne des StGB sind ergibt sich schon aus § 324a I Nr. 1 StGB, der von „Tieren… und anderen Sachen“ spricht. Das StGB weist in dieser Hinsicht also anscheinend einen weiteren Sachbegriff auf als das BGB, denn nach dem BGB sind Tiere keine Sachen, werden aber weitestgehend wie diese behandelt.

Der Körper eines lebenden Menschen hat keinesfalls Sachqualität. Ebenso wenig sind mit ihm fest verbundene Teile Sachen. Der Herzschrittmacher eines Menschen, der mit dem Körper fest verbunden wurde ist daher keine Sache. Anders ist es aber wiederum bei Sachen, die nur eine vorübergehende Verbindung zum menschlichen Körper aufweisen wie etwa eine Brille oder ein Hut.

Einer menschlichen Leiche hingegen spricht die vorherrschende Meinung in der Literatur hingegen Sachqualität zu, allerdings ist das umstritten und an späterer Stelle wird sich zeigen, dass auch wenn man eine Sachqualität bejaht, die Eigentumsfähigkeit einer solchen sehr fraglich ist. Dazu kommen wir weiter unten.

2) Beweglichkeit einer Sache

Definition: Eine Sache ist dann beweglichwenn sie tatsächlich fortgeschafft werden kann.

Die Sache muss obendrein auch beweglich sein. Das ist sie, wenn sie tatsächlich von ihrem ursprünglichen Ort fortgeschafft werden kann. An dieser Stelle muss der Student praktisch denken. Erwähnenswert ist, dass auch Teile von unbeweglichen Sachen hierzu zählen, wenn sie ablösbar sind und abgelöst werden. So kann beispielsweise ein ausgegrabener Baum eine bewegliche Sache sein. Insofern reicht es also, wenn Sachen erst beweglich gemacht werden können.

3) Fremdheit einer Sache

Definition: Eine Sache ist fremd, wenn sie im Allein- Mit- oder Gesamthandeigentum von einem anderem als dem Täter steht.

a) Eigentumsverhältnisse sind nach dem BGB zu bestimmen

So weit so gut, aber wie bestimmt man nun die Eigentumsverhältnisse? Die Eigentumsverhältnisse an einer Sache richten sich nach zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere also den 929 ff. BGB.  Im Zweifel kann eine strafrechtliche Klausur eine Inzidentprüfung von Übereignungen beinhalten. Daher sollten auch die §§ 929 ff beherrscht werden. An dieser Stelle zeigt sich erneut wie elementar rechtsgebietübergreifendes Lernen ist. Wichtig ist, dass es falsch wäre zu behaupten, eine Sache sei fremd, wenn sie nicht dem Täter allein gehöre, denn eine Sache könnte ja auch herrenlos sein oder gar nicht eigentumsfähig. Sollte das der Fall sein ist diese nicht schon deshalb fremd, weil sie nicht dem Täter gehört. Benutzt ihr also eine andere Definition, in welcher ihr von dem Täter ausgehen wollt, so müsst ihr genau arbeiten und sagen, dass eine Sache dann fremd ist, wenn sie zwar eigentumsfähig ist, aber weder dem Täter allein gehört, noch herrenlos ist. Welche der Definitionen ihr hiervon in der Klausur benutzen wollt ist insofern euch überlassen. Elementar ist aber, dass ihr an dieser Stelle genau arbeitet. Es kann auch in einer strafrechtlichen Klausur geschehen, dass ihr inzident eine Übereignung prüfen müsst um festzustellen, wer Eigentum an einer Sache hat und wer nicht.

b) Eigentumsfähigkeit von Sachen

Damit eine Sache aber nun in dem Eigentum irgendeiner Person stehen kann, muss die Sache überhaupt eigentumsfähig sein. Aufpassen. Herrenlos bedeutet nicht gleich dass eine Sache nicht eigentumsfähig wäre. Das ergibt sich schon aus § 958 BGB, der ja gerade belegt, dass derartige herrenlose Sachen durchaus eigentumsfähig sind. Also haltet bitte aus Gründen der Klarheit diese Begriffe auseinander. Ein Beispiel für eine herrenlose Sache ist freilebendes Wild. Die Eigentumsfähigkeit wird nach überwiegender Ansicht für menschliche Leichen verneint. Wie oben gesehen wird ihnen zwar Sachqualität zugesprochen, allerdings dann überwiegend die Eigentumsfähigkeit verneint. Insofern bleibt dann wohl nur der Anwendungsbereich des § 168 StGB, nicht aber der von den §§ 303,242,246 StGB. Ganz ausnahmsweise wird auch die Eigentumsfähigkeit menschlicher Leichen bejaht und zwar dann, wenn die Leichen nicht zur Bestattung bestimmt sind, wie zum Beispiel. Eine Mumie, eine Moorleiche, eine Anatomieleiche. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Tod eines Menschen die Teile die mit dem menschlichen Körper fest verbunden waren mit einer Trennung von dem Leichnam auch wieder zu Sachen werden, die eigentumsfähig sind. Allerdings muss man an dieser Stelle ganz genau aufpassen, denn diese Sachen sind zunächst nur herrenlos während den Erben wohl das Aneignungsrecht zusteht. Solange aber keiner der Erben sich die Sache angeeignet hat, ist die Sache wohl nicht fremd. Ein Beispiel für derartige Teile wären beispielsweise Goldplomben oder alte Herzschrittmacher. Insoweit bleibt dann im Zweifel auch nur die Anwendung des § 168 StGB:

c) Rechte Dritter ändern die Eigentumsverhältnisse nicht

Haben Dritte in Bezug auf eine Sache Rechte, gehört die Sache aber dennoch dem Täter alleine, so ist die Sache nicht fremd. Die Belastung einer Sache mit Rechten Dritter ändert nichts an den Eigentumsverhältnissen. Hat also ein Dritter an der Uhr des Täters ein Pfandrecht, so bleibt höchstens Raum für § 289 StGB, nicht aber für einen Diebstahl, wenn der Täter die Uhr wegnimmt, da sie ihm ja alleine gehört. Hinzuweisen ist auch darauf, dass Vorbehaltseigentum ist für den Anwartschaftsberechtigten und Sicherungseigentum für den Sicherungsgeber fremd sind, da Eigentumsverschaffungsansprüche nach dem zivilrechtlichen Abstraktionsprinzip die Beurteilung der Fremdheit nicht beeinflussen.

d) Simultanitätsprinzip beachten

Bei der Beurteilung der jeweiligen Eigentumsverhältnisse ist darauf zu achten, dass es nur auf die Sach- und Rechtslage ankommt, die im Tatzeitpunkt gegeben ist. Daher spielen insbesondere zivilrechtliche Rückwirkungsfiktionen keine Rolle. Wenn also A dem B seine Uhr übereignet und im Anschluss daran die Uhr bei B aus der Wohnung entwendet und sodann die Übereignung der Uhr anficht, so war die Uhr zum Tatzeitpunkt fremd, obwohl die Anfechtung er Übereignung zu einer Unwirksamkeit der Übereignung ex tunc, also von Anfang an führt § 142 BGB.

Im weiteren beschäftigen wir uns mit der Tathandlung: Der Wegnahme

Die Tathandlung des Diebstahls ist die berüchtigte Wegnahme.

1) Wegnahme definiert man als den Bruch fremden Gewahrsams und der Begründung neuen, nicht notwendig tätereigenen Gewahrsams.

Diese Definition muss ein Student kennen. Da führt kein Weg dran vorbei. An dieser Stelle tauchen aber gleich wieder neue Fragen auf. Was ist Gewahrsam und was ist eigentlich Sachherrschaft und welche Probleme tauchen in diesem Zusammenhang auf und was versteht man eigentlich unter Bruch? Das soll im Folgenden erklärt werden.

1) Gewahrsam:

Was ist nun eigentlich Gewahrsam? Gewahrsam heißt nicht Besitz! Gewahrsam hat vielmehr derjenige über eine Sache, der nach der Verkehrsanschauung tatsächliche Herrschaft über eine Sache hat und auch den dazugehörigen Willen hat die Sache zu beherrschen-kurz: Gewahrsam ist die tatsächliche Sachherrschaft getragen von einem natürlichen Sachherrschaftswillen. Es geht hier nicht um irgendwelche Berechtigungen (Auch ein Dieb kann also Gewahrsam haben), sondern allein um die tatsächliche Situation. Es geht weder um Fremdheit, noch um Besitz. Zwar ähnelt der Gewahrsam dem unmittelbaren Besitz im Zivilrecht, aber es gibt auch Fälle in denen jemand Besitz hat, aber keinen Gewahrsam und anders herum

Bsp: Der Besitzdiener hat Gewahrsam aber keinen Besitz. Der Erbenbesitzer kann Besitz haben, aber hat meistens keinen Gewahrsam. Der Mittelbare Besitzer hat Beitz aber keinen Gewahrsam. Den Gewahrsam hat hier vielmehr der Besitzmittler.

Wir stellen also fest. Gewahrsam ist ein tatsächliches Verhältnis, dass objektiv daraus besteht, dass jemand Sachherrschaft hat und subjektiv daraus, dass jemand den Willen zur Sachherrschaft hat. So nun gleich das nächste Problem- was ist denn nun Sachherrschaft?

a) Sachherrschaft

Sachherrschaft hat jemand dann, wenn dem Willen zur physisch realen Einwirkung auf die Sache unter normalen Umständen keine wesentlichen Hindernisse entgegenstehen. Eine enge räumliche Beziehung der Person zur Sache ist hierfür immer ein Anhaltspunkt, muss aber nicht ausschlaggebend sein. So kann auch eine Person, die sich in räumlicher Distanz zu der Sache befindet Gewahrsam, also tatsächliche Sachherrschaft haben. Man spricht insofern von einer Gewahrsamslockerung.

b) Sachherrschaft bei Gewahrsamslockerung:

Nach der Verkehrsauffassung kann auch eine Person die tatsächliche Sachherrschaft haben, die sich räumlich nicht in unmittelbarer Nähe zur Sache befindet.

Bsp: Ein Beispiel hierfür ist das geparkte Fahrzeug, das herumlaufende Haustier oder Sachen, die einfach irgendwo vergessen wurden.

Anders ist dies aber bei verlorenen Sachen, denn hier steht der Möglichkeit zur physisch realen Einwirkung auf die Sache nicht nur die räumliche Distanz, sondern auch die Unkenntnis vom Aufenthaltsort entgegen. An verlorenen Sachen verliert man also Gewahrsam. Oft ist es aber so, dass Gegenstände die in einer fremden Gewahrsamssphäre verloren werden von dort an im Gewahrsam der Person stehen, welche diese Gewahrsamssphäre beherrscht.

Bsp: Die Geldbörse die in öffentlichen Verkehrsmitteln verloren wird, der Ring, der in einer Gaststätte verloren wird, das Handy, dass im Kino verloren wird.

Werden Sachen auf der Straße verloren, oder im Wald etc., dann sind sie allerdings gewahrsamslos.

c) Sachherrschaftswille:

Wie oben bereits erklärt ist weiterhin der natürliche Sachherrschaftswille erforderlich um Sachherrschaft bejahen zu können. Diesen können sowohl Kinder haben, als auch Geisteskranke, denn es handelt sich um einen rein natürlichen Willen, für den keine Geschäftsfähigkeit erforderlich ist.

d) Genereller und potentieller Sachherrschaftswille

Es ist kein dauerhaftes Sachherrschaftsbewusstsein erforderlich. Vielmehr reicht auch ein genereller oder potentieller Sachherrschaftswillen aus. Ein genereller Gewahrsamswille ist beispielsweise bei Wohnungsinhabern an allen Sachen in ihrer Wohnung gegeben. Der Inhaber eines engen räumlichen Bereichs hat regelmäßig den Willen die tatsächliche Gewalt, also die Sachherrschaft an allen darin befindlichen Sachen auszuüben. Man bezeichnet diese Räume als generell beherrschte Räume. Die Verkehrsauffassung geht sogar soweit, dass man davon ausgehen kann, dass die Person auch den Sachherrschaftswillen an Gegenständen hat, die Zukünftig noch hierein gelangen (Antizipierter Erlangungswille. Die Konsequenz ist, dass der Inhaber der Räumlichkeit auch Gewahrsamswillen an den Briefen erhält, die in seinen Briefkasten gelangen.

Weiterhin genügt auch ein potentieller Sachherrschaftswille. Einen solchen haben bewusstlose oder auch schlafende Personen. Diese bleiben während der gesamten Dauer also Gewahrsamsinhaber. Dies gilt für bewusstlose sogar dann, wenn sie später sterben. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben sie Gewahrsamsinhaber.

e) Kein Sachherrschaftswille bei Toten

Tote Menschen hingegen haben keinen Gewahrsam. Achtung der Gewahrsam ist ein tatsächliches Verhältnis und geht daher nicht auf etwaige Erben über. Vielmehr wird die Sache meist gewahrsamslos.

f) Sachherrschaftswille bei juristischen Personen

Da es sich um einen natürlichen Willen handelt können juristische Personen einen solchen Willen nicht haben. Vielmehr ist das jeweils zuständige Organ dann Träger der Sachhherrschaft.

Bsp: Behördenleiter einer Behörde

g) Sachherrschaft von mehreren Personen- Alleingewahrsam oder Mehrstufiger Gewahrsam

Nun gibt es auch komplizierte Fälle, in denen mehrere Personen die Sachherrschaft innehaben und damit Mitgewahrsam. Man muss zischen gleichrangigem und Mehrstufigem Gewahrsam unterscheiden. Beim mehrstufigen Gewahrsam herrscht ein über- Unterordnungsverhältnis, dass beim gleichrangigen nicht herrscht. Welche Form vorliegt ist nach der der vor- Nach oder Gleichrangigkeit der faktischen Verfügungsmöglichkeiten zu bestimmen. Der Bruch von gleichrangigem Mitgewahrsam reicht für einen Diebstahl aus. Allerdings kann in mehrstufigen Gewahrsamsverhältnissen nur der untergeordnete Gewahrsamsinhaber den übergeordneten Gewahrsam brechen, nicht anders herum. Vorsicht: Wenn jemand die Sache wegnimmt, der Erkennbar nichts mit dem Gewahrsamsverhältnis zu tun hat, so ist die Problematik der Gewahrsamsverhältnisse höchstens kurz zu erwähnen. Entscheidend ist die Problematik nur dann, wenn eine Person aus dem Gewahrsamsstufenverhältnis tätig wird.

Fraglich ist nun wie man bestimmt, ob ein Gewahrsamsverhältnis in Form eines Über/Unterordnungsverhältnisses besteht oder eher Alleingewahrsam. Kriterien hierfür sind die zum einen die Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten der einen Person und zum anderen die Eigenverantwortlichkeit der anderen Person.

Normalerweise kann man davon ausgehen, dass Arbeitnehmer und Angestellte, die in einem Dienstverhältnis zu einer anderen Person stehen im Regelfall im Verhältnis zum Geschäftsherrn untergeordneten Mitgewahrsam haben.

Bsp: Die Verkäuferin im Laden, die Hausangestellte

Wenn Diese Person Sachen entwendet, so ein Gewahrsamsbruch und damit ein Diebstahl gegeben.

Ausnahmsweise können die Fälle aber auch anders gelagert sein, etwa so, dass ein Ladeninhaber auf Grund der Einzelfallumstände Alleingewahrsam hat, die Angestellten hingegen nur Gewahrsamshüter sind. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn es sich um sehr kleine Überschaubare Läden handelt, in denen der Ladeninhaber mitarbeitet und daher eine so große Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeit hat, die Angestellten hingegen so geringe Eigenverantwortlichkeit, dass man vom Alleingewahrsam des Ladeninhabers ausgehen muss.

Verwaltet die Ladenangestellte aber beispielsweise eine Supermarktkasse völlig eigenverantwortlich wohingegen kaum Einwirkungsmöglichkeiten des Ladeninhabers bestehen, so kann man hier im umgekehrten Fall vom Alleingewahrsam der Angestellten am Kasseninhalt ausgehen.

In derartigen Fällen muss immer eine Einzelbetrachtung erfolgen. Eine Pauschalisierung ist nicht möglich. In der Klausur sollte man dann nach Hinweisen für eine Eigenverantwortlichkeit suchen oder für eventuell bestehende Einwirkungsmöglichkeiten des anderen und dann eine Abwägung vornehmen. Kurz gefragt: Wer hat mehr Einfluss auf die Sache? Eher nur eine Person, oder beider eher gleich viel? Diese Fragen sollte sich ein Student in der Klausur stellen und dann mit Hilfe einer Abwägung nach der Verkehrsanschauung zu einem Ergebnis gelangen. Dies sehen Korrektoren wesentlich lieber, als heruntergebetete auswendig gelernte Fallgruppen.

h) Gewahrsam an dem Inhalt geschlossener Behältnissen

Ein Problem, dass in der Klausur immer wieder im Zusammenhang mit dem Gewahrsam auftaucht ist die Frage wer Gewahrsam an dem Inhalt von Geschlossenen Behältnissen hat. Insofern gilt die obige Definition, wird diese sauber anwendet, gelangt schnell zum richtigen Ergebnis. Entscheidend ist, wie oben erklärt, wer die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf den Inhalt des Behältnisses hat. Handelt es sich um einen fest mit dem Boden verankertes oder sehr schwer Bewegliches Behältnis, wie etwa einen Tresor oder ein großes Schließfach, dann ist der Gewahrsam am Inhalt wohl der Person zuzusprechen, die den Schlüssel zu diesem Behältnis hat. Handelt es sich allerdings um eine leicht bewegliche Schmuckschatulle oder eine kleine Geldkassette, so wird wohl derjenige Gewahrsam am Inhalt haben, der auch Gewahrsam an dem Behältnis selbst hat.

i) Vollendung der Wegnahme

Damit der Diebstahl vollendet ist muss natürlich auch die Wegnahme vollendet sein. Wichtig ist an dieser Stelle zunächst, dass eine Beobachtung einen Diebstahl nie verhindert, da der Diebstahl kein heimliches Delikt ist. Heimlichkeit ist nicht erforderlich. Wird der Täter also von Detektiven oder Kameras beobachtet, so hindert dies die Vollendung des § 242 StGB nicht.

Fraglich ist aber in welchem Zeitpunkt der Gewahrsamswechsel vollzogen ist und damit der Diebstahl vollendet. Achtung: Vollendung tritt schon dann ein, wenn der Tatbestand des Diebstahls erfüllt ist, also mit dem letztendlichen Abschluss des Gewahrsamswechsels. Beendigung bedeutet etwas ganz anderes. Beendigung tritt erst dann ein, wenn die Tat über die Tatbestandsverwirklichung hinaus ihren Abschluss gefunden hat. Beim Diebstahl ist dies wohl im Zeitpunkt der Beutesicherung der Fall (Bsp. Der Dieb kommt zu Hause an und knackt fröhlich seine gestohlene Geldbombe)

Wann ein Diebstahl vollendet ist wird oft heftig diskutiert und ist auch oft Gegenstand von Klausuren. Hier gibt es diverse theoretische Ansätze. Die Kontrektationstheorie geht davon aus, dass schon mit dem Berühren der Sachen der Diebstahl vollendet ist. Die Apprehensionstheorie hingegen verlangt ein zum Gewahrsamswechel führendes Ergreifen der Sache, während die Ablationstheorie das Beiseiteschaffen der Beute verlangt (Abtransport) und die Illationstheorie sogar die Beutesicherung.

Nach der hier vertretenen Ansicht sind alle diese Theorien kaum möglich alle Sachverhalte gut und genau genug zu bewerten. Es ist wohl besser den Sachverhalt einzeln auszuwerten und zu prüfen, ob der Gewahrsamswechsel im vorliegenden Fall bereits vollständig vollzogen wurde. Hierzu gilt es zu untersuchen ob der Täter eine Herrschaftsposition über die Sache schon so erlangt hat, dass der ursprüngliche Gewahrsamsinhaber ohne die Beseitigung dieser Position nicht mehr auf die Sache einwirken kann ohne mit erheblichem Widerstand rechnen zu müssen oder Hindernissen ausgesetzt zu sein. Bei kleineren Gegenständen wird man daher wohl annehmen können, dass der Gewahrsamswechsel schon vollzogen und der Diebstahl daher vollendet ist, wenn die Sache eingesteckt wird (Etwa in eine Handtasche oder den Mantel) Dies kann man deshalb bejahen, weil der menschliche Körper mit einem Tabu umgeben ist und der ursprüngliche Gewahrsamsinhaber wohl mit Widerstand rechnen muss, wenn er die Sache zurückerlangen möchte. Bei größeren Gegenständen wird man eine Vollendung hingegen wohl erst mit dem Herausschaffen der Ware aus dem Laden annehmen können.

Dieser Bereich sollte nicht unterschätzt werden, denn die Vollendung des Diebstahls entscheidet darüber, ob der Täter noch von der Tat zurücktreten kann. Befindet sich die Tat noch im Versuchsstadium, so ist ein Rücktritt möglich. Ist der Diebstahl aber bereits vollendet und der Gewahrsamswechsel vollzogen, dann scheidet ein Rücktritt aus. Die Thematik sollte daher beherrscht werden.

j) Vollendung trotz elektromagnetischem Sicherungsetikett

Die Vollendung des Diebstahls scheitert auch nicht deshalb, weil eine Sache eventuell mit einem elektromagnetischem Sicherungsetikett versehen ist, das beim Verlassen des Ladens einen Alarm auslöst. Derartige Markierungen sollen nur für eine Rückführung der Ware an den Berechtigten sorgen und damit die Beendigung des Diebstahls verhindern. Die Vollendung des Diebstahls bleibt hiervon unberührt.

3) Bruch

Die Definition der Wegnahme beinhaltet das Wort „Bruch“. Der fremde Gewahrsam muss gebrochen werden. Hierunter versteht man, dass der Gewahrsam gegen oder ohne den Willen des Berechtigten gebrochen werden muss, damit § 242 einschlägig ist. Achtung: Der Wille des Gewahrsamsinhabers und nicht des Eigentümers ist an dieser Stelle entscheidend. Ist der Gewahrsamsinhaber mit einer Wegnahme einverstanden, so liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor. Das heißt dann, dass im Gegensatz der zur rechtfertigenden Einwilligung schon der Tatbestand und nicht erst die Rechtswidrigkeit des Diebstahls verneint werden muss.

An dieser Stelle werden in Klausuren gerne die sogenannten Diebesfallen eingebaut, bei denen dem vermutlichen Täter eine Falle gestellt werden soll und eine Sache praktisch zum Diebstahl bereit gelegt wird (bsp. ein Markierter Geldschein). Der Täter soll dann entweder nach dem ergreifen der Sache oder erst später auf Grund einer Markierung der Sache anhand dieser überführt werden.

An dieser Stelle müssen die Bearbeiter einer Klausur genau hinsehen. Soll der Täter erst einige Zeit nach dem Diebstahl der Sache ergriffen werden, so liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers vor, denn dieser war ja mit dem Gewahrsamswechsel gerade zur Überführung des Täters einverstanden. Soll der Täter gleich nach dem Ergreifen der Sache gestellt werden, so hat der Täter oft schon gar keine hinreichende Herrschaftsposition erlangt, die zu einer Vollendung des Diebstahls führen kann. Sollte dies doch der Fall sein, weil es sich etwa um kleine Gegenstände handelt, die der Täter schon eingesteckt hat (Gewahrsamsenklave), dann liegt wohl ebenfalls ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor. Der Diebstahl ist daher zu verneinen. Allerdings sollten Studenten dann nicht vergessen einen versuchten Diebstahl zu prüfen, wenn der Täter von dem Einverständnis keine Kenntnis hatte. Dieser ist dann oft zu bejahen.

 

Liegen alle oben dargestellten objektiven Tatbestandsvoraussetzungen vor, könnt ihr euch dem subjektiven Tatbestand widmen. Ihr seht nun, dass schon der objektive Tatbestand des Diebstahls erheblich Zündstoff für eine Klausur bieten kann. Daher sollte man die Problemfelder des objektiven Tatbestandes verstehen und richtig einzuordnen wissen.

Zum subjektiven Tatbestand siehe hier

Anmerkungen

Zur Ergänzung siehe auch die Aufsätze,Schemata sowie Klausuren unter den Kategorien StGB sowie Strafrecht, vor allem den Beitrag über die Regelbeispiele nach § 243 StGB.

siehe auch: mittlebare Täterschäft und Verbotsirrtum, Beihilfe, Diebstahl in mittelbarer Täterschaft, Error in persona und aberratio ictus, Aufbau ErlaubnistatbestandsirrtumPrüfschema Nötigung und Anstiftung

Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Wir hoffen, dass er Ihnen weiterhelfen oder zumindest Ihr Interesse wecken konnte. Hier finden Sie den Beitrag Diebstahl § 242 StGB – Objektiver Tatbestand auf unserer Website Jura Individuell.

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